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Kategorie: Film & Fernsehen

Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. März 2017, Teil 2

Filmheft

München (Weltexpresso) - In den Heften, die für die Presse zu Filmen einmal mehr, einmal weniger ausführlich -  und manchmal gar nicht - herausgegeben werden, finden sich in der Regel auch den Leser interessierende Informationen. So hier, wo es um den Zusammenhang der literarischen Vorlage, aber auch um die Charaktere geht. Die Redaktion

Es war kurz nach Ostern 1922, als der Dichter Albert Sixtus für seinen sechsjährigen Sohn Wolfgang die ersten lustigen Verse über eine Schule im Wald niederschrieb, in der die Hasen-Jungen und -Mädchen Eierbemalen, Pflanzenkunde, Vorm-Fuchs-Flüchten und alles weitere, was man für ein Hasenleben braucht, lernen. Sixtus konnte er nicht ahnen, dass das Buch mit den gesammelten Gedichten (das 1924 mit Illustrationen von Fritz Koch-Gotha herauskam) über Jahrzehnte hinweg, bis heute, zu den Lieblingsbüchern von Kindern im deutschsprachigen Raum und vielen anderen Ländern gehören würde. Über 90 Jahre lang wurde es stets nachgedruckt, doch erst jetzt kommt DIE HÄSCHENSCHULE auch ins Kino – in einer Neuinterpretation, die die Geschichte zeitgemäß auffrischt und doch viel vom Geist und Humor des Originals bewahrt.


Die Entstehung dieser neuen Version ist den Machern der beiden DER KLEINE RABE SOCKE-Kinofilme zu verdanken. Produzent Dirk Beinhold, Gründer und Leiter der Akkord Film Produktion GmbH, trug sich schon länger mit dem Wunsch, das Buch auf die große Leinwand zu bringen: „Meine Vorgabe war, den idyllischen Charme der Häschenschule zu erhalten“, erklärt er. Als Figur, die das Publikum in diese Welt einführt, ist der junge Stadthase Max entstanden – der auf eine Idee Beinholds zurückgeht: „Ich fand die Vorstellung lustig, dass ein junger Hase mitten aus der Stadt, der auf einer Verkehrsinsel lebt, in die Häschenschule kommt.“


Auch wenn der Film voll 3D-computeranimiert ist, sollten die Bilder niemals fotorealistisch sein, wie Beinhold sagt: „Wir haben versucht, den Look möglichst grafisch zu halten. So zollen wir dem Tribut, dass das Buch in den 20er Jahren entstanden ist“


Art Director Heiko Henschel (der u. a. an „Ooops! Die Arche ist weg...“ gearbeitet hat) war dafür zuständig, eine komplette Welt von Grund auf zu gestalten – ein zeitaufwendiger Prozess, der mit dazu beitrug, dass es von der ersten Idee bis zur Fertigstellung des Films nicht weniger als 5 1/2 Jahre dauerte.
Davon nahm allein die Buchentwicklung gut zwei Jahre ein; nicht zuletzt, weil sich die Frage stellte, wie sich die Welt der Häschenschule und der Stadt, in der Max lebt, am besten miteinander verknüpfen lassen. Beinhold erinnert sich: „Mindestens ein Jahr lang war offen, wie er eigentlich dorthin kommt.“ Schließlich war eine plausible Lösung gefunden, wie der Stadthase in die Häschenschule gelangt, die er immer für ein Märchen hielt – als unfreiwilliger Passagier eines außer Kontrolle geratenen Modellflugzeugs, das ihn aus der Stadt hinaus trägt, bevor es in einer versteckten Ecke des Waldes eine Bruchlandung hinlegt...



Stadthasen, Landeier, Füchse - die Story
    
Auch bei der Häschenschule selbst stellte sich die Frage, welche Atmosphäre und welchen Charakter man diesem zentralen Handlungsschauplatz geben würde. Dazu gehörte, wie Regisseurin Ute von Münchow-Pohl erzählt, sich auf die Schüler und die Lehrer an der Häschenschule zu konzentrieren: „Wir wollten keine Außenwelt haben von Häschen und ihren Familien, die drumherum wohnen. Wir haben das Ganze dann zum Internat erklärt, das eben auch Osterhasen ausbildet.“


Ganz in Einklang mit der Buchvorlage, in der es ja heißt: „Seht, wie ihre Augen strahlen, wenn sie lernen Eier malen / Wer’s nicht kann, der darf auf Erden nie ein Osterhase werden.“ So manche von Albert Sixtus’ Versen wurden für die neue Geschichte aufgegriffen: auch die Gefahr durch die Füchse ist ein wesentliches Element im Buch; ebenso der Unterricht, den Lehrer Eitelfritz gern mit Reimsprüchen anreichert.


