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Kategorie: Film & Fernsehen

Zur heutigen Ausstrahlung DIE AKTE GENERAL im Ersten um 20.15 Uhr, Teil 2, Gespräch mit Ulrich Noethen

 

Elke Eich

 

Berlin (Weltexpresso) - Erst im Januar zog uns Ulrich Noethen im zweiten Teil der Krimireihe „Neben der Spur“ als Psychologe und Familienvater Dr. Johannes Jessen, der mit einer Parkinson-Diagnose kämpft, erneut in den Bann. Nun ist der mit vier Geschwistern in einem Pfarrei-Haushalt im schwäbischen Neu-Ulm und später in Augsburg aufgewachsene Schauspieler in kurzen Abständen in zwei bedeutenden Rollen zu sehen.

 

In der TV-Produktion „Die Akte General“ (ARD, 24. Februar um 20:15 Uhr) verkörpert er einen deutschen Helden par excellence : den aus Stuttgart stammenden und nach dem Krieg in Hessen in Sachen Aufklärung von Naziverbrechen (u.a. Festnahme Eichmanns und Aufbau demokratischen Rechtsverständnisses) hartnäckig und konsequent wirkenden Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. In Hans Steinbichlers Kinoverfilmung von „Das Tagebuch der Anne Frank“ (Kinostart 3. März) – der ersten in Deutschland - wird der Familienmensch Ulrich Noethen zu Anne Franks Vater Otto. Zwei „Highlights“ für den Meister der leisen und tragischen wie auch verschmitzten und humorigen Töne, wie er im Gespräch bei einem Treffen am Rande der Berlinale erzählt.

 

 

Herr Noethen, in kurzem Abstand sind Sie bald in zwei bedeutenden Rollen zu erleben: als Generalstaatsanwalt Fritz Bauer im TV-Film „Die Akte General“ und als Vaters von Anne Frank in Hans Steinbichlers Kino–Fassung von „Das Tagebuch der Anne Frank“. Das waren sicherlich sehr intensive Erfahrungen.

 

Ja, jede der beiden Rollen hat mich gefordert. Das waren zwei Highlights für mich: Im einen Fall wurde ein Stück Weltliteratur verfilmt und im anderen durfte ich einen deutschen Helden verkörpern.

 

 

Wann und unter welchen Umständen fanden denn jeweils die Dreharbeiten statt?

 

Das Tagebuch der Anne Frank“ haben wir genau vor einem Jahr gedreht. Das ging Ende Januar los und ging bis in den März hinein. Gedreht wurde hauptsächlich in Köln im Studio, dann noch in Amsterdam und in der Schweiz. Das war ganz wichtig für den Film, dass wir auch die Weite spüren und fühlen.

 

Danach kamen dann – ohne große Pause – die Dreharbeiten zu „Die Akte General“. In Baden-Baden, Karlsruhe und Umgebung und in München.

 

 

Ein ganz besonderer Umstand ist ja auch, dass sowohl Sie wie auch Ihr Kollege Burkhart Klaußner so zeitnah hintereinander als Fritz Bauer zu sehen sind.

 

Da entsteht gleich so ein Eindruck von Wettbewerb. Aber darum geht es nicht. Lars Kraume hat einen Kinofilm gemacht, der diese Figur von Fritz Bauer ganz toll zeigt. Und wir kommen jetzt mit der Fernsehproduktion. Ich finde es einfach toll, dass Fritz Bauer einen ihm gebührenden Platz in der öffentlichen Wahrnehmung bekommt. Natürlich gehört dazu mehr als ein Film, aber es trägt dazu bei. Wir zeigen einen Mann, der sich wirklich als Vorbild eignet, einen deutschen Helden der jungen Bundesrepublik, der sehr viel für dieses Land getan hat.

 

 

Wie haben Sie sich auf die Rolle von Fritz Bauer vorbereitet?

 

Ich habe mir z.B. das dokumentarische Material angeschaut.

Das sei jedem empfohlen, Bauer einfach mal sprechen zu hören und zu sehen: „Heute Abend Kellerclub – Fritz Bauer“ auf YouTube, wo er mit jungen Studenten spricht.

 

 

Welche Botschaften hatte Fritz Bauer für die Menschen?

 

Da gibt es solche Sätze, die wie in Stein gemeißelt sind: „Wir können die besten Verfassungen haben und wir können tolle Gesetze haben, aber das nützt uns alles nichts, wenn wir diese Dinge nicht leben!“ Dass es also nichts nützt, wenn wir diese Gesetze nicht mit Leben füllen. Und das stimmt einfach! Vor allem war das von ihm auch nicht so dahin gesagt, sondern man hat bei ihm deutlich den Eindruck, dass er das tatsächlich gelebt hat. Das war seine Triebfeder. Also, Fritz Bauer ist eine wirklich sehr beeindruckende Persönlichkeit.

