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Kategorie: Messe & Märkte

Die Stadt des Olympiers liegt zurück - EZB-City Frankfurt verfehlt Bedarf im sozialen Wohnungsbau: IMMOB Teil 1

 

Heinz Markert

 

Frankfurt an Main (Weltexpresso) – Flächenbrandartig ansteigende Mieten in den Ballungsräumen, Altmieterverdrängung im Zeichen der Gentrifizierung – Devise: Stadtteilcharme wird besetzt, dann aber flugs verscheucht -; entwürdigende Szenen während einer Sammelbesichtigung in Köln-Nippes. Dagegen blüht gemeinnütziger Wohnungsbau in „Wean“.

 

Energetische Luxussanierung mit Fensterhöhlenwirkung im Prenzlauer Berg, Berlin, danach überzogene Mieterhöhung um das Anderthalb- bis Zweieinhalbfache - wobei der turnusmäßige Erhaltungssanierungsanteil nicht rausgerechnet wurde; Verdrängungsterror auf der holden 'Berger' oder dem Oeder Weg, der kleine Laden bekommt die Harke des nimmersatten Vermieters ab; im Frankfurter West- und Nordend geht die Post ab; die Villa Kunterbund im Westend durch die 'Degussa Gold und Silber' höchstverwertet - Kinder aus der Idylle vertrieben. Was läuft falsch auch in der Stadt des Wahren, Schönen, Guten? Sind wir bald komplett entsolidarisiert und enthumanisiert?

 

Zugleich herrscht die deutsch-obrigkeitsstaatliche Einstellung vor, dass der Untertan knapp und pauper zu halten sei. Schäuble gibt den Takt vor. Es darf dem unfrei Geschaffenen bloß nicht zu wohl werden, die Nachkommen gehen den Gang des Werkstücks für die Verwertung und Vermarktung im globalen Wettbewerb. Eine Wohnhumanität noch ausdrücklich ins Kalkül zu ziehen, wäre eine unzeitgemäße Schwachheit.

 

 

Leuchtendes Beispiel Wien

 

Zwei Drittel aller Wiener leben nach ZDFzoom vom 10.03.2015 „Versagt die Mietpreisbremse?“ 'in einer geförderten oder gemeinnützigen Wohnung'. Der soziale Wohnungsbau wurde nicht, wie in Deutschland nach den Achtziger Jahren abgewickelt, sondern blieb ununterbrochen Konzept für ein menschenfreundliches Wohnen. Die Stadt Wien steckt jährlich 600 Mio. Euro in den geförderten Wohnungsbau, die Stadt Frankfurt gerade mal 45 Mio., trotz eklatanten Mangels. 'Die Stadt Wien stellt kostengünstige Grundstücke und Kredite bereit'. Das ist entscheidend. Wien darf also viel auf sich halten. Die Uhren gehen hier anders. Es herrscht weniger die Kultur der Obrigkeit und Vormundschaftlichkeit, des autoritären Knapphaltens durch jene, die meinen als Gewählte zu Recht über Menschen in einem dauernden wohnungspolitischen Hinterherhinkverfahren zu verfügen.

 

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/sendung-a-bis-z#/beitrag/video/2354216/Versagt-die-Mietpreisbremse?

 

 

In Wien gilt: 70 Prozent geförderte Wohnungen - 30 Prozent 'frei finanzierte'. In Frankfurt gilt: 30 Prozent geförderte - 70 Prozent 'privatgesellschaftliche'. Hier schon liegt das Problem. Vorteil für die Menschen Wiens - darunter auch Deutsche, die es beruflich hierher verschlagen hat und die keinesfalls mehr zurück wollen -: 'am Komfort wird nicht gespart'. Es finden sich: Aufzug, Dachkommunikationsebene, Dach-Liegewiese, Sauna, Swimmingpool: 'Luxus für Otto Normalverbraucher - im deutschen Mieteralltag unvorstellbar'. Hinzu kommen 'tolle öffentliche Verkehrsmittel, 365 Euro für eine Jahreskarte - in Frankfurt wird wesentlich mehr bezahlt. Gute kulturelle Einrichtungen, Kita – in Wien gratis – ein ganz wichtiges Thema'.- 'Bezahlbares Wohnen, familienfreundliches Umfeld, hier scheint es zu funktionieren'.