Beibehalten wurde auch, dass der Lehrer großen Wert auf Disziplin legt; aber in 95 Jahren hat sich pädagogisch doch einiges entwickelt. Münchow-Pohl: „Verhauen wird bei uns keiner. Im Original hat der Lehrer noch einen Rohrstock, aber in neueren Editionen des Buches hat man den vom Cover entfernt...“ So wird auch Max nur einmal wegen Ungehorsams an den Löffeln gezogen – mehr „schwarze“ Pädagogik gibt es nicht.


„Von dem alten Fuchs, dem bösen, wird erzählt und vorgelesen“ heißt es im Buch, und in der Tat lauert der Fuchs den Häschen auf – die schnell das Weite suchen. Im Film sind die Füchse weniger auf Hasenbraten aus, sondern neiden den Häschen vor allem ihre Rolle als Lieblingstiere der Menschen zu Ostern. Die Idee der Füchse als Eierbringer ist dabei gar keine Erfindung der Filmemacher gewesen: „Tatsächlich gibt es eine Tradition der Osterfüchse, etwa in Teilen Westfalens“, berichtet Dirk Beinhold. Fuchsmutter Ruth hat den Plan gefasst, das sagenumwobene goldene Ei zu klauen, das in der Häschenschule aufbewahrt wird und das den Häschen Kraft gibt. Denn dann könnten sie, die Füchse, zum Osterfest groß auftrumpfen...


Die Füchse als Gegenspieler der Hasen haben eine starke Motivation. Was sie aber nicht haben (und deshalb letztlich scheitern müssen): den Zusammenhalt der Häschen und die Bereitschaft, füreinander einzustehen. Dirk Beinhold: „Die Message ist ja: In der Gemeinschaft ist der Einzelne stark. Und das ist auch genau, was Max lernt, der ja noch seinen Platz, seine wahre Heimat sucht.“



Zwei Welten - eine Geschichte: der Look des Films

Max ist das Bindeglied zwischen den beiden Welten. Um sein Erstaunen klar zu machen, als er sich plötzlich in der für ihn mystischen Welt der Häschenschule wiederfindet, musste erst einmal seine bisherige Existenz als Stadthase etabliert werden, der „streetwise“ ist und sich notfalls auch mit Gaunereien über Wasser hält.


Münchow-Pohl: „Es hat total Spaß gemacht zu überlegen, wie die Höhle eines jungen Stadthasen aussehen könnte. Wir haben ihm eine Bleibe in einem alten Versorgungsschacht gegeben. Er hat sich ja auch Strom abgeknapst für sein Handy, er verwendet Baulampen und Verkehrsschilder als Deko, hat aus einem Verkehrshut sein Waschbecken gemacht und verwendet eine alte Plastiktüte als Duschvorhang...“
Dabei ist Max nicht als asozialer Rüpel gezeichnet – er macht einfach das Beste daraus, sich als Waisenkind in der großen Stadt zurechtfinden zu müssen. Wie Münchow-Pohl sagt: „Max ist ein Kind, das Phantasie hat und auch was drauf hat“ – was ihm bei der Verteidigung der Häschenschule gegen den Angriff der Füchse gut zustatten kommt.


Wie aber sollte die Häschenschule konkret aussehen? Die Buchvorlage lieferte dazu kaum Anhaltspunkte, wie Münchow-Pohl erzählt: „Im Buch ist die Häschenschule eben dieses Freiluft-Klassenzimmer. Es gibt eigentlich keine Architektur. Man sieht aber kein Haus von außen, sondern nur eine ganz normale gutbürgerliche Wohnstube.“ Am Ende der Entwicklung stand dann ein bäuerlich-ländliches Design mit vielen natürlichen Baustoffen – denn selbstverständlich leben die Häschen in Einklang mit ihrer Umgebung und pflegen einen nachhaltigen Lebensstil.


