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Kategorie: Kunst
 HOLBEIN UND DIE RENAISSANCE IM NORDEN, bis 18.Februar im Frankfurter Städel, Teil 2

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) –  Die Ausstellung beginnt mit dem Blick auf die Stadt Augsburg – zu erleben auch durch eine digitale Anwendung in der Ausstellung sowie auf der Städel Website.
Augsburg war eines der führenden Kunstzentren nördlich der Alpen und erlebte um 1500 eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte. Die Stadt war Austragungsort der Reichstage, Kaiser Maximilian I. war zeitlebens häufig in der Stadt zu Gast und nutzte die Dienste der dort ansässigen Bank- und Handelshäuser der Fugger und Welser. Es waren letztlich die Wirtschaftskraft der Fugger, Welser und weiterer
einflussreicher Familien sowie ihr Streben nach gesellschaftlichem Status, die den Höhenflug der Künste in Augsburg ermöglichte.

Die Stadt zeichnete sich zudem durch ein besonders aufgeschlossenes Klima aus, in dem nicht nur von der humanistischen Kultur Italiens geprägte Positionen der Renaissancekunst innovativ erprobt wurden, sondern wo auch die großen Neuerungen der niederländischen Malerei aufgegriffen und zu etwas Eigenständigem entwickelt wurden – der Renaissance im Norden.

Mit der Stiftung ihrer Grabkapelle in St. Anna in Augsburg setzte sich die aufstrebende Familie Fugger nicht nur selbst ein Denkmal, sondern auch dem Beginn der Renaissance nördlich der Alpen. Erstmals wurden damit im Norden die italienischen Bau- und Dekorationsformen angewendet, die die Auftraggeber, die drei Brüder, Ulrich, Georg und Jakob Fugger, dank ihrer Handelsbeziehungen vor Ort
kennen- und schätzen gelernt hatten. Neben den Augsburger Künstlern Hans Daucher (1486–1538) und Jörg Breu d. Ä. (um 1475/1480–1537) war auch der Nürnberger Meister Albrecht Dürer (1471–1528) beteiligt, der die Grabdenkmäler der Brüder entwarf. Die Ausstellung präsentiert u. a. Dürers Entwurf für das Grabmal Jakob und Sibylla Fuggers (um 1510, Christ Church Picture Gallery, Oxford). Dürer
verstand es, komplexe Figurenerzählungen zu entwickeln und angeregt durch eine frühere Venedig-Reise italianisierende Elemente in seine Kompositionen mitaufzunehmen. Ein weiteres Highlight sind Breus Flügelbilder der kleinen Orgel der Fuggerkapelle (um 1520), die erstmals außerhalb Augsburgs gezeigt werden können.

Die Mitglieder der Familie Fugger ließen sich auch in aufwendigen Porträts festhalten, sei es in Form von Gemälden, Druckgrafiken, Zeichnungen, oder auch Medaillen. In der Ausstellung sind etwa Hans Holbeins d. Ä. Zeichnung von Anton Fugger (um 1510–1515, Kupferstichkabinett Berlin), das Gemälde Hochzeitsbildnis des Jakob Fugger und der Sibylla Artzt (1498, Schroder Collection, Bath) von Hans
Burgkmair sowie dessen kolorierter Holzschnitt von Jakob Fugger mit venezianischer Goldhaube (um 1510, Staatliche Graphische Sammlung, München) zu sehen. Das Bildnis des Unternehmers ist auch in einer Medaille (1518, Kunsthistorisches Museum Wien) von Hans Schwarz (1492–um 1550) überliefert.

Derartige an das römische Münzporträt angelehnte Stücke waren eine typische Erfindung der italienischen Renaissance, die bald auch in Augsburg aufgegriffen wurde. Ganz der Antike verpflichtet ist auch die lebensgroße Bronzefigur des Neptun (1537, Kunstsammlungen & Museen, Augsburg) von Sebastian Loscher (1482/83–1551). Diese erste nachantike Großbronze im Norden ersetzte übrigens eine ältere,
spätgotische Figur des katholischen Ausburger Stadtpatrons auf dem Brunnen des städtischen Fischmarkts. Ganz bewusst machte der gerade protestantisch gewordene Rat der Stadt hier mit der antiken Stil- und Motivwahl auch eine politische Aussage, um sich vom katholischen Bischof Augsburgs zu distanzieren. Dass dieser die Botschaft verstand, zeigt sein – erfolgloser – Protest beim Kaiser Maximilian I.
 