 

Ein anderes Mammutprojekt zeigt sich für deutsche Verhältnisse als ebenso ungewöhnlich: 'Statt Reißbrettcharme viel Grün und Begegnungplätze'. Begegnungsplätze! Hat das jemand schon einmal für Frankfurt dezidiert vernommen: Begegnungsplätze für humanes Wohnen, mal nicht als verschämtes Alibi im allerletzten Winkel gelegen! Gibt es diesen Begriff deutsch-architektursprachlich überhaupt als großzügig definierte Norm? Welch ein rares Wort, wer traut sich in Frankfurt derartiges konzeptionell festzuschreiben. Das käme einer Lästerung der Religion des Kapitals gleich. Denn Gemeinschaftseinrichtungen, das wäre der Beginn des Sozialismus.

 

 

Nicht nur wer in Frankfurt neu hinzukommt hat es schwer

 

Im Zusammenhang mit der Errichtung des Frankfurter Europaviertels ist ein Herr Albert Sahle, Baufinanzierer des etwas anderen Schlages, unterwegs, der sich auf sozialen Wohnungsbau spezialisiert hat. Er sagt: 'Im sozialen Wohnungsbau wachsen die Renditen nicht in den Himmel. Dafür ist es aber recht sicher und langfristig solide angelegt...Es ist natürlich nicht dafür geeignet, das schnelle Geld zu machen' (ZDFzoom „Versagt die Mietpreisbremse?“ 10.03.2015). Er ist überzeugt, 'dass der geförderte Wohnungsbau zu Unrecht stigmatisiert ist...was [näher betrachtet] absoluter Blödsinn ist'. Es hängt von der Einstellung ab.

 

Der Frankfurter Baudezernent Olaf Cunitz bewegt sich in Frankfurt in einem Becken von Schwarzer Politik und stramm frankfurterisch besitzbürgerlicher Klientel, die, wenn sie selbst vermietet, aus knallharter Tradition allzu oft herausholt, was nur irgend geht; weswegen z.B. kleine Geschäfte an den angesagt reizvollen Meilen einen schweren Stand haben. - 'Er will verhindern, dass hier nur eine Stadt für Reiche entsteht'. Dazu sei es 'immer auch wichtig, dass die Stadt ´ne klare Kante zeigt'. Es sei nicht allein nur auf die „Mietpreisbremse“ zu setzen (die ja mit Ausnahmen behaftet und in der Praxis schwer zu kontrollieren ist, wenn keine Kläger sind).

 

Im Schnitt kostet im entstehenden Frankfurter Europaviertel eine privat finanzierte Wohnung 12 Euro/qm, in städtisch gefördert finanzierten Wohnungen beginnt die Miete schon mit 5,50 Euro/qm. 'Mit öffentlichen Mitteln finanziere ich das runter' (Cunitz). - In Wien liegt die durchschnittliche Miete im geförderten Wohnungsbau bei 7,70 Euro/qm warm. Wien hat eine lange Tradition des sozial geförderten hochwertigen Wohnens, hielt auch immer daran fest, in Frankfurt müsste sie erst wieder expansiv etabliert werden.

 

 

Weitgehender Ausfall der Politik im geförderten Wohnungsbau

 

Die Mieten sind in Köln nach ZDFzoom 'in den vergangenen 3 Jahren um bis zu 25% angestiegen'. Bei Wiedervermietungen 'werden Preise oft drastisch erhöht'. Zufolge der Mietpreisbremse darf die Miete 'maximal 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen'. Wer aber prüft Verstöße und sanktioniert, wenn es aus der Not heraus keine Kläger gibt? Infolge des Booms an Zuzügen in die Weltstädte und aufgrund gesteigerter internationaler Aktivitäten und Austauschtätigkeiten wurden die Großstädte der Welt zu immer gefragteren Wohnplätzen. Auch als kulturelle Zentren wurden die großen Städte immer attraktiver. Um 2012 stieg die Zahl der Zeitungsartikel, die sich der Schilderung der explosionsartig ausgeweiteten Gentrifizierungstendenzen widmeten, steil an (Beispiel: 'Der Kampf um Hamburg', FR 15.05.2012). Alle Weltstädte waren betroffen. Die Politik hatte aber null Voraussicht gezeigt und die Entwicklung saumselig verschlafen, weil sie mehr an der Bedienung des Privatsektors orientiert war, ihrer bevorzugten Interessengruppe („die Mitte“), zur Sicherstellung von Wahlerfolgen. Es war auch eine Folge der um sich greífenden neoliberalistischen Heilslehre.

