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Kategorie: Kulturbetrieb

Jürgen von der Lippe in Fulda


Hanswerner Kruse

Fulda (Weltexpresso) - Jürgen von der Lippe war zu Gast in der ausverkauften Orangerie und amüsierte sein Publikum glänzend mit einem Feuerwerk von intelligenten Witzen, derbem Klamauk, schrägen Gesängen und fröhlichen Kinderspielen.


Wie schafft dieser dicke Mann es nur, ästhetischer Feingeist und dann unflätiges Ferkel zu sein, einen oberlehrerhaften Schlaumeier und bald darauf den herzlichen Spaßmacher zu geben? Egal was er, gekleidet mit wechselnden Hawaiihemden, auf der Bühne darbietet, das Publikum hängt ihm an den Lippen. Und was für eine freche Lippe riskiert er im katholischen Fulda: „Ich habe ja mit der schützenden Hand der Kirche am Genital pubertiert“, erklärt der einstige Messdiener zu Beginn.


„Lippe ist der Wetzstein des Geistes“, hieß es schon beim Dichter Ernst Moritz Arndt im 18. Jahrhundert. Dieser Einschätzung macht das Multitalent Jürgen Dohrenkamp alle Ehre: Damit die Journalisten mit seinem Künstlernamen Wortspiele bilden könnten, habe er sich von der Lippe genannt. So, das waren die Wortspiele, kommen wir nun zur Show.


Ziemlich schnell beschäftigt sich von der Lippe, scheinbar aus dem Stegreif, mit den aktuellen Ereignissen in Amerika: „Ach der Arme...“ Trump habe doch nur diese unsäglich Pfiffi-Frisur, um Mitleid bei den Frauen zu wecken. „Aber es ist schon ganz gut, nicht noch so eine Regierungspräsidentin im Hosenanzug sehen zu müssen.“


Es gibt scheinbar keinen roten Faden in dieser Aufführung, mal schwadroniert der Showmaster über Grammatikregeln und geißelt den schaurigen Umgang mit der deutschen Sprache. Dann räsoniert er über die Unbilden des Alltags: Selbstspülende Urinale. Motivschlüpfer. Herzlose Digitalwaagen ohne Stellschraube. Einmal mokiert er sich über Ärzte, „die waren doch alle nur Medizinstudenten.“ Oder er trällert zum Gitarrenspiel ein Lied über Alkohol, bei dem das Publikum den Refrain singen darf: „Liebe Leber, liebe Leber, lebe hoch!“


Noch vor der Pause können die ersten Zuschauer auf der Bühne mitspielen, Zungenbrecher aufsagen oder Sätze aus den Anfangsbuchstaben vorgegebener Wörter bilden. „Beate riecht auch unten toll“, fabuliert ein Pärchen zu „Braut“ - etwas unter der Gürtellinie, ganz im Sinne des Meisters. Denn dem rutscht im Laufe des Abends die Hose immer weiter herunter, in der letzten Zugabe geht es später nur noch um das Furzen im Fahrstuhl. „Die Gürtellinie ist eine fließende Grenze“, verkündete der Humorist mal in einem Interview.


Die Mitspieler aus dem Saal werden von ihm nicht vorgeführt, der Komiker behandelt sie fair, dehnt die Regeln so, dass es keine Verlierer gibt und am Ende bekommen alle eine Flasche Sekt. Nach der Pause taucht erst einmal die bekannte Kunstfigur „Kalle“ auf, also von der Lippe als alter Hippie, bevor er wieder als Entertainer zur Gitarre greift: „Ich habe jetzt die Zeit“, stundenlang auf dem Klo zu sitzen oder in der Liebe lange Vorspiele und sonst nichts weiter zu machen. Immer wieder gibt der dicke Lippe sich selbstironisch, „unter meinen Muskelbergen verbirgt sich eine hauchdünne Fettschicht.“ Zum Schluss präsentiert der begnadete Stimmenimitator ein Abschiedslied, das er abwechselnd als Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg und Peter Maffay vorträgt.
Der ehemalige Lehrer Dohrenkamp begeistert die Menschen als Entertainer und Showstar von der Lippe. Vielleicht wäre es ja gar nicht so schlecht, wenn dieser humorvolle Mensch auch mal in der Lehrerfortbildung als „Wetzstein des Geistes“ tätig werden könnte.


Foto: (c) HagenU - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0