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Kategorie: Kulturbetrieb

Eine besondere Veranstaltungsreihe im Bremer Ratskeller

Wolfgang Mielke

Bremen (Weltexpresso) - "Nachts in Bremen" ist eine laufende Veranstaltung, die im Bremer Ratskeller stattfindet. An ausgewählten Abenden. Wenn man das Glück hat, dabei zu sein, erlebt man ein Stück lebendig inszenierter Bremer Geschichte in Form eines Musicals, auch mit Spielszenen.

Die Musik und die dazu gehörenden Texte werden von Frank Fiedler und Erich Sellheim geschrieben; das ganze Handlungsgerüst und die Spieldialoge schreibt Andrea Fiedler. Dargeboten wird das Musical durch 4-5 Schauspieler und Schauspielerinnen, die ebenfalls eine Ausbildung in Gesang besitzen – und könnte man natürlich ebensogut auch von Sängerinnen und Sängern sprechen, die ebenfalls eine Schauspielausbildung absolviert haben. Das greif nahtlos ineinander und bereichert sich gegenseitig.

Die Fiedlers und all ihre Mitarbeiter, ja auch der Technik, die gewöhnlich so leicht übersehen wird, ohne die eine Aufführung aber doch nur sehr eingeschränkt durchgeführt werden könnte, sind echte Bremer – und, wenn man so will, mit allen Bremer Wassern gewaschen; was nichts anderes heißen soll, als dass sie sich mit der Bremer Geschichte auskennen und es ihnen gelingt, kennzeichnende und nicht weniger unterhaltsame Episoden daraus für ihr Musical nutzbar zu machen.

Frank Fiedler betont, dass sie sich dagegen entschieden, bekannte, schon längst existierende Musical-Melodien, etwa von Andrew Lloyd Webber, zu verwenden und neu zu betexten; sie haben sich vielmehr dafür entschieden, ganz neu an die Sache heranzugehen – und möglichst selbst Melodien zu schreiben, die einmal von anderen vielleicht später auch einmal kopiert werden könnten ...

Von "Nachts in Bremen" ist wegen des Erfolges des 1. Teils auch bereits der 2. Teil im Programm. Wer, wie ich, den 2. Teil zuerst gesehen hat, kann den 1. Teil aber noch immer nachholen, denn beide so erfolgreichen Teile werden weiterhin angeboten. Das Programm ist eine Kooperation mit dem Bremer Ratskeller. Es gibt böse Zungen, - und sie werden bei "Nachts in Bremen 2" auch kurz zitiert, die behaupten, Bremen sei nichts anderes als ein 'Dorf mit Straßenbahn'. Das ist denn doch um einiges übertrieben, und wer das Perinique – Magazin Weltkulturerbe "Präzisionsarbeit aus Bremen" lesen konnte, hat einiges von der Industrie- und Wirtschaftsentwicklung Bremens mitbekommen. Da gibt es Airbus und Mercedes-Benz, das Airport-Hotel Atlantic, das Mode-Atelier Ann Kalusch, das Zahnwerk Wiesbaum, den Genießer Point in der Lloyd-Passage, das Schmuck-Atelier Hegerth, das Elements-Hotel, die Bremer Kunsthalle, den Wall, das Theater und den Dom, das Schnoorviertel und die Böttcherstraße, das Überseemuseum und den Hauptbahnhof, Thalia-Bücher und viele andere mehr – und viel mehr, als etwa nur ein 'Dor mit Straßenbahn' bieten könnte.

Das Bremer Rathaus ist ein Bau der bis hier nach Norden hochgeschobenen Weserrenaissance. Und nicht irgendein Bau dieser nach wie vor edel wie frisch wirkenden Bau-Epoche, sondern, wie man nachlesen kann, eins der bedeutendsten Bauwerke der Gotik und Weserrenaissance in Europa. Seit 2004 zählt es – zusammen mit dem davor stehenden Roland – zum UNESCO Weltkulturerbe. Unter diesem schon ansehnlichen Rathaus-Bau erstreckt sich aber der Bremer Ratskeller. Und "erstreckt" in ganz treffend bezeichnet, denn der Bremer Ratskeller ist viel größer, als man erwartet: Es handelt sich nicht nur, wie man immer annehmen würde, um die, wenn auch prachtvoll gewölbte Unterkellerung des Rathauses, das vor uns liegt.

