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Kategorie: Kulturbetrieb

LEIPZIGER BUCHMESSE vom 17. bis 20. März 2016, Teil 8

 

Klaus Hagert

 

Leipzig (Weltexpresso) – Es schlägt in Leipzig wirklich die Stunde der kleineren innovativen Verlage. Wenn man vom Frankfurter Schöffling Verlag sagen kann, wie sehr er die Literatur in Deutschland voranbringt, gilt das auch für den Berliner Verlagt Matthes & Seitz, der immer wieder hervorragende Bücher verlegt.

 

Gestern ist Jürgen Goldstein für seine im dortigen Verlag erschienene Biografie des Schriftstellers, Entdeckers und Revolutionärs Georg Forster mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet worden.In GEORG FORSTER. ZWISCHEN FREIHEIT UND NATURGEWALT porträtiert der Koblenzer Philosoph Jürgen Goldstein anschaulich und fesselnd das außergewöhnliche Leben Georg Forsters (1754–1794): Der glänzende Schriftsteller, Naturforscher, Entdecker, Zeichner, Übersetzer und entschiedene Revolutionär umsegelte die Welt und rief – inspiriert von der Französischen Revolution – 1793 die »Mainzer Republik« mit aus, die erste Republik auf deutschem Boden.



Die Begründung der Jury:

 

Der Entdecker, Zeichner, Schriftsteller, Übersetzer und Revolutionär Georg Forster, der an James Cooks zweiter Weltumseglung teilnahm und 1793 die Mainzer Republik ausrief, hat die Leser mit seiner "Reise um die Welt" betört. Jürgen Goldstein ist offenbar bei ihm in die Lehre gegangen. Seine Prosa ist anschaulich und unaufgeregt. Auf wunderbare Weise findet er genau das richtige Maß, sehr fein tariert er das Verhältnis von Originalzitaten und Deutung aus. Entschlossen tritt er hinter seinen Gegenstand zurück, der dadurch umso besser zur Geltung kommt.

 

"Zwischen Freiheit und Naturgewalt" heißt das Buch im Untertitel. Es lässt jene kurze Episode des Globalisierungsprozesses aufleuchten, als Entdeckungen noch Verheißungen waren, noch nicht auf der Kippe, um in Verlustgeschichte umzuschlagen.

 

Auch Georg Forsters Leben endete mit einer Verlusterfahrung. Jürgen Goldstein fängt sie durch geschickte Montage wie ein Prisma ein. Die Tragik dieses politischen Naturschwärmers hat nichts Heroisches, sie wird gestreift von einer Art Sanftmut und Schicksalsergebenheit. Als leidenschaftlicher Jakobiner sitzt er am Ende seines Lebens allein in Paris und sieht durch die Jakobinische Schreckensherrschaft all seine Hoffnungen zerstört. Noch einmal versucht er, die Revolution als Naturereignis zu legitimieren, das sich – wie der Ausbruch eines Vulkans – nicht aufhalten lässt. In einem Brief an seine längst die Scheidung betreibende Frau schreibt er wahrheitsgemäß: "Aus der Ferne sieht alles anders aus, als man es bei näherer Betrachtung findet."

 

Jürgen Goldsteins Forster-Buch ist mehr als eine Biografie. Es liest sich wie der Abenteuerroman eines Lebens, voller Erkenntnisse, die bis heute gültig sind.

 

 

Zum Buch sagt die Jury:

 

Georg Forster (1754-1794) war Entdeckungsreisender, empfindsamer Naturbetrachter und entschiedener Revolutionär. Er umsegelte an der Seite von James Cook die Welt, verfasste glänzende Reiseerzählungen und rief 1793 in Mainz die erste Republik auf deutschem Boden aus. Jürgen Goldstein veranschaulicht in seiner glänzend geschriebenen Biographie Forsters Philosophie und lässt das ereignisreiche Leben dieses engagierten Intellektuellen der deutschen Aufklärung noch einmal Revue passieren.

 

 

Georg Forster (1754–1794) war eine der faszinierendsten Gestalten seiner Zeit: glänzender Schriftsteller, Naturforscher, Entdecker, Zeichner, Übersetzer und entschiedener Revolutionär. Auf seiner Weltumsegelung mit James Cook berührte er Eisberge mit den eigenen Händen, lief den Strand von Tahiti entlang, besuchte fremde Völker, lebte unter »Menschenfressern« und überquerte Ozeane und den Äquator. Und er stand im Zentrum des politischen Geschehens, als er – inspiriert von der Französischen Revolution – 1793 die »Mainzer Republik« ausrief, die erste Republik auf deutschem Boden. Anschaulich und fesselnd portraitiert Jürgen Goldstein dieses Ausnahmeleben, in dem sich »Freiheit« und »Naturgewalt« berührten. Niemand ist auf vergleichbare Weise das erfahrungsgetriebene Experiment eingegangen, die Natur mit dem Politischen kurzzuschließen. Die Funken, die Forster aus seinen Leitvorstellungen schlug, erhellten für einen Weltaugenblick die Aussicht, es könne so etwas wie natürliche Revolutionen geben.

 

Jürgen Goldstein

 

Jürgen Goldstein, geboren 1962 in Beckum, lehrt als Professor für Philosophie an der Universität Koblenz-Landau. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Aspekte der Politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts, die Konstitution der neuzeitlichen Subjektivität und Rationalität, u.a. bei Hans Blumenberg und Descartes, sowie die Geschichte der Naturwahrnehmung. 2013 erschien Die Entdeckung der Natur bei Matthes & Seitz Berlin. Für Georg Forster erhielt er im Herbst 2015 den Gleim-Literaturpreis.

 

 

 

Info:

 

Guntram Vesper, Frohburg, Verlag Schöffling & Co 2016

Bora Ćosić, Die Tutoren, übersetzt von Brigitte Döbert, Verlag Schöffling & Co 2015

Jürgen Goldstein, Georg Forster. Zwischen Freiheit und Naturgewalt, Verlag Matthes & Seitz 2015