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Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. Januar 2016, Teil 2

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Mit seinem Mystery-Thriller begibt sich der Franzose Guillaume Nicloux auf ein Terrain, das bislang amerikanische Regisseure wie Alfred Hitchcock oder David Lynch am besten beherrschten. „Valley of Love“ wird von außergewöhnlichen Schauplätzen, einer geheimnisvollen Atmosphäre, bizarren Nebenfiguren und unheimlichen Phänomenen bestimmt.

 

Isabelle Huppert (62) spielt darin eine Schauspielerin, die wie sie selbst Isabelle heißt und sich auf Wunsch ihres toten Sohnes zusammen mit ihrem Ex-Ehemann ins Death Valley begibt. In einem Brief hat der Sohn nach seinem Selbstmord seinen Eltern prophezeit, dass sie ihn an diesem entlegenen Ort wiedersehen würden. Erstmals nach 36 Jahren spielt Huppert in diesem Film wieder an der Seite von Gérard Depardieu.

 

 

Frau Huppert, was hat sie an Nicloux’ kammerspielartigem Thriller besonders inspiriert?

 

Ich wähle meine Filme immer nach den Regisseuren aus. Mir ist es egal, ob ich eine introvertierte oder eine aufgedrehte Figur verkörpere, ob mein Part Teil einer Komödie oder einer Tragödie ist. Stoff, Handlung und Rolle sind für mich nebensächlich.

 

 

Können Sie gleichwohl etwas konkreter fassen, was Sie an „Valley of Love“ angesprochen oder interessiert hat?

 

Dass sich zwei Menschen im Death Valley ganz allein überlassen sind, ist natürlich schon ein spannender Ausgangspunkt. Das ist eine höchst ungewöhnliche Situation, man könnte sie mit einem chemischen Experiment vergleichen. Es kommt zu einer schnellen, unabsehbaren Reaktion.

 

 

Wie haben Sie die Intimität am Set mit Gérard Depardieu erlebt?

 

Das war keine neue Erfahrung, es gab nichts zu überwinden oder aufzubauen. Gérard und ich kennen uns schon sehr lange, auch wenn wir seit „Loulou“ (1980) keinen gemeinsamen Film mehr gemacht haben. Das gegenseitige Vertrauen ist nicht verloren gegangen. Die Intimität vor der Kamera war nicht anders als damals.

 

 

In “Valley of Love” tragen Sie und Depardieu die gleichen Namen wie im wirklichen Leben- Isabelle und Gérard. Ihnen ist es auch wichtig, auf der Leinwand nicht nur eine Figur zu spielen, sondern eine Person zu sein. Der Franzose Olivier Assayas hat unlängst mit „Die Wolken von Sils Maria“ einen Film gemacht, der sogar soweit geht zu behaupten, die Biografien der Figuren spiegelten sich im wirklichen Leben der Schauspieler….

 

Enge Verbindungen zwischen meinem wirklichen Leben und meinen Filmfiguren gibt es in dieser Weise nicht. Ich würde eher behaupten, wir tun nur so, als würden wir uns selbst spielen, und am Ende kann man – wenn wir gut sind - kaum noch zwischen der fiktiven und der realen Isabelle unterscheiden. Darin liegt unsere Kunst und das bewirkt unweigerlich eine Konfusion. Über dieses paradoxe Selbstverständnis meines Berufs hat der berühmte Jean Cocteau treffend geschrieben: „Ein Schauspieler ist ein Lügner, der die Wahrheit sagt“. So ist es!

 

 

Sie sind derzeit mit noch einem anderen Film im Kino präsent, in Joachim Triers „Louder than bombs“. In beiden Filmen geht es um einen Selbstmord. Gibt es noch weitere Parallelen?