 

In den Achtziger Jahren wurde in Frankfurt frisch-öffentlich noch der geförderte Wohnungsbau betrieben; langfristig entstanden 'bis zur Wende im Westen fast 7,5 Mio. Sozialwohnungen'. Nach 25 Jahren sind diese Wohnungen aus der Bindung gefallen. Die vermietende Gesellschaft kann die Mieten jetzt sozial bindungsfrei erhöhen. Die energetische Sanierung eröffnet diesem Vorgehen zusätzlich Tür und Tor – denn gern auch überproportional: eine verbreitete Masche, gegen die Alt- und Neumieter nicht ankommen. Wenn die vernachlässigten Wohnungen lästig werden, können sie an renditegetriebene 'Heuschreckenähnliche' verkauft werden. Mieten gehen dann in kurzen Abständen aufwärts, ob vorher Renovierung vorgenommen wurde oder nicht, spielt keine Rolle. Mit dem Verkauf verbundenes Übel: die Mieter müssen den Kauf refinanzieren - und bei Wiederverkauf erneut.

 

Hinzu kam: der staatliche Sektor verkaufte eigene Bestände, um den Haushalt zu sanieren oder aufzuhübschen, als Korrektiv zu den Steuersenkungswellen der Rotgrünjahre - oder einfach weil es zum kleinkarierten Sparsport wurde. Kleingeist Finanzminister Helmut Schäuble triumphierte hierin eindrucksvoll. 2013 stieß er 11.000 Wohnungen an die TAG, einen Börsenkonzern - einen 'Heuschreckenähnlichen' - ab, mit der Maßgabe der BIMA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben): „nur zu ihrem vollen Wert“, also Marktwert. Eine Schwemme überreichlichen marodierenden Geldes kursiert um den Globus, aber Schäuble verscherbelt auf Kosten eines Gemeinschafts/Menschheitserbes öffentliches Eigentum, das sich nicht über kurz wiederherstellen lässt, wie sich nun zeigt. Über wenige Jahre waren von 4,3 Mio. öffentlich geförderten Wohnungen 2014 bloß noch 1,2 Mio. übrig (Sendung Günter Jauch 30.03.2014). Weil die Bayern-LB sich mit dem Kauf der Hypo-Alpe-Adria verzockt hatte, fädelte der bayrische Finanzminister Markus Söder den Verkauf von 32.000 Wohnungen aus dem Bestand der Tochter der LB - der GBW – an die Heuschrecke Patrizia ein. Die betroffenen Beamten in den Wohnungen schäumten vor Wut. Die angehängte Sozialcharta ist ihre Tinte nicht wert. Sie ist auf 5 Jahre begrenzt und schwach ausformuliert. 'Mieter werden zahlen müssen' (BR, quer 16.06.2012).

 

Springender Punkt: über die Jahre des Rheinischen Kapitalismus galt das 'Wohngemeinnützigkeitsgesetz'. Es machte günstige Mieten möglich. Die agierenden Wohnungsgesellschaften waren für ihre gemeinnützigen Dienste steuerbegünstigt. '1990 wurde das Gesetz gekippt...verantwortlich damals: Theo Waigel.' - Ein Interview mit ZDFzoom zum Tatbestand lehnt Waigel ab. Das Ablehnen von Interviews ist mittlerweile die Regel, es kommt einer gezielten Verachtung der wählenden BürgerInnengesellschaft gleich.- Lukas Siebenkotten, der Präsident des Mieterbundes erklärt: 'Man hat damals, anstatt das Wohngemeinnützigkeitsgesetz zu reformieren, es gleich ganz abgeschafft. Das war ein ganz klarer Fehler. Heute fällt uns das auf die Füße'. Wenn man die Wohnungen aus der Förderung herausfallen lässt und kaum neue nachbaut, bekommt man ein Problem wie das nun allseits brennend gewordene. Die Stadt Frankfurt setzt sich, so ergab eine Anfrage, nicht für eine Wiederherstellung des früheren Gesetzes – in reformierter Form – ein. Fortsetzung folgt.