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Kategorie: Lust und Leben

Bleibt nur die Frage: Wer begeht ihn? Zum neuen Film über Fritz Bauer

 

Constanze Weinberg

 

München (Weltexpresso) - Seit der Aufführung des Films „Der Staat gegen Fritz Bauer“ ist dem 1968 verstorbenen hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer eine Fangemeinde zugewachsen, um die ihn mancher etablierte Leinwandheld beneiden wird. Der Journalist Jan Feddersen rühmte den schwäbelnden grauhaarigen Juristen in der Berliner „Tageszeitung“ vom 8. Oktober 2015 als „einsamen Helden im postnazistischen Justizapparat der Bundesrepublik“.

 

Dabei geht es ihm erkenntlich nicht um die Verdienste Fritz Bauer bei der Ahndung von Naziverbrechen oder bei der Verteidigung der demokratische Rechte etwa während des Streits um die Notstandsgesetze; wichtig ist ihm vor allem, dass der Film „dessen Homosexualität erörtert“. Für Feddersen ist das ein „tragender Teil“ des Films. Nun hat aber sein Berufskollege Adam Soboczynski von der Wochenzeitung „Die Zeit“ genau das kritisiert, worauf ihm Jan Feddersen Verrat an Fritz Bauer vorwarf. Wörtlich: „In Sobocynskis Text …schimmert der übelste Verrat an der Arbeit Fritz Bauers durch.“

 

Eigentlich geht es in dem Film um die Ergreifung von Adolf Eichmann, der die Ermordung der europäischen Juden organisiert hat. Ein israelisches Gericht zog ihn deswegen zur Rechenschaft, nachdem die Behörden des jüdischen Staates von Fritz Bauer einen Hinweis auf den Aufenthaltsort Eichmanns erhalten hatten. Stoff genug für eine spannende Geschichte. Aber dem Drehbuchautor und Regisseur Lars Kraume genügte das nicht. Er stellte dem hessischen Generalstaatsanwalt einen schwulen jungen Staatsanwalts als Vertrauten an die Seite. Nach Meinung des „Zeit“- Autor wurde dem Film vermutlich aus „wohlkalkulierten Mischungsgründen“ ein Sexualdrama unterlegt. Es sei bekannt, dass die dänische Polizei Bauer im Exil homosexuelle Kontakte nachgesagt habe. Aber weder Beziehungen zu Männern noch zu Frauen seien verbürgt. Manches spreche eher für eine ausgeprägte Bindungs- und Menschenscheu. Die fiktive Parallelhandlung schwäche den in vieler Hinsicht glänzenden Film und befördere die Selbstgerechtigkeit des Publikums, das über die Vergangenheit moralisch triumphieren dürfe.

 

Jan Feddersen belässt es nicht bei der Beschimpfung des Kollegen Soboczynski , sondern fällt auch über den brandenburgischen Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg her, der sich in „einem glühend-wütenden Text“ dagegen gewandt habe, dass ohne stichhaltige Beweise die Mutmaßung geäußert werde, Fritz Bauer sei schwul gewesen. Auch durch Rautenbergs Text schimmere „der übelste Verrat an der Arbeit Fritz Bauers“. Solche Fürsprecher habe „der Held der Nachkriegszeit nicht verdient“. Der Historikerin Irmtrud Wojak wirft er vor, sie habe es in ihrer ursprünglich als Habilitationsschrift verfassten Biografie über Fritz Bauer fertig gebracht, weder „das Jüdischsein Fritz Bauers zu thematisieren noch dessen Homosexualität.“ Im Gegensatz zu ihrer „bizarr lückenhaften Arbeit“ habe der Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“ Ronen Steinke „eine echte Würdigung Bauers“ vorgelegt.

 

Der von den Nazis verfolgte Publizist Kurt Nelhiebel, ein Zeitgenosse Fritz Bauers, schrieb dazu in einem von der taz veröffentlichten Leserbrief, anscheinend störe sich Jan Feddersen daran, dass Irmtrud Wojak die Unterstellung der dänischen Fremdenpolizei, Fritz Bauer habe im Exil Umgang mit Homosexuellen gehabt, nicht zu einem Hauptthema mache, während Ronen Steinke Bauer als einen Mann präsentiere, den die Schwulengemeinde nachträglich als ihren Helden verehren könne. In seinem Buch räume Steinke ein, es seien keine Äußerungen bekannt, auf die sich die Annahme stützen könnte, Bauer habe sich selbst als schwul gesehen. Bei der Vorstellung seines Buches in Berlin habe Steinke am 19. November 2013 gesagt, es gebe niemanden, der in der Nachkriegszeit in irgendeiner Weise bestätigt habe, dass Fritz Bauer homosexuell gewesen sei. Ein Versuch des Leiters der Dokumentation des Fritz-Bauer-Instituts, Werner Renz, zwei Jahre vor dem Erscheinen des Buches von Ronen Steinke einen ehemaligen Bekannten Fritz Bauers zu dem Eingeständnis zu überreden, zwischen ihm und dem hessischen Generalstaatsanwalt habe eine homosexuelle Beziehung bestanden, lief ins Leere und brachte nicht das von Renz erhoffte Ergebnis. Im Gegenteil.Aber das stört Werner Renz nicht, der für das Institut sprechen darf.

 

Fritz Bauer 47 Jahre nach seinem Tod auf Teufel komm’ raus eine sexuelle Orientierung zuzuschreiben, die seinen Freunden genauso unbekannt war wie dem Verfassungsschutz und Geheimdiensten, die dies liebend gerne gegen ihn verwendet hätte, kann nicht anders gedeutet werden denn als Versuch, ihn als eminent politischen Menschen aus dem kollektiven Gedächtnis zu verdrängen. Muß man denn unterdrückt schwul sein, um die politische Kraft zu haben, die Fritz Bauer auszeichnet und mit der er die damaligen Schmähungen überlebte? Nachdem die Globkefreunde in und außerhalb der CDU ihn auflaufen ließen und er dennoch weitermachte, wird jetzt sein historisches Werk als persönliche Seifenoper verkauft. Einerseits peinlich, aber andererseits der Versuch, ihn damit quasi ein zweites Mal sterben zu lassen

 

Dazu passt, dass das Fritz-Bauer-Institut sein Publikationsorgan „Einsicht“ als Forum für Behauptungen zur Verfügung gestellt hat, Fritz Bauer habe als hessischer Generalstaatsanwalt mehr als hundert Ermittlungsverfahren gegen Richter und Staatsanwälte eingestellt, die während der Nazizeit an Todesurteilen beteiligt gewesen sein sollen, wie Spiegel-Online am 23. Oktober berichtete. Wir werden diese Versuche, Fritz Bauer zu banalisieren, weiter beobachten und berichten.