
Thorsten Latzel
Bonn (Weltexpresso) - „Treffen sich ein Religionslehrer, ein Zollbeamter und vier Fischer …“: Das ist nicht der Beginn eines mittelmäßigen Witzes, sondern der Anfang der Jesus-Bewegung, so wie sie die Bibel erzählt, des weltweiten Christentums mit über 2,5 Milliarden Glaubenden. Teil dieser Erfolgsgeschichte ist, dass die engste Gruppe um Jesus von Nazareth, später als Apostel bezeichnet, aus Fischern, Zöllnern, Handwerkern und anderen Berufen bestand. Das gilt noch viel mehr für den weiten Kreis der Frauen und Männer in der Nachfolge Jesu.
Stellen Sie sich einmal vor, Jesus hätte nur Schriftgelehrte, also Theologinnen und Theologen berufen. Ich weiß nicht, ob eine reine Theologen-Truppe weit über Kapernaum hinausgekommen wäre. Spätestens am See Genezareth hätten sie wohl den ersten Stuhlkreis gegründet. Und auch damals ging dies nur, weil die Jesus-Bewegung wesentlich von Frauen getragen war. Sie sind die letzten beim Kreuz, die ersten am Grab, auch wenn ihre Rolle oft kaschiert wurde.
So wie zur Schöpfung von Anfang an die von Gott gegebene Vielfalt gehört, so gehören zum Leib Christi die verschiedensten Gaben seiner unterschiedlichen Glieder. Damals wie heute. Und dann, so beschreibt es die Apostelgeschichte, geschieht es: Aus den „Jüngerinnen“ und „Jüngern“ werden „Älteste“. Auf gut Griechisch: Presbyterinnen und Presbyter. Das heißt: Sie kommen ins Spiel.
Mit dem klassischen Wort des Kirchengeschichtlers Alfred Loisy: „Jesus verkündete das Reich Gottes – und gekommen ist die Kirche.“
Nun, das klingt kritischer, als es gemeint ist. Bewegungen haben ohne die Ausbildung einer Organisation auf die Dauer keinen Bestand. Um die Fackel des Evangeliums, die Botschaft von der Liebe Christi, durch die Jahrtausende und bis zu uns ins heidnische Germanien zu tragen, braucht es Gemeinden, Organisation - und Menschen wie Sie, die in und für die Kirche Jesu Christi Leitungsverantwortung übernehmen.
Und wenn Sie von dem heutigen Tag der rheinischen Presbyterien nur ein einziges Wort mitnehmen, dann: DANKE!
Danke, dass Sie sich mit Ihren vielen gottgeschenkten Gaben in den Gemeinden einbringen.
Danke, dass Sie am Feierabend und am Wochenende Ihre freie Zeit einsetzen.
Danke, dass Sie sich durch Pläne für Finanzen, Gebäude, Kitas, Personal, Gottesdienst und vieles andere arbeiten. Und das in anspruchsvollen Zeiten, wo die Mittel weniger werden.
So gut die geistliche Gemeinschaft untereinander ist, das kann mitunter ziemlich anstrengen. In Anlehnung an Karl Valentin gesprochen: Kirche ist schön, macht aber auch Arbeit. Unsere Gemeinden leben von Menschen wie Ihnen, die sich engagieren. Sie sind der größte Schatz, den wir haben – wichtiger als alle Finanzen und Gebäude. Danke dafür!
Bei der Fülle der Aufgaben, die Sie vor Ort und wir in der Landeskirche Tag für Tag anpacken, ist es wichtig, die innere, geistliche Orientierung zu behalten. Gerade jetzt am Anfang der Passions- und Fastenzeit ist es gut, sich daran zu erinnern, worauf es eigentlich ankommt.
Für mich persönlich und meine Aufgaben als Präses sind dabei drei Leitfragen wichtig.
1. Ganz fromm und schlicht: Sind wir am Evangelium, an der Sache Jesu Christi dran?
Trägt das, was ich tue, dazu bei, das Evangelium von der Liebe Gottes weiterzugeben? Die trotzige, getroste Hoffnung allen anderen Nachrichten zum Trotz, dass Gott regiert, dass Gott die Welt und unser Leben in seinen Händen hält – und dass es am Ende gut wird.