Als die wichtigsten Maler der Renaissance in Augsburg gelten zweifelsfrei Hans Holbein d. Ä. (um 1464–1524) und Hans Burgkmair d. Ä. (1473–1531). Auch wenn beide knapp dreißig Jahre am selben Ort wirkten, schlugen sie als Künstlerkollegen und -konkurrenten sehr unterschiedliche Wege ein. Burgkmair orientierte sich überwiegend an der Kunst Italiens. Er übernahm zahlreiche Motive, die er wohl auf
einer Reise nach Oberitalien im Jahr 1507 festgehalten hatte, und entwickelte diese in seinen Werken weiter, wie etwa in dem bemerkenswerten Gemälde Esther und Ahasver (1528, Bayerische Staatsgemäldesammlungen München).

Holbein übernahm in seinem späteren Schaffen zwar auch vereinzelt italienische Dekorformen in seine Werke, setzte sich allerdings vornehmlich mit der altniederländischen Malerei auseinander, die er auf seiner Gesellenreise vor Ort kennengelernt hatte. Insbesondere in seinen religiösen Tafelbildern blieb er einer nordisch geprägten spätgotischen Bildtradition treu. Die Ausstellung vereint bedeutende Werke religiöser Tafelmalerei von Holbein d. Ä. sowie Porträts, darunter u. a. Holbeins brillante Silberstiftzeichnungen oder Burgkmairs Bildnisse der Eheleute Hans Schellenberger und Barbara Schellenberger (1505/07, Wallraf-RichartzMuseum & Fondation Corboud, Köln). Beide Künstler erwarben früh einen exzellenten Ruf in Augsburg und weit darüber hinaus. Im Falle Holbeins reichte dieser bis nach Frankfurt, wie das Hochaltarretabel für die Dominikaner eindrücklich belegt. Zusammen mit seinen damaligen Gesellen schuf er die Flügelbilder und die Predella. Vervollständigt wird die Präsentation des
monumentalen Frankfurter Dominikaneraltars (1501, Städel Museum, Frankfurt) in der Ausstellung durch verschiedene Vorzeichnungen, die den Entstehungsprozess des Werks nachvollziehbar werden lassen.

Burgkmair tat sich besonders auf dem Feld der Druckgrafik hervor, er galt als „Hofgrafiker“ von Kaiser Maximilian I. Burgkmair experimentierte auch mit verschiedenen neuen Techniken, etwa dem in der italienischen Zeichenkunst etablierten Rötelstein, und kooperierte auch vielfach mit Künstlern anderer Gewerke. Die neuen Techniken des Golddrucks und des Farbholzschnitts, bei denen mehrere
Druckplatten verwendet werden, erprobte er gemeinsam mit dem Formschneider Jost de Negker, wie die Druckgrafik Kaiser Maximilian I. zu Pferd (1508, Albertina Wien) verdeutlicht. Holbeins und Burgkmairs Werke werden mit ausgewählten Gemälden, Grafiken und Skulpturen von Künstlern aus Augsburg, dem deutschsprachigen Raum sowie Italien und den Niederlanden in einen unmittelbaren visuellen Dialog gesetzt. Darunter befinden sich u. a. Arbeiten von Donatello, Jan van Eyck, Hugo van der Goes, Israhel van Meckenem, Francesco Melzi oder Andrea Solario.
 
Die Ausstellung endet mit herausragenden Gemälden Hans Holbeins d. J. (1497–1543), darunter eines der größten Meisterwerke der deutschen Renaissance, Die Madonna des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen (1526–1528, Sammlung Würth). Das Gemälde ist nach mehr als 10 Jahren wieder in Frankfurt zu sehen.Als der 18-jährige Holbein d. J. 1515 als Geselle in Basel eintraf, war er durch seine
Ausbildung in Augsburg ein perfekter Vertreter der Kunst seiner Geburtsstadt. In Basel gelang ihm der künstlerische und gesellschaftliche Durchbruch mit dem Doppelbildnis des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen und der Dorothea Kannengießer (1516, Kunstmuseum Basel), das noch ganz von der Kunst Hans Holbeins d. Ä. und Burgkmairs geprägt ist. Doch in weniger als einem Jahrzehnt
entwickelte dieser Ausnahmekünstler seine Kunst weiter – und wiederholte dabei das Vorbild der älteren Augsburger Künstlergeneration: Während er bei der 1522 entstandenen Solothurner Madonna (Kunstmuseum Solothurn) unmittelbar auf ein Gemälde von Jan van Eyck (1390–1441) zurückgriff, wie ein Blick auf van Eycks Lucca Madonna (1437, Städel Museum, Frankfurt) zeigen kann, wandelt sich seine Kunst mit der Schutzmantelmadonna von 1526–1528, die erneut Meyer in Auftrag gab, ein weiteres Mal. Nun war die zeitgenössische italienische Malerei von Andrea Solario (1460–1524) und Leonardo da Vinci (1452–1519) für ihn der Ausgangspunkt, um erneut eine unvergleichliche neue, ganz eigenständige Bildlösung zu finden, die den absoluten Höhepunkt der Renaissance im Norden darstellt.