 

 

Haben Sie sich auch den Dokumentarfilm von Ilona Ziok angeschaut?

 

Den habe ich auch gesehen. Und da habe ich auch meine Fragen. Ich glaube, dass da der Ronen Steinke mit seiner Biografie näher an Fritz Bauer dran ist. Jedenfalls wäre ich sehr vorsichtig mit dieser Verschwörungssache, dass man ihn umgebracht hat. Er war ungeheuer unter Druck, hat ja auch Medikamente genommen und viel geraucht.

 

 

Wenn ich mir die Darstellung von Burkhart Klaußner in Erinnerung rufe, so entstand da etwas der Eindruck eines Getriebenen, vor allem auch innerhalb eines feindseligen Systems Getriebenen. Sie haben den Fritz Bauer milder dargestellt, d.h. auch mehr in sich ruhend. Ihr Fritz Bauer hat viel Würde. Ehrlich gesagt, ging mir die Dramatisierung der Figur in Lars Kraumes Film zu weit.

 

Ich kann dazu nichts sagen, weil ich den Film von Lars Kraume leider immer noch nicht gesehen habe. Für mich war und ist Fritz Bauer ein bedeutender Jurist und großes Vorbild. In der Geschichte, die wir erzählen, lassen sich das bewegende Private und das spannende Politische überhaupt nicht trennen.

 

 

Übrigens: Der offen bisexuelle Thomas Harlan, der ja ein guter Freund von Bauer war und als Figur auch in „Die Akte General“ vorkommt, betonte, dass er es gewusst hätte, wenn Bauer homosexuell gewesen wäre.

 

Die dänische Polizei hatte ihn im Exil wegen Homosexualität auf dem Kieker, das ist dokumentiert. Die Frage ist nur, ob er es gelebt hat. Es war auch die Entscheidung von Stephan Wagner, ihm die Sexualität nicht wegzunehmen. In unserem Film gibt es ja die wunderbare Begegnung Fritz Bauers mit seiner dänischen Frau am Strand in Israel.

 

 

Laut Stephan Wagners Film soll Bauers Frau lesbisch gewesen sein und mit einer Frau gelebt haben. Ist das verifiziert?

 

Es ist ein schlüssiges Angebot des Drehbuchautors Alex Buresch, orientiert an einer Ehe auf Distanz, wie sie z.B. Marianne Hoppe und Gustav Gründgens gelebt haben. In der erwähnten Szene am Strand schaut Fritz auf die Volleyball spielenden Männer. Und sie fragt dann: „Immer noch die jungen Männer?!“ Und er antwortet ihr: „Du meinst, immer noch nicht!“ – Weil er es einfach in seiner Funktion nicht leben darf. Aber wir haben auch die Szene, in der der junge nackte Mann im Hintergrund durch die Wohnung huscht. Die Homosexualität ist bei uns im Film nur insofern von Interesse, als sie seinen Feinden dazu diente, sie gegen ihn zu verwenden. Was in der damaligen Zeit ganz leicht war.

 

 

Nun geht es dankenswerterweise in „Die Akte General“ in erster Linie um die Auseinandersetzung mit Fritz Bauer als deutschem Held und um seine Bedeutung für unsere Gesellschaft und die damalige Jugend.

 

Es geht um seine Bedeutung für die deutsche Nachkriegsgesellschaft und überhaupt für unsere Gesellschaft, so, wie sie heute ist. Durch ihn wurde eine Weiche gestellt, dass man sich mit dieser deutschen Vergangenheit überhaupt befasst hat, statt den Mantel des Schweigens darüber zu breiten und zu sagen, dass das schon wieder im Sumpf des Vergessens landen wird. Es geht um das aktive Sich-damit-Befassen und zwar nicht, um sich an den Tätern zu rächen, die es getan haben, sondern im Hinblick auf eine kommende bessere Gesellschaft. Das finde ich phänomenal.

 

 

Fritz Bauers Engagement ist ja vor allem auch im Hinblick auf einen gesellschaftlichen Läuterungs- und Heilungsprozess zu verstehen.

 

Ja. Wir sind eine andere Gesellschaft geworden, die versucht, die Dinge mit Kompromissbereitschaft im Dialog zu lösen.

 

 

Wobei wir nun wieder mit Gedankengut aus unserer unheilvollen Vergangenheit konfrontiert werden.

