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Kategorie: Lust und Leben

Neues Führungsduo verbreitet Aufbruchstimmung

 

Notker Blechner

 

Frankfurt (Weltexpresso) - Welche Regeln sollen für neue Arbeitszeit-Modelle gelten? Wie lassen sich die Flüchtlinge in die Betriebe integrieren? Was verändert sich für Arbeitnehmer durch Industrie 4.0? Darüber diskutierten eine Woche lang Vertreter der IG Metall auf ihrem vierjährlich stattfindenden Gewerkschaftstag in Frankfurt. Selbst große Polit-Prominenz besuchte die Metaller.

 

Es war eine kleine Revolution, als Christiane Benner in den Vorstand mit 91,9 Prozent der Stimmen gewählt wurde. Denn Benner ist die allererste Frau, die in diesem männerlastigen Gremium der IG Metall sitzen wird.

 

Künftig wird die 47-jährige Diplom-Soziologin ein Führungsduo bilden mit dem neuen IG-Metall-Chef Jörg Hofmann - eine Art männlich-weibliche Doppelspitze wie bei den Grünen. Auch der 59-jährige Schwabe bricht mit den Traditionen: er ist kein Werkzeugmacher wie seine Vorgänger. Hofmann ist Diplom-Ökonom und ein Mann der Zahlen.

 

 

"Wir holen uns die Zeit zurück"

 

Als sein Schwerpunktthema kündigte Hofmann die Neuregelung der Arbeitszeiten an. In den Betrieben hätten sich inzwischen unterschiedliche Modelle entwickelt- meist getrieben von unternehmerischen Interessen. Die Leidtragenden seien die Arbeitnehmer. "Die tatsächliche Arbeitszeit ist gestiegen."

 

Das will Hofmann ändern. "Wir holen uns die Zeit zurück", versprach er in Frankfurt unter tosendem Applaus der Delegierten. Hofmann schwebt ein neues Normalarbeitsverhältnis an. "Jeder Beschäftigte soll einen durchsetzbaren Anspruch haben, um seine Arbeitszeit für Kinderbetreuung, Pflege oder Qualifizierung zeitweise zu verändern", sagt er.

 

Unterstützung bekam er von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Arbeitstage dürfen nicht 24 Stunden dauern, mahnte sie bei ihrem Gast-Auftritt in der Messe. Es solle sich nicht niemand dafür entschuldigen müssen, mal vier Stunden nicht erreichbar zu sein, sagte Merkel.

 

 

Hofmann will Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integrieren

 

Ein großes Thema auf dem Gewerkschaftstag war die Flüchtlingsproblematik. Der neue IG-Metall-Chef Hofmann warb für einen fairen Einstieg für Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt. Die Unternehmen sollten Ausbildungsplätze, Förderjahre oder tarifliche Arbeitsplätze anbieten. Den Markt der Leiharbeit für Flüchtlinge zu öffnen sei hingegen der falsche Weg. "Wir akzeptieren keine Beschäftigungsverhältnisse zweiter Klasse, denn sie machen aus den Menschen Menschen zweiter Klasse." Der scheidende IG-Metall-Chef Detlev Wetzel warnte ebenfalls davor, Flüchtlinge als neues Argument für Dumpinglöhne zu missbrauchen. Es habe bereits Verstöße gegeben, Flüchtlinge mit geringer Qualifikation unter Tarif zu bezahlen.

 

 

Zustimmung kam aus der Politik. SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach sich vehement gegen eine Absenkung des Mindestlohns für Flüchtlinge aus. Es sei sozialer Sprengstoff für die Gesellschaft, "wenn wir Arme gegen Arme ausspielen". Gabriel rief die Gewerkschaft dazu auf, sich bei der Integration der Flüchtlinge zu engagieren.

 

 

Viel Applaus für Merkel

 

Kanzlerin Merkel verteidigte vor den Delegierten ihre umstrittene Flüchtlingspolitik. "Wir können uns in Zeiten des Smartphones, wo man genau weiß, wie man bei uns in Europa lebt, nicht mehr einfach abschotten. Wir müssen unseren Beitrag zur Globalisierung leisten", erklärte sie. Deutschland müsse jetzt lernen, mit dem Zustrom der Flüchtlinge umzugehen. "Wir schaffen das", wiederholte sie. Es sei wichtig, den ankommenden Menschen in Not zu zeigen, dass Grundgesetz-Artikel eins (Die Würde des Menschen ist unantastbar) auch real gelebt werde. Für diese Aussagen erntete Merkel großen Applaus der Gewerkschafter. Einige hielten Schilder mit der Aufschrift "refugees welcome!" hoch.

 

Schließlich gab die IG Metall noch gemeinsam mit dem VW-Gesamtbetriebsrat eine klare Stellungnahme zum VW-Abgasskandal ab. Die Arbeitnehmer-Vertreter fordern eine neue Führungskultur bei VW, die Eigenständigkeit statt Hierarchiedenken stärkt, und eine bessere Einbindung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse.

 

 

Wie gewinnt man mehr Mitglieder?

 

Ob mit dem neuen Führungsduo und den geplanten Maßnahmen die IG Metall mehr Mitglieder anlocken kann, ist ungewiss. Die Zahl der Metaller hat sich in den letzten vier Jahren um rund sechs Prozent auf 2,3 Millionen erhöht. Die Gesamtzahl der Metall-Beschäftigten stieg aber im selben Zeitraum um fast neun Prozent.

 

Die meisten Delegierten jedenfalls sahen eine Aufbruchstimmung auf dem Gewerkschaftstag. Vor allem Benner wird von den weiblichen Mitgliedern der IG Metall als Hoffnungsträgerin gesehen. Sie könnte sich stärker für die Belange der Frauen und der Klickworker einsetzen, meinen sie.

 

 

Internet:

IG Metall Gewerkschaftstag

http://igm-gewerkschaftstag-2015.de/

 

IG Metall

https://www.igmetall.de/