Fortsetzung folgt.

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Info:
Ort: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main
Tickets: Di–Fr, Sa, So + Feiertage 18 Euro, ermäßigt 16 Euro; Dienstags-Special: jeden Dienstag 15.00–18.00 Uhr 9 Euro; freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren. Gruppen ab 10 regulär zahlenden Personen: 16 Euro pro Person. Für alle Gruppen ist generell eine Anmeldung unter Telefon +49(0)69-605098-200 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! erforderlich.

Digitorial®: Das kostenfreie Digitorial führt mit interaktiven Modulen und informativen Kurztexten in die Themen der Ausstellung ein. Anschaulich lassen sich die wegweisenden Neuerungen in Malerei, Skulptur und Druckgrafik der Renaissancekünstler des Nordens entdecken. Als ideale Vorbereitung für den Ausstellungsbesuch kann die Anwendung von zu Hause aus oder unterwegs in deutscher und englischer Sprache unter holbein.staedelmuseum.de abgerufen werden. Das Digitorial ist eine Marke von SCHIRN, Städel und Liebieghaus und wurde als digitales Vermittlungsangebot von den drei Frankfurter Häusern konzipiert und vielfach realisiert. Das Digitorial zu „Holbein und die Renaissance im Norden“ wird gefördert durch die Deutsche Börse Group.

Audioguide-App: Mit spannenden Erläuterungen des Kino- und TV-Schauspielers Sebastian Bezzel liefert der Audioguide Einblicke in die Lebenswelt des Renaissancekünstlers Hans Holbeins d. Ä. und seiner Zeitgenossen, und nimmt mit auf eine Reise in die Kunst- und Wirtschaftsmetropole Augsburg. Die App beinhaltet Audiotracks und Abbildungen zu zahlreichen Kunstwerken der Ausstellung und dauert rund 60 Minuten. Die Tour ist als kostenlose App für die Betriebssysteme iOS und Android im App Store und Google Play Store zum Ausstellungsbeginn erhältlich und kann entweder bequem zu Hause oder im Städel WiFi auf das Smartphone geladen werden. Vor Ort im Museum kann der Audioguide zu einem Preis von 5 Euro (8 Euro für zwei Audioguides) ausgeliehen werden.

Digitale Anwendung: Ausgehend von der detaillierten Ansicht von Augsburg im berühmten „Vogelflugplan“ von Georg Seld aus dem Jahr 1521 kann in fünf digitalen Spaziergängen Holbeins Stadt erkundet werden. In Bild, Text und Ton präsentiert Hans Holbein d. Ä. die Stadt aus seiner Sicht. Ebenso können die Themen „Künstler in Augsburg“, „Augsburger Frauen“, „Musik in Augsburg“ und „Kaiser Maximilian in Augsburg“ entdeckt werden. Diese erstmals zur Verfügung gestellte Anwendung in deutscher Sprache ist in der Ausstellung zu erleben sowie mit Beginn der Ausstellung auch auf der Städel Website abrufbar.

Katalog: Zur Ausstellung erscheint im Hirmer-Verlag, ein von Guido Messling und Jochen Sander herausgegebener Katalog: „Renaissance im Norden. Holbein, Burgkmair und die Zeit der Fugger“. Mit
einem Grußwort von Helmut Schleweis und einem Vorwort von Philipp Demandt und Sabine Haag sowie mit Beiträgen von Wolfgang Augustyn, Andreas Tacke, Guido Messling, Manuel Teget-Welz, Ulrich Söding, Friederike Schütt, Bodo Brinkmann, Jochen Sander, Armin Kunz, Heidrun Lange-Krach. Deutsche und englische Ausgabe, 360 Seiten, 44,90 Euro (Museumsausgabe).

Begleitheft: Zur Ausstellung erscheint ein Begleitheft in deutscher Sprache, 9,50 Euro. Gefördert durch: Sparkassen-Finanzgruppe mit Deutsche Leasing AG, Frankfurter Sparkasse & Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- & Giroverbandes; Städelscher Museums-Verein e.V.,

Eine Ausstellung des Städel Museums, Frankfurt am Main und des Kunsthistorischen Museums Wien
Quelle: Städel