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Kategorie: Film & Fernsehen
Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Mai 2017, Teil 10

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Auf jeden Fall kommt der Name CHURCHILL nicht von CHILLEN! Soweit kann man dem Film von Jonathan Teplitzky folgen. Der alkoholerfahrene Politiker wird in den Tagen, ja Stunden gezeigt, die dem berühmten D-Day vom 6. Juni 1944 vorausgingen und in denen der englische Premierminister voller Zweifel oder eigentlich Abwehr war, potentiell so viel englisches Blut vergießen zu sollen.

Denn er ging von einem Fehlschlag aus. Und das wofür? Für den Sieg über Nazi-Deutschland? Irgendwie geht es darum gar nicht richtig. Und welche Art von Film dies ist, der diese Tage vor dem geschichtsträchtigen Tag abbildet, der im Westen die Kriegskarten neu mischte – es bleibt eine Erinnerungslücke bei all denen, die den D-Day allein ausschlaggebend für den Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg hielten, weil sie vergessen, daß es im Osten die Rote Armee der UdSSR war, die nach Stalingrad Landstrich für Landstrich rückeroberte und dann Deutschland eroberte – welche Art Film dies sein soll, das können wir nicht in Worte fassen. Das Psychogramm eines Politikers über einige Tage.

Vielleicht sinnvoll, für die Nachgeborenen den geschichtlichen Hintergrund kurz darzustellen: D-Day heißt im englischen Sprachgebrauch eigentlich jeder Tag, für den etwas Spezielles geplant ist, so wie wir im Deutschen vom Tag X sprechen. Dieser Tag sollte der 6. Juni 1944 sein, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, was ungenau ist, denn dieser Tag sollte zum Ende beitragen, was er tat. Am 6.6. landeten in der Normandie die Alliierten, also die Engländer und Amerikaner im von den Deutschen besetzten Frankreich. Dies eröffnete die sogenannte und dann siegreiche Westfront, die zuerst Frankreich rückerobern mußte. Die Landung erhielt den Codenamen OPERATION NEPTUNE und die gesamte Strategie hieß OPERATION OVERLORD.

Doch eigentlich ist das alles nebensächlich. Leider. Denn der Film setzt diese Kenntnis weder voraus, noch vermittelt er sie. Dieser Film handelt von Churchill als Person. Von einem alten, überstrapazierten Premierminister, der nicht genau weiß, was er machen soll, und der im Befehlsraum, der von den militärischen Führer besetzt ist, seinen Standpunkt sucht.

Derzeit wird alles, was im Biographischen wurzelt als Biopic benannt, aber eigentlich ist es hier die Verbindung von Krieg und persönlicher Befindlichkeit eines, in dessen Namen der D-Day auch stattfand, die einem merkwürdig vorkommt. Was soll der Film eigentlich zeigen? Daß Herrschende oft zu ihren politisch-militärischen Erfolgen getragen werden müssen? Ehrlich gesagt, haben wir ein gerütteltes Maß an Abwehr gegen solche Filme, die aus realen Existenzen Figuren gestalten, die wir dann für echt halten sollen. Nein, dieser Film ist keine Dokumentation und sagt über den wirklichen Churchill wenig aus.

Dieser Spielfilm schwelgt in einer exzellenten Ausstattung mit einer exzellenten Ehefrau Clementine (Miranda Richardson), die den zögernden, übellaunigen und depressiv wirkenden Premierminister (Brian Cox), der seit 1940 Premierminister ist und in Personalunion zusätzlich Minister für Verteidigung, am aufrichtenden Gängelband hält. Psychologisch betrachtet. Wobei es ja zu den herausragenden Eigenschaften von Ehefrauen wichtiger Männer gehört, leise, still und heimlich diese als große Männern wirken zu lassen. Das ist alles sehr dick aufgetragen, aber gut gespielt und – wie gesagt – von einer Opulenz der Kostüme und Gegenstände, daß man dort sofort eingekleidet werden will.

Mit dem Ehepaar befinden wir uns unmittelbar Anfang Juni. Warum überhaupt das Sterben von englischen Soldaten den Premierminister so verstört, ist geschichtlich auch merkwürdig. Denn die direkte Schlachten fanden ja damals gerade nicht statt. Von Seiten der Engländer gab es zuvor den Bombenkrieg, der den BLITZ, wie die Bombenangriffe der Deutschen heißen, erwiderte, nachdem die deutschen Truppen Frankreich besetzt hatten und die Deutschen sogar die Engländer per Schiff zurückgeschickt hatten. Erst mit dem D-Day waren Engländer in großem Umfang von über einer Million Soldaten in Schiffen aller Art und Flugzeugen wieder als Infantrie mit Panzern im Krieg unterwegs. Uns wird Churchill in diesem Film aber als jemand geschildert, der das stattgefundene Blutvergießen nicht verlängern will.

Seine Gegenspieler sind Generalfeldmarschall Montgomery (Julian Wadham) und der amerikanische General Eisenhower (John Slattery), die beide auf einen baldigen Angriff drängen. Doch Churchill befürchtet das Mißlingen und den Tod der Soldaten. Das sein Verhalten auch etwas mit seinen Erfahrungen zu tun hat, wird ziemlich breitgetreten. Churchill hatte nämlich im Ersten Weltkrieg die desaströse Landungsinvasion von Gallipoli, türkische Halbinsel, zu verantworten, einen politischen Fehler, den er zu wiederholen befürchtet.

Der Film spielt wirklich nur die wenigen Tage. Dabei ist die folgende Zeit für Churchill genauso wichtig. Denn die Engländer haben nach dem gewonnenen Krieg in ihren Wahlen im Juli 1945 erst einmal den für die Konservativen angetretenen Churchill nicht wiedergewählt. Das, was bei uns als Gemeinheit gälte, ist den Engländern Kalkül, daß ein so erfolgreicher Mann in Gefahr ist, abzuheben und ihnen dessen politischer Gegner, der Labourmann Clement Attlee als Premierminister erst einmal lieber war. Der versprach Arbeit und Frieden, während Churchill weiter mit den Amerikanern in Asien kämpfen wollte. Churchill durfte dann noch einmal als Premier von 1951 bis 1955 ran, das nur als Abrundung zu seinem Werdegang nach diesem Filmereignis.

Foto: Das Ehepaar Churchill (c) Verleih