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Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. November 2016, Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Was würde einer denken über die Profession des angejahrten Mannes, den er – nicht des Deutschen mächtig – in dem Dokumentarfilm von Corinna Belz in seinem Zuhause erlebt: der hat's mit der Handarbeit. Das auf jeden Fall .Er putzt sorgfältig Pilze – ein wenig Erde soll ruhig dranbleiben – und sticken kann er auch.



Was heißt können. Er stickt immer wieder, sei es zur Beruhigung seiner Nerven, zur Konzentration, oder , um bestickte Hemden und Tischdecken zu haben. Von wem die Rede ist? Natürlich von Peter Handke. Peter Handke? Da muß man doch mindestens einmal kräftig schlucken, denn der Dichter und Schriftsteller Peter Handke hat einen ganz anderen, einen durchaus heiklen Ruf. Das ist nicht erst seit seiner speziellen Position zu Serbien so, sondern durchzieht sein literarisches Leben. Daß er als ganz Junger geradezu frech – das findet er selber, betont er im Film – auf der Tagung der Gruppe 47 im Jahr 1966 dieser eine 'Beschreibungsimpotenz' vorwirft, war der Anfang. Richtig bekannt wurde er mit der PUBLIKUMSBESCHIMPFUNG, diesem im Frankfurter TAT aufgeführtem Stück, an das ich mich noch sehr gut erinnere, weil die Rollen umgedreht waren. Da saß man im Publikum und wurde von der Bühne aus angegangen.

Das ist für Frankfurt auch deshalb unvergeßlich, weil es den Ort nicht mehr gibt. Doch, doch, das alte Volksbildungshaus gibt es schon noch, wo heute der Filmpalast METROPOLIS die Menschen in viele Säle lockt, aber den großen Saal, der weit oben in diesem imposanten Bau, ein Anziehungspunkt war, den gibt es nicht mehr. Dort fanden nicht nur die legendären Vorstellungen des TAT statt, sondern auch die Wolf-Biermann-Konzerte, an die man sich auch deshalb erinnert, weil Biermann gerade einen Großauftritt auf der Buchmesse hatte und am 15. November 80 Jahre alt wird.

Zurück zum Film. Obwohl dieser ein Porträt des österreichischen Schriftstellers Peter Handke darstellt, ist dies doch kein linearer Film, sondern einer, der immer von neuem aus einer anderen Perspektive sich dem Dichter nähert und ihn zum Plaudern und Ausplaudern verführt. Er selbst nämlich ist schüchtern, lautet die Selbstbeschreibung, die keine Koketterie ist, empfindet man. Eher erfährt man die Regisseurin als eine Hervorlockerin, die mit einem Konzept in die vier Jahre dauernden Drehaufnahmen – manchmal nur für Stunden und langen Abständen an den insgesamt 29 Drehtagen – ins Haus von Peter Handke in Chaville, dicht vor Paris, gegangen ist und dann mit den Ergebnissen assoziativ und strukturiert gleichermaßen ihren Film über das Schreiben und die Person von Handke schnitt.

Das macht sie luftig und leicht und mit vielen Aufnahmen einer vergehenden oder dann erneut sprießenden Natur, die im Film für das Leben steht, aber auch für das Vergehen. Doch im Mittelpunkt steht wirklich das Schreiben und auch dafür hat sie eine schöne filmische Idee, in dem auf der Leinwand die Texte entstehen, also im Moment unseren Zusehens geschrieben werden. Das gibt ein flirrendes Geschehen, was auch dem aufgezeigten Menschen Handke gut zu Gesicht steht.

Über ihn wundert man sich fast, weil er sich recht unprätentiös für die die wohl vorher besprochenen Szenen zur Verfügung stellt, brav in seinen Fotografien kramt - wobei die niemals gezeigten Polaroids eine große Rolle spielen und allein schon durch diese Technik an die damalige Zeit erinnern - und dazu Geschichten erzählt oder sich mit der einen Tochter im Gespräch über die Vergangenheit zuschauen läßt.

Wir lernen auch kurz seine Frau Sophie Semin und die Tochter Leocadie kennen. Aber das hat alles nichts Voyeuristisches, sondern ergänzt höchstens den vorgeführten Strang, wie ein Schriftsteller zu seinen Themen kommt und berührt auch die Frage, was Dichtung ist und was 'nur' normales Schreiben. Denn einen Dichter erleben wir im Film auch, da ist Poesie im Spiel und genau dies evoziert dieser Film durch seine sanfte Art. Aber ehrlich gesagt, hätten wir bei einem etwas weichgespülten Handke doch gerne mehr zu seinen Serbienauslassungen gehört. Da tat er einfach zu viel kund, was gegen die geschichtlichen Tatsachen spricht. Was Wahrheit ist, ist immer schwer zu bestimmen, aber was unwahr ist, tut sich leichter zeigen.

Schade, daß dies ausgespart ist, denn so bleibt an diesem doch schönen Film etwas Ungesagtes hängen, so als ob die raue Wirklichkeit der Sanftheit des vor sich hin lebenden Lebens etwas angetan hätte, geschadet hätte beim Aufzeigen des Bildes eines berühmten deutschen Schriftstellers von heute. Deutsch? Ja, des österreichischen Schriftstellers, was man kaum hört. Die gemeinsame deutsche Sprache verführt bei der nationalen Kennzeichnung leicht zum Einverleiben nach Deutschland. Warum Handke in Frankreich lebt? Viele Fragen bleiben offen.

Ohne sich anzubiedern, stellt dieser Film durchaus eine Hommage an den Dichter dar, dessen so umfangreiches Werk an den übereinander gestapelten Büchern abzulesen ist, die aber nur in wenigen Titeln im Film eine Rolle spielen. Die Hauptrolle spielt die Literatur, der sich Handke immer wieder unterordnet. Die Regisseurin reiht ihren Film ein in die beabsichtigten Porträts unterschiedlicher Kunstformen. Mit GERHARD RICHTER  (2010) hat sie sie die Malerei schon bewältigt. Folgt die Musik?

P.S: Ach so, der Filmtitel. Dazu müßte man den handschriftlichen Zettel sehen, den Handke an seinem Tor befestigt hatte, als er den Besuch der Regisseurin erwartete, die ja auch kam. Die gefundenen Pilze, die putzt er dann im Film. Essen sehen wir ihn nie. Zu profan? Also, etwas Weihevolles hat der Film schon. Etwas Schönes aber auch.