 

Es ist ein Zufall, dass in beiden Filmen ein Selbstmord die Handlung in Gang bringt. „Louder than bombs“ sollte schon vor zwei Jahren realisiert werden, als Guillaume Nicloux das Drehbuch zu „Valley of Love“ noch gar nicht in Angriff genommen hatte. Gleichwohl stimmt es schon, die beiden Filme haben etwas gemeinsam, gar nicht einmal so sehr den Selbstmord an sich, als vielmehr die Auseinandersetzung damit, was der Tod in einer Familie bewirkt, wie die Angehörigen damit zurecht kommen, wenn jemand plötzlich verschwindet. Der Auslöser dafür könnte theoretisch auch ein ganz anderer sein.

 

 

Wie ist das Drehbuch zu „Valley of Love“ angelegt: Sind die Dialoge genau festgelegt oder lässt es größere Räume für Improvisation?

 

Das Drehbuch war in allem sehr genau festgelegt. Letztlich ist natürlich immer Improvisation im Spiel, wie mein Freund Bob Wilson richtig bemerkt, insofern, als ich nie genau weiß, was im nächsten Moment geschehen könnte. Aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass Texte spontan entstehen. In diesem Fall haben wir uns bis aufs Komma an den Wortlaut gehalten.

 

 

Es wird viel darüber diskutiert, dass Frauen weitaus weniger Filme machen als Männer. Auf der vergangenen Berlinale wurde über die Einführung einer Frauen-Quote nachgedacht, um dem Ungleichgewicht abzuhelfen. Auch auf anderen Filmfestivals ist die mangelnde Präsenz an Filmemacherinnen im Kino immer wieder Thema. Wie beurteilen Sie die Lage?

 

In Frankreich gibt es viele und durchaus erfolgreiche Filmemacherinnen. Natürlich, das internationale Kino ist vorrangig männlicher. Es ist damit nicht zwangsläufig besser, aber sehr kraftvoll. Man muss dazu sagen, Frauen wagen oftmals mutige Produktionen mit Untertiteln, die sind nicht so leicht umzusetzen, aber trotz der Widerstände kommen dann oft tolle Sachen dabei heraus.

 

 

Wollen Sie andeuten, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter in Frankreich kein Thema mehr ist?

 

Sagen wir mal so: Frauen werden immer noch schlechter bezahlt als Männer, aber das ist ein weltweites Problem. Ich würde das nicht auf Schauspielerinnen oder Filmemacherinnen reduzieren wollen.

 

 

Das Death Valley ist eine ganz spezielle Location. Wie haben Sie diesen Ort erlebt?

 

Ich war dort nicht zum ersten Mal, insofern war das kein völlig neues Erlebnis für mich. Gleichwohl ist es natürlich ein großer Unterschied, ob man dort als Tourist nur für drei Nächte - oder beruflich drei Wochen lang bleibt. Besonders im August ist es irrsinnig heiß, dann ist man sehr froh, wenn man nicht lange bleibt. Diese Hitze hat schon beinahe etwas Infernalisches. Eigentlich erstaunt es, dass man es überhaupt solange dort aushalten kann, aber wahrscheinlich liegt das in unserer menschlichen Natur, sich an alles irgendwie zu gewöhnen. Diese Hitze nimmt wirklich niemals ab, man kann ihr nirgends entfliehen. Das Wasser im Pool wird niemals kühl, das Duschwasser ist heiß, überall ist es heiß. Aber diese Beeinträchtigungen haben auch etwas Gutes, sie bewirken eine besondere Inspiration für unser Spiel.

 

 

Planen Sie schon neue Projekte mit Michael Haneke?

 

Ja, aber die sind noch nicht spruchreif.

 

 

Was schätzen Sie besonders an diesem Regisseur?

 

Unsere Zusammenarbeit ist von großer Unkompliziertheit und Einfachheit bestimmt. Was Hanekes Arbeit vor allem auszeichnet ist seine Unsentimentalität. Sie wird oft missverstanden. Mitunter werden meine Figuren als besonders kalt und unemotional eingestuft, aber das ist es nicht. Gefühllos sind sie niemals. Die „Klavierspielerin“ ist ein gutes Beispiel dafür: Sie ist ziemlich emotional, aber niemals sentimental. Haneke mag keine zarten, sanftmütigen Charaktere, er hat einen sehr eigenwilligen Blick auf die Welt.