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Kategorie: Kunst

20220108 124612 3 bereinigtEine Ausstellung im Frankfurter Kunstverein handelt von der Intelligenz der Pflanzen im Intermediärbereich von Wissenschaft und Kunst

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Ausstellung steht so ganz im Gegensatz zu dem noch immer vorherrschenden mechanistischen Weltbild unserer Zeit, das aus dem 19. Jahrhundert datiert und aus der Depravation des Dialektischen Materialismus von Karl Marx dümmlicher Weise hervorging.

Der DIAMAT der DDR zeugte von einer unbeschreiblichen Dumpfheit seines Politbüros. Kühn behauptete ich im Disput mit meinem verstorbenen Cousin, der Physiker war, noch, dass auch die weniger bzw. zu einem ‚geringeren‘ Grad belebte Natur schon Keime von Psyche aufweise und für sich ausspielen könne. Sogleich regte sich in ihm der eingespielte negative Reflex des Physikers, den er aber umgehend auch wieder zurückzog, wie an seiner Mimik abzulesen war.

Die Natur ist strategisch kommunitär

Das schließt allen Vulgärdarwinismus aus. Ohne eine vegetativ-organisch vernetzte Intelligenz geht nichts, denn selbst die Vegetation bedarf der Fähigkeit zur Interaktion mit der weitläufigen und näheren Umgebung. Die Frankfurter Künstlerin Gabriele Schmolck-Hieber hatte als Triebfeder ihres Kunstschaffens die Vernetzung. Das 20220108 132446 3 bereinigtwar auch gegen den Faschismus gewandt. Peter Wohlleben hat das vielschichtig Beziehungshafte in der Natur des Waldes vielfach dargelegt. Die Kommunikation im System der Natur hat keine Grenzen. Sie hat in jedem ihrer Züge Teil an der Epiphanie des Super-Organismus. Auch darf darauf spekuliert werden, dass die große Intelligenz in die Materie metaphysisch eingesenkt ist, jedoch implizit und verteilt.

Die in der Ausstellung vertretenen Künstlerinnen und Künstler haben nicht nur Kunst studiert, sondern zumeist gleich mehrere Fächer belegt und ausgemessen und diese sich auf ihre eigene Weise angeeignet und zunutze gemacht. Die Ausstellung zeigt auch auf, wie mit der digitalen Technik Daten gewonnen werden, die in die mathematische Auswertung eingehen. Es geht also nicht um Zauberei. Das Herausragende aber ist der sich abzeichnende Gesinnungswandel, der die Natur in ihr universales Recht einsetzt, das Menschen verdrängt hatten und was ihnen große Schwierigkeiten zu bereiten begonnen hat.

Pflanzen sind Träger von Regungen bezogen auf Umwelt

Auch wenn sie nicht unmittelbar über ein neuronales Netz zu verfügen scheinen. Das nun wieder in den Bereich der Elektrizität fällt. Immerhin aber hat der Mensch so etwas wie ein vegetatives Nervensystem. Die Ausstellung verkündet klipp und klar: „Es mehren sich die Stimmen, die in Pflanzen komplex agierende und in Gemeinschaften organisierte Lebewesen sehen. Pflanzen bilden Welten. Insofern will die Ausstellung ‚Die Intelligenz der Pflanzen´ 20220108 133227 3 bereinigtversuchen „ein Resonanzkörper dieser Klänge zu sein“. So hält sie Exponate bereit, die in einem neuen Sinn „Pionierarbeit leisten für ein neues Gedankengefüge“. Demgemäß hatte bereits Lynn Margulis „mit ihrer Arbeit die übergreifende Idee einer symbiotischen Erde geschaffen“.

Dieses Konzept dürfte heutzutage beinahe jeder Naturmuseumsleiter vertreten. Hierzu sagt uns das Beiheft des Kunstvereins auch: Stefano Mancuso ist einer der Begründer der Pflanzenneurobiologie, die Signalübertragung und Kommunikation auf allen Ebenen der biologischen Organisation erforscht...“. Die First-Nations-Kulturen (vertreten mit Abel Rodriguez, CO) haben von den wundersamen Fähigkeiten der Vegetation des Amazonasgebiets schon immer eine vertraute Kenntnis gehabt.

Ausschlaggebendes Organ: Die Wurzel

Das, was an der Ausstellung ins Aug springt und am meisten beeindruckt ist das fein ausgetriebene System der Wurzeln einer Pflanze. Ein paar Meter sind nicht gar selten, auch bei Pflanzen, die gar nicht arg hochwachsen. Stets aber sind diese der bei weitem größere Teil der vegetativen Apparatur.

20220108 132850 2 bereinigtDiana Scherer (*1972, DE)

Sie nutzt den Drang der Hafer-, Weizen- und Maiskörner, die sich auswachsen wollen, generiert aber durch Manipulation mit unterschiedlich gestanzten Schablonen aus Biokunststoff Strukturen, indem sie so das Wachstum der Pflanze lenkt. Kurz vor Ausstellungsbeginn wendet sie das Pflanzengeflecht, sodass den Besucher*innen die sonst verborgenen Wurzeln offenbar gemacht werden. Ein paar Tage noch werden sie dann durch Wässern am Leben gehalten, sind aber zum Vergehen bestimmt. So entsteht eine zeitlich limitierte Skulptur nach menschlichem Maßstab.