 

Und den Gedanken folgen Taten. Jetzt haben wir es wieder mit Leuten zu tun, die Extreme fordern und die den Dialog in Frage stellen, und ich finde, wir sollten da nun nicht hysterisch reagieren. Aber endlich mal entschlossen. Jahrelang hat man weggeschaut. Es ist leider normal für eine Gesellschaft, dass es auch die Kleinmütigen gibt und die mit den Ängsten, und dass es andere Leute gibt, die die Ängste ausnützen und schüren, die Hass und Gemeinheit predigen, um wieder zu einer Art Homogenität zu kommen oder um das eigene Süppchen zu kochen. Damit muss man als Gesellschaft zurecht kommen. Unverantwortlich ist es, wenn sich Politiker in Regierungsverantwortung mit ihrer Wortwahl quasi an die Spitze der Bewegung setzen, vielleicht um den rechten Rand einzufangen. Aber ich glaube, sie bereiten damit nur den Boden für zunehmende Radikalisierung und Destabilisierung.

 

 

Sie sind ja bekannt für Ihr großes Talent, Dialekte und Sprachen auch sehr gut in authentischer Intonation hinzubekommen. Und nun haben Sie in „Die Akte General“ sogar ein Interview in Dänisch gegeben. Beeindruckend!

 

(lachend) Sie sind die erste Person, die mich darauf anspricht. Und das freut mich wirklich! Da habe ich wirklich geackert! Ich habe mich mit einer dänischen Muttersprachlerin getroffen und habe das geübt. Und ich habe sie sogar darum gebeten, mit mir Lieder zu singen und mich über ein Gedicht mit der Syntax und der Grammatik vertraut zu machen, und vor allem mit der Aussprache. (Ulrich Noethen zitiert recht flüssig eine ganze Passage auf Dänisch aus Fritz Bauers Interview im Film.)

 

 

Dann könnten Sie ja eigentlich jetzt auch mit Ihrem Kollegen Matts Michelsen um die Häuser ziehen und sich mit ihm dabei in seiner Muttersprache unterhalten.

 

Nein, kann ich leider nicht. (lacht) Das waren gerade mal zwei Seiten Text. Die sind für mich so eine Art Party-Nummer geworden. Aber allmählich vergesse ich den Text schon wieder.

(lacht) Diese dänische Sequenz hat auf jeden Fall unglaublichen Spaß gemacht.

Und das Schönste war, dass mein Kollege, der mich im Film interviewt hat und der dänischen Sprache auch fließend mächtig ist, zufrieden war. Dann haben wir noch eine Version gemacht, in der ich das Ganze dann in Dänisch mit schwäbischem Akzent gesprochen habe. Das hat dann aber leider nicht mehr in den Film hinein gefunden...

 

 

Wo ist denn im Privaten Raum für Ihre schwäbische Muttersprache? Gibt es da so eine Befindlichkeits-Nische, in der Sie dann aus Ihren Wurzeln heraus automatisch auf Schwäbisch reagieren?

 

Eigentlich nicht. Vielleicht in Momenten großer Fassungslosigkeit oder in Momenten des um Worte-Ringens.

 

 

Ihr großes Talent, sich in Sprachen und ihre Melodien hinein zu fühlen und sie umzusetzen hat sicherlich viel mit Ihrer Musikalität zu tun?

 

Mit aller Vorsicht würde ich das bejahen.

 

 

Spielen Sie Instrumente?

 

Ich habe Querflöte gelernt. Und in der Familie gab es Hausmusik.

 

 

Sie waren 5 Kinder zuhause. Alles Jungs, wenn ich mich nicht irre.

 

Vier Jungs und ein Mädchen.

 

 

Und in ihrem Familienkontext gibt es in Ihrer Lebensgemeinschaft vor allem Töchter bzw. Ziehtöchter.

 

Vier Töchter und einen Jungen.

 

 

Als Fritz Bauer waren Sie eine Vaterfigur für das demokratische Deutschland, die historisch belegt ist. Wir wollen natürlich darüber sprechen, wie sie die Figur des Vaters von Anne Frank angelegt haben. Die Fortsetzung des Interviews folgt.

 

Info:

 

Heute in der ARD um 20.15 Uhr DIE AKTE GENERAL von Stephan Wagner, eine Nico Hofmanns Ufa Fiction

Heute im SWR um 23.30 Uhr FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN von Ilona Ziok, 2010.

 

Der Film DAS TAGEBUCH DER ANNE FRANK läuft am 3. März in den deutschen Kinos an, dann erscheint auch der zweite Teil dieses Interviews.