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Kategorie: Film & Fernsehen

67. BERLINALE vom 9. bis 19. Februar 2017, WETTBEWERB, Teil 7

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) –  Hier möchte man kein Musikkritiker sein, dem schon Georg Kreisler absolute Ignoranz und Arroganz musikalisch vorwarf. Georg (Josef Hader)  liebt seinen Beruf, auch seine Bedeutung als besonders kritischer Vertreter der Zunft und kann nicht fassen, daß ihm einfach gekündigt wird.


Und was dann passiert, ist die Idee des Drehbuchschreibers, des Regisseurs und des Hauptdarstellers Josef Hader, der seine Dreifachfunktion gut über die Leinwand bringt. Lange ist der Film sogar Spitze. Den Chefredakteur, auf jeden Fall den Chef, der ihm kündigt, bezeichnet er als Würstchen, der nur die Belange der Geldgeber in Punkto Einsparen im Sinn hat. Das wird noch ein Nachspiel haben, auf beiden Seiten. Erst jedoch ist Georg damit beschäftigt, sich zu beschäftigen, damit seiner jüngeren Frau Johanna nicht auffällt, daß er arbeitslos ist. Die allerdings ist eh abgelenkt, denn sie will jetzt doch auf Teufel komm raus noch ein Kind, was beide emsig versuchen, wobei herrliche Bettszenen entstehen, wenn man nur die vier Füße und Beine bis zum Knie im Liebesspiel auf der Leinwand sich drehen und winden sieht.

Sie ist übrigens Psychotherapeutin (und keine Psychoanalytikerin, was bei einer Wienerin ja näher läge) und wir erleben mit, wenn sie von einem Patienten beschimpft und verlassen wird, der wiederum noch eine Rolle spielen wird, ausgerechnet mit dem ehemaligen Chef von Georg. Dieses Würstchen, das in einer feinen Villa lebt, mit schickem roten Auto vor der Tür, ist das Haßobjekt für Georg, das nun leiden soll. Beziehungsweise erst das Auto, dessen Lack er ganz offen zerkratzt und dann härter zuschlägt, wenn er mit einem Spezialwerkzeug das Stoffdeck zerfetzt.

Genauso wichtig wird aber das Vorhaben von Georg und Erich, in dessen Person er einen alten Mitschüler entdeckt, der zwei Klassen unter ihm war. Wie hier mit kurzen Skizzen die Schulzeit von damals und das Quälen der Kleinen durch die Großen und deren Gegenwehr durch patzige, freche Reden uns direkt vor Augen steht, ist eine Kunst, die der Film immer wieder beherrscht. Wir wissen genau, was los ist, weil die Grundlage des Films unsere eigenen Erfahrungen sind. Sowohl die von Niederlagen wie auch die von Siegen. Das Leben ein Kampf, ist die Aussage und falsch ist die nun wirklich nicht.

Das Leben eine Freundschaft, gilt aber für Georg und Erich genauso. Lieb, wie der eine dem anderen hilft und umgekehrt und tatsächlich ist bei allem „Scheiß“ - Originalton – , der in diesem Film passiert, die Männerfreundschaft der beiden die eigentliche  positive Botschaft. Denn die beiden übernehmen die hinfällige und stillgelegte Achterbahn im Wiener Prater, die als WILDE MAUS legendär ist. Mit der Restaurierung und dem anschließenden Betrieb der Bahn, wächst ihre Freundschaft noch.

Interessant sind die Einblicke, wie gut zwei Berufstätige der Mittelschicht in Österreich leben. Es ist das Milieu, das in Deutschland vor allem den GRÜNEN zugeschrieben wird und in einer Stadt wie Frankfurt mit dem Stadtteil Nordend zu charakterisieren wäre. Wo das ständige Weintrinken, Essengehen, eine Putzfrau zu haben dazugehört. Genau dieses Ambiente muß aber dran glauben, wenn Arbeitslosigkeit eintritt. Es ist also ein doppelter Verlust für Georg. Zuvorderst ist es die Tätigkeit selbst, die ihn ausfüllt und bedeutend macht, aber der Verlust des Einkommens kommt hinzu und die Versagensängste gegenüber seiner Frau.

Stunden nach dem Schauen erkennt man Bilder im Kopf, die sich festgesetzt haben. Die Szene im Schnee - siehe Foto - gehört sicher dazu, aber auch die Person, die er überraschend vorfindet, als er seinen Chef in dessen Sommerresidenz mitten im Winter besucht. Ein Problem bekommt der Film am Schluß, wo eigentlich ein Schluß auf den anderen folgt und das allerletzte Szenenbild uns zeigt, die Fahrt geht weiter.

Aber wie das eine zum anderen kommt und zu welchem Harakiri Georg fähig wirt, das sollten Sie sich selber anschauen. Lohnt.

P.S. Ach so, sollte man über Josef Hader noch etwas sagen? Wenn man ihn kennt, denkt man, ihn kennt jeder. Der wohl beliebteste österreichische Kabarettist hat als Simon Brenner nach den Romanen von Wolf Haas in den Filmen von Murrnberger einen Kultstatus erreicht. In Österreich sowieso, wo sie die meistgesehenen Filme sind, aber auch in Deutschland. Hader hat wohl alle Preise erhalten, die man so bekommen kann. Ein absolut überzeugender Künstler.


Aus der Pressekonferenz
Erich Friedrich
Jörg Hartmann
Pia Herzberger
Josef Hader

Hat die Wilde Maus Josef Hader getroffen oder Josef Hader die Wilde Maus? Das bleibt die Frage. Aber, warum hat er einen eigenen Film gemacht, das ist sonnenklar. Also berichtet Josef Hader:  Ein Film ist abgelehnt worden, Murnauer, Sommer frei und dann hat er sich eine Filmfirma gesucht und gefunden, und darum hat er Regie führen wollen, aber die Hauptrolle nicht. Aber keinen gefunden, der so viel Leute ins Kino holt wie er selbst – aber nur in Österreich.
Berufsbild Musikkritiker wird heute abgebaut.
Die Zusammenarbeit war hervorragend, sagt Jörg Hartmann. Alles, was er nie wollte, hat er so charmant rübergebracht, daß man ihm nicht böse sein kann.

 

Foto: (c) berlinale.de


Info:
Josef Hader
Österreich 2017
Deutsch
103 Min · Farbe
Altersfreigabe FSK 12