Thomas Feuerstein (*1968, AT)

Bei diesem liegt der Zwischenbereich von Biotechnologie und Kunstschaffen entfaltet vor. Mit einem imposanten Arrangement eines Fotobioreaktors (Hydra), der an einen liegenden Walfisch, aber mehr noch an ein U-Boot
20220108 132521 bereinigterinnert. In einem Kreislauf mit Schläuchen, in dem Stoffwechselprozesse statt-finden, aus denen zum Ende hin Algen karbonisiert werden, ganz in der Weise der Entstehung von Kohle, wie in der Natur selbst, aber zeitlich gerafft durch die Installation. In einer Green Hydra leben gewässert mikroskopische Quallen, verbinden sich mit Chlorella Algen zur Symbiose. Als symbiotische ‚Gesellschaft‘ haben sie einen optisch verfolgbaren Stellenwert für etwaige neue Gesellschaftsmodelle, in der Art der menschlichen zumal. Ganz klar wird hier der Zwischenbereich von Wissenschaft und Kunst reklamiert und ausgeführt.

Marshmallow Laser Feast (Künstler*innenkollektiv, London

Hier findet sich eine Virtual-Reality-Installation, die, auf Wunsch, mit einer Datenbrille erlebt werden kann. Wie ein Wassertropfen auf seinem Weg in den Boden, von dort in die Wurzeln eines Riesenmammutbaums und schließlich in dessen Baumkrone seine Reise tut. Die begleitende Klanglandschaft gibt den Weg im Gefäßsystem des Baumes akustisch wieder. Die Hörenden befinden sich damit mitten im Objekt, nicht mehr außerhalb.

Nicola Toffolini (*1975 Udine, IT)

Er studiert Texte zur Botanik, Wissenschaftsphilosophie, Zukunftsliteratur und zu Renaissancegrafiken. In der Ausstellung herrscht Konzentration auf das zeichnerische Werk. Teils gerade noch figürlich, überwiegend aber im Medium der feinsten Tuschezeichnung. Er zeichnet überwiegend Pflanzen- und Bodenquerschnitte. Die aneinandergereihten Faltungen ergeben die Länge eines menschlichen Körpers. Es handelt sich um Präzisionsarbeit. Also um die neu gewonnene Kalligraphie. Ein wenig ist auch das Format des faltbaren Notizbuchs darin zu erkennen.

Abel Rodríguez (Mogaje, Guihu, ca. 1941, Cahuinarí, CO)

Er ist ein Ältester der Nonuya, einer indigenen Gemeinschaft. Er gibt bei aller zeichnerischen Genauigkeit auch das Wissen seiner Ahnen über Pflanzen im Amazonasbecken wieder sowie deren feste Haltung zur Koexistenz selbst mit Tieren, also allen Mitgeschöpfen Er hat großen Anteil an der Wiedergewinnung des Bewusstseins vom Amazonasbecken. Seine Einsichten und Erkenntnisse können in einem Videodokument mitstudiert werden. Er gibt der großen Sache, die nach Aufmerksamkeit schreit, Stimme.

Kunst - immer schon vernetzt

Don Abels Wissen über Pflanzen entstammt der traditionellen Kenntnis über die Zusammenhänge eines Juwels der Natur und der danach suchenden Menschheit, das hochgradig gefährdet ist. Mit Hilfe auch der westlich wissenschaftlichen Biologie wurde das lokale Wissen durch sein Wirken methodisch erfasst. Das Einzigartige aber ist und bleibt bei ihm das wie aus dem Gedächtnis der indigenen Menschheit Gezeichnete und malerisch Verfertigte. Verbunden ist er seit den 1980er Jahren mit der ‚Tropenbos‘-Gesellschaft, die sich für die Erhaltung des Amazonasgebiets und das Leben in diesem engagiert. Der Nonyua-Gemeinschaft ist eine jede Pflanze heilig. Dieser Abschnitt der Ausstellung kann schon ganz allein eine bedeutende Erfahrung sein, weil sie aus einem indigenen Mund, aus alter Zeit und Erfahrung, stammt.

Berlinde De Bruyckere (*1964, Gent,BE)

20220108 132257 2 bereinigtHier kommt die Ausstellung zu einem Höhepunkt. Durch Plastiken, die Geist und Natur zu vereinigen drängen. Zu sehen ist die Doppelskulptur ‚Embalmed Twins I und II‘. Sie gehen auf einen Fund in Frankreich zurück. Zwei uralte Eichen, die dem Orkan Cyrill 2016 zum Opfer fielen. Mit diesen nahm die Künstlerin eine Transformation vor. Bestimmte Züge werden dadurch hervorgehoben und gleichzeitig zu einer Mensch-Natur-Leiblichkeit umgearbeitet. Geradezu religiös mutet die vorgenommene Technik des Einbalsamierens an, als Akt der Bewahrung und des Versuchs der versöhnlichen Geste. Was der Mensch anrichtet, kommt zurück als Orkan oder Tornado, aus der Tiefe der Natur.

Lassen wir hierzu am Schluss mal näher noch aus dem Beiheft der Ausstellung sprechen: „Die Bildsprache lässt die Traditionen der niederländischen und flämischen Renaissancemalerei aus dem 16. Jahrhundert anklingen. De Bruyckere schöpft aus dem Erbe der europäischen Alten Meister und der christlichen Ikonographie, schafft aber neue Formen, die diese starken Referenzen in eine heutige Sprache übertragen“. Die Stoffe hierfür sind: Wachs, Stoff, Seil, Holz, Eisen, Epoxid.

Fotos © Heinz Markert

Info:
Ausstellung des Frankfurter Kunstvereins, Die Intelligenz der Pflanzen, 16.10.2021 – 30.01.2022. Steinernes Haus am Römerberg, Markt 44, 60311 Frankfurt, www.fkv.de