Neulich habe ich eine Karte gesehen: „God is busy – but how can we help you?“
Davor sollten wir uns hüten: vor einer heillosen Geschäftigkeit, in der wir Gott aus den Augen verlieren und dem Irrglauben aufsitzen, dass es alleine an unserem Tun und Kräften läge. Wir sind im Auftrag des Schöpfers des Himmels und der Erden unterwegs, im Namen des Gottes, der Leben aus dem Nichts schafft, der aus dem Tod auferweckt – und der auch mit den Problemen der rheinischen Kirche klarkommt.
Das enthebt Sie und mich nicht von den Aufgaben für Finanzen, Gebäude, Kitas, Personal, Gottesdienst und vieles andere. Aber es kann uns eine gewisse geistliche Gelassenheit geben. Und es kann unseren Blick schärfen: Dient dies der Sache des Evangeliums oder kann das weg?
2. Ist das, was wir tun, relevant für Menschen?
Das ist mir persönlich wichtig: Entscheidend sind Menschen. Dass wir Einsame besuchen, Traurige trösten, Hungrige speisen, Hoffnung teilen und Menschen helfen, dass sie trotzig leben und getrost sterben können. Natürlich tragen viele Dinge, die wir tun, nur mittelbar dazu bei: Die seelsorgliche, missionarische Wirkung von Haushaltsplänen ist eher übersichtlich. Aber gerade auch mit unseren Haushaltsplänen sollten wir eben dazu beitragen, dass genau diese Arbeit stattfinden kann: Dass Menschen unsere gemeindlichen Angebote und Gottesdienste als geistlich relevant für ihr Leben erfahren. Ein heilsamer Blick auf die Wirkung – wider die Gefahr kirchlicher Selbstbeschäftigung.
3. Sind wir flexibel in den Formen und effizient im Einsatz unserer Mittel?
Wenn man einmal in die lange Geschichte der Kirche sowie in die weltweite Ökumene schaut, findet man eine Fülle von Formen, wie Menschen ihren Glauben gelebt haben und Kirche Jesu Christi sind: Eremiten, die in die Wüste gingen, oder sprichwörtliche Säulenheilige, Kommunitäten, die gemeinschaftlich leben, diakonische Vereine, Wanderpredigerinnen und -prediger, Schweigegottesdienste, Hauskreise, christliche Schulen, Chor-Bewegung, Jugend- oder Kulturkirchen, digitale Kirche, Personal-, Profil- und Ortsgemeinden, oder Urlaubs-Gemeinden auf Zeit.
Sie sind die Expertinnen und Experten für Ihre Region und wissen am besten, was die Menschen vor Ort brauchen. Zugleich ist der Tag rheinischer Presbyterien eine Möglichkeit, sich inspirieren zu lassen.
Wie machen das andere?
Wie können wir uns wechselseitig entlasten und mit einander vernetzen?
Wie manches aufgeben, was seine Zeit gehabt hat, und anderes neu ausprobieren – weil da Energie, Geist, Leben drinsteckt?
Und: Wie können wir auch Leitung anders gestalten, um uns die Arbeit zu erleichtern?
Ich weiß, wie viel kreativen Aufbruch es an vielen Orten gibt, um Menschen neu zu erreichen, aber auch um die großen Herausforderungen, vor denen viele stehen. Mit Vakanzen von Pfarrstellen, Umsetzung von Klimabeschlüssen, Fusionsprozessen und vieles mehr.
Vielen Dank, dass Sie da dranbleiben – gemeinsam auf dem Weg! Wir als Landeskirche wollen Sie darin nach Kräften stärken. Das ist unsere Kernaufgabe. Gott segne uns bei der Aufgabe, bei der wir gemeinsam in seinem Namen unterwegs sind!
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Info:
Dr. Thorsten Latzel ist Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland
Weitere Texte: www.glauben-denken.de
Als Bücher: www.bod.de
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