Eine zentrale Entscheidung war auch, den Lehrkörper um eine Figur zu erweitern, die im Buch nicht vorkommt, Madame Hermine, die viele Wandlungen durchmachte, bevor sie zu ihrer endgültigen Form fand. Als weibliche Figur, die ein Gegenstück zum altbackenen Frontalunterricht ihres Kollegen Eitelfritz darstellt, hat sie „dann eine spirituelle Seite reingebracht, die zwar im Buch nicht drin ist, die aber für das Osterhasendasein unbedingt gebraucht wird“, so Münchow-Pohl: „In der letzten Fassung hat sie sich dann als die Zen-Meisterin der Osterhasen festgesetzt.“  


Madame Hermines spirituelle Ader spiegelt sich auch im Design ihrer unmittelbaren Umgebung: ihre Kleidung, ihr Haus, ihr Zen-Garten mit dem Möhrenbeet – all das öffnet die Welt der Häschenschule für ganz neue Einflüsse, und zwar mit voller Absicht, wie Ute von Münchow-Pohl bekräftigt: „Wir gehen eben nicht einfach in diese alte Schulwelt von vor 100 Jahren zurück, sondern machen die Tür auf für etwas anderes.“


Mit persönlicher Note: die Stimmen der Filmfiguren

Für die Figur des Lehrers Eitelfritz entschieden sich die Filmemacher für Friedrich von Thun, dem Fernsehpublikum wohlbekannt als „Professor Capellari“ und als pensionierter Ermittler in den „Schwarzach“-Krimis des ZDF. Dirk Beinhold sagt: „Er hat eine Mischung aus Väterlichkeit und Strenge und eine gewisse altmodische Haltung, die perfekt zu dem Lehrer passt.“


Ebenso stolz ist man darauf, Schauspiel-Ikone Senta Berger für die Rolle der Madame Hermine gewinnen zu können. Für Berger ist es auch die Wiederbegegnung mit einem Stoff, mit dem sie auch sehr persönliche Erinnerungen an ihre Kindheit in Wien verbindet, wie Beinhold berichtet: „Sie hatte als kleines Kind das Buch immer im Luftschutzbunker mit dabei – die Idylle aus dem Buch muss ein wichtiger Trostspender gewesen sein.“
Berger verlieh bei der Synchronarbeit Madame Hermine ein weiches Timbre – perfekt passend zu der Figur, die in ihrer echt fernöstlichen Gelassenheit viel Bedeutung in nur wenige Worte legt.

Die Hauptrolle des Max übernahm der junge Berliner Noah Levi, der mit seiner Teilnahme an der Fernsehshow „The Voice Kids“ ins Rampenlicht getreten ist.
Die Rolle des Max war sicher die anspruchsvollste, was die Synchronisation betraf. Da traf es sich gut, dass Noah Levi neben seiner Karriere als Sänger auch schon einige Synchronrollen gesprochen hatte: „Max muss einiges machen - schreien, rufen, singen – und Noah hat das richtig gut bewältigt.“ So sehr sogar, dass er bei den weiteren Arbeiten an der Rolle des Max immer mitgedacht hat: „Für mich ist das irgendwann miteinander verschmolzen“, sagt Münchow-Pohl.


Auch der Titelsong „Hier will ich bleiben“ wird von Noah Levi gesungen. Die Komponisten und Texter des Songs sind in der Musikbranche keine Unbekannten: Neben Caroline von Brünken, die schon mehrere internationale Dance- und Sommerhits schrieb, und Jan-Philipp Kelber, dem Autor von „Sag mal weinst du“ von Echt, gehörte auch Zippy Davids zum Team, der in seiner Karriere über 40 Goldene Schallplatten und weltweite Top-Ten-Singles und Albumplatzierungen gesammelt hat, darunter für Glasperlenspiel und Echt sowie als Autor des Welthits „Mambo No. 5“. Die Aufnahmen zu „Hier will ich bleiben“ fanden Ende 2015 mit Filmkomponist Alex Komlew statt, der Noah Levi als „ganz tollen Jungen“ erinnert, der ganz viel Spaß an der Arbeit hatte und dem Song seine ganz persönliche Note verlieh.

Foto: (c) Verleih