Der Bremer Ratskeller ist mehr als doppelt so groß wie das Rathaus der Weserrenaissance: Er – hier wieder! - erstreckt sich noch bis weit ausgedehnt unter dem weitläufigen Platz des Kirchhofs der Kirche "Unser Lieben Frauen" fast bis zum großen Karstadt-Gebäude hin. Das alles wird einem natürlich erst gewahr, wenn man den Bremer Ratskeller an einer seiner beiden Seiten betritt und hinuntersteigt. Wohlgemerkt: Schon der Bremer Ratskeller allein unter dem sichtbaren Rathaus ist bemerkenswert groß. Dann kann man aber noch, etwa zehn Meter weiter Richtung Westen, in einen noch etwas tiefer gelegenen Teil des Bremer Ratskellers steigen, der unter dem bereits genannten weitläufigen Platz liegt. In diesem für sich abschließbaren Teil des Bremer Ratskellers, der den Namen Bacchus-Keller wegen seiner großen Weinfässer, - fast wie auf dem Heidelberger Schloss -, trägt, findet das Musical "Nachts in Bremen" und auch manche andere sehens- und hörenswerte Veranstaltung statt.

Der Bremer Ratskeller gehört mit einem Alter von über 600 Jahren zu den ältesten Weinkellern Deutschlands. Hier lagert sogar der älteste Fasswein Deutschlands, ein Rüdesheimer von 1653. Ob er noch trinkbar ist, wurde nicht verraten ...        

Die Gäste sitzen an locker um eine zentrale Spielfläche gruppierten Tischen. Die Kooperation mit dem Bremer Ratskeller als Restaurant besteht in einem 4-Gänge-Menü, das während des Spiels – oder genauer: Während der Spielpausen serviert wird und selbst ebenfalls, zusammen mit den guten Getränken, zum Gelingen des Abends beiträgt. Natürlich nimmt das Spiel jeweils auf die vorausgegangenen oder folgenden Gänge des Menüs Bezug. Der Text leitet sozusagen jeweils vom Spiel zu dem nächsten Gang über und dann auch wieder weg vom kulinarischen zum Musical-Genuss.

Es werden ganz verschiedene Spiel- und Gesangsszenen geboten: Wir begegnen und verfolgen eine moderne Reisegruppe, die sich zufällig in diesen Teil des Ratskellers verirrt hat. Eine junge Frau bleibt zurück, verliert den Anschluss an ihre Gruppe – und trifft stattdessen auf das Ratskeller-Gespenst, das hier seit vielen Jahrhunderten sein Leben fristet. - Eine andere Szene bringt uns mit einem ehemaligen Bremer Original zusammen, einer dubiosen Fischverkäuferin, die immer den frischesten Fisch anzubieten weiß, weil sie ihn direkt schon auf der Weser von den noch nicht angelandeten Fischern der Konkurrenz vor der Nase wegkauft. Da lassen Neid und Streitigkeiten nicht lange auf sich warten. Die eine, die wir begleiten, führt sogar zu einer Gerichtsverhandlung, die aber schließlich doch glimpflich für die beklagte Fischersfru ausgeht.

All diese lebendigen Szenen werden von den vier Mitgliedern der Musicaltruppe gespielt; teils paarweise abwechselnd oder zu Dritt, teils als Solo, teils in der ganzen Gruppe dargeboten. Gut gefiel mir auch die Szene auf dem Herbst-Jahrmarkt oder die Szene des Domtreppenfegens für alle, die noch keine Ehefrau vor ihrem 30. Geburtstag haben finden können – und nun wenigstens auf die Hilfe ihrer Freundinnen oder Freunde hoffen.

Das alles ist belebt und unterhaltsam gebracht. Dazwischen das Essen – oder sollte man sagen: Dazwischen die Szenen? Am zutreffendsten wohl: Beide Anteile im Wechsel. Und, da man nicht alleine am Tisch sitzt, hat man auch die Gelegenheit, mit seinen Tischnachbarn ins Gespräch zu kommen. Viele sind Bremer oder doch mit Bremen eng verbunden. Aber viele der Besucher kommen auch eigens dieser Veranstaltungen wegen in die Bremer Innenstadt, während sie selbst oft weit draußen, Richtung Worpswede oder Diepholz oder schon Rotenburg/Wümme wohnen. - Mehr muss über die Attraktivität von "Nachts in Bremen 1 und 2" nicht gesagt werden!

 

Foto: (c) Wolfgang Mielke