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Kategorie: Messe & Märkte
ap verlag.deInternationale Finanz- und Rechtswissenschaftler schlüsseln auf, was die Politik tun kann, um Märkte und Anleger künftig besser gegen Unternehmensbetrug zu schützen

Hubertus von Bramnitz

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Fall des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard hat deutlich gemacht, dass die bisher geltenden Schutzstandards gegen irreguläre Unternehmenspraktiken lückenhaft sind. Um Chancengleichheit am Markt zu gewährleisten und Anleger besser zu schützen, sind eine Reihe von politischen Maßnahmen nötig. Dazu zählen neben Reformen für unternehmensinterne Kontrollen und externe Wirtschaftsprüfung auch mehr Befugnisse für Markt- und Finanzaufsicht auf deutscher und europäischer Ebene.

Diese Punkte legt ein internationales Team von Finanz- und Rechtswissenschaftlern rund um das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE in einem Gutachten zum Fall Wirecard im Auftrag des Europäischen Parlaments offen, das an die Redaktionen verschickt wurde.

„Der Wirecard-Skandal samt seiner enormen internationalen Resonanz begründet aus unserer Sicht die dringende Aufforderung für eine umfassende Neuaufstellung der Aufsichtsregeln für die Kapitalmärkte in Deutschland und darüber hinaus in Europa“, sagt SAFE-Direktor Jan Pieter Krahnen, einer der Autoren des Gutachtens. „Um zu garantieren, dass es fair für alle Beteiligten an den Märkten zugeht, machen wir Vorschläge, wie die derzeitige Aufsicht für börsennotierte Unternehmen verbessert werden kann“, ergänzt Loriana Pelizzon, Leiterin der SAFE-Forschungsabteilung Financial Markets und ebenfalls Autorin des Gutachtens.


Eine gemeinsame Aufsicht für den Kapitalmarktbinnenmarkt in Europa

Eine zentrale Empfehlung der Gutachter um SAFE besteht darin, die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin mit weitreichenden Aufsichts- und Eingriffsrechten auszustatten. Diese Stärkung der Befugnisse sollte mit einer klaren Rechenschaftspflicht der Bafin für die Erfüllung ihres übergreifenden Mandats der Marktintegrität und des Investorenschutzes einher gehen. Daneben ist es nach Ansicht der Wissenschaftler angebracht, die vielen mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden in Europa weitergehend einer supranationalen Institution zu unterstellen, die als Europäische Aufsicht für den Kapitalmarktbinnenmarkt – „European Single Capital Market Supervisor“ (ESCMS) – ihre Arbeit aufnehmen könnte.

„Das Ziel dieser Maßnahmen ist es, Vertrauen in die Funktionsweise des europäischen Kapitalmarktes zu erhöhen und den Standort Europa damit letztlich für nationale und internationale Investoren attraktiv zu halten“, fasst Jan Krahnen zusammen.


Höhere Transparenz und strengere Regeln

Zu den vorgeschlagenen Handlungsoptionen für die Politik zählt weiterhin, mehr und früher Informationen mit Blick auf drohende Missstände bei börsennotierten Unternehmen zu gewinnen. Dies lässt sich laut Gutachten zum Beispiel über finanzielle Anreize für Whistleblower und ein entspannteres Verhältnis zu Leerverkäufen erreichen – Aufsichtsbehörden sollen Leerverkäufe nicht so leicht verbieten können. Zugleich sollte die Haftung externer Rechnungs- und Wirtschaftsprüfer, die das betreffende Unternehmen auf den Prüfstand stellen, deutlich erhöht werden. In diesem Zusammenhang empfehlen die Gutachter auch, Kennzahlen wie zum Beispiel der deutschen Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS), die die Arbeit von Wirtschaftsprüfungen überwacht, öffentlich bekannt zu geben, um für mehr Transparenz für Kunden und Investoren zu sorgen.

Weiter spricht sich das Forscherteam dafür aus, die Leitung interner Kontrollabteilungen von Unternehmen direkt dem Aufsichtsrat Bericht erstatten zu lassen. Um das Mandat von Aufsichtsräten grundsätzlich zu stärken, sollten börsennotierte Unternehmen zudem verpflichtet werden, einen eigenen Prüfungsausschuss einzurichten. Der Vorsitzende dieses Ausschusses sollte Finanzexperte und unabhängig sein, ebenso wie die Mehrheit der Mitglieder des einzurichtenden Prüfungsausschusses.

Schließlich kritisiert das Gutachten die gesetzlich geregelte Arbeitsteilung zwischen staatlicher Aufsicht und der privaten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung, die als Ursache für die Kraftlosigkeit der Wertpapiermarktaufsicht in Deutschland eingestuft wird. Das Mandat und damit verbundene Ermittlungsrechte sollten demzufolge unverzüglich zurückverlegt werden in die Aufsicht.

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Info:
Das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE („Sustainable Architecture for Finance in Europe“) widmet sich der interdisziplinären Erforschung der Finanzmärkte und ihrer Akteure in Europa sowie einer wissenschaftsbasierten, unabhängigen Politikberatung. Das Institut setzt auf die Zusammenarbeit von Forscherinnen und Forschern aus den Wirtschaftswissenschaften, der Rechtswissenschaft und der Politikwissenschaft sowie auf die Vielfalt wissenschaftlicher Methoden.




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