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Kategorie: Musik

Liebe 5373Eine Rahmenveranstaltung der Grimm-Festspiele 2025

Hanswerner Kruse

Hanau (Weltexpresso) – Einen Abend lang sprechen und singen Hartmut Volle und Andrea Wolf in der Orangerie über die Liebe. Durch berührende Gedichte und Lieder verdichten sie ihre eigene private Liebesgeschichte in eine allgemeine.

 


Das Duo war ein Liebespaar – und ist es immer noch. 1991 verliebten sie sich und feierten fünf Jahre später öffentlich ihre Beziehung mit Versen und Gesängen. Aber es gab Ärger, Krisen, Kälte bis... zum neuen Frühling. Den Abend beginnen sie mit Jacques Préverts Zeilen: „Wir leben und wir lieben – aber was ist die Liebe?“ Schauspielend, rezitierend und singend loten die beiden die vielen Facetten aus, die sich hinter dieser Frage verbergen: Humorvoll. Nachdenklich. Euphorisch. Melancholisch. Traurig. Hoffnungsvoll.

Liebe 5331Oft feiern sie nicht nur das Verliebtsein, sondern zeigen uns ebenfalls das Alltägliche – etwa Streitereien – im Wechsel. So wirken ihre poetischen Darbietungen wie persönliche Zwiegespräche. Das ist manchmal tiefgehend: „Es ist ein Weinen in der Welt / Als ob der liebe Gott gestorben wäre“ (Lasker-Schüler). Ihr Umgang mit den Texten ist häufig frei, sie kürzen manche oder lassen sie ineinander übergehen. Bertolt Brecht ist gar nicht so klassenkämpferisch, sondern sanft und gefühlvoll. Robert Gernhardt steht humorvoll und doch besinnlich für den Alltag der Liebenden: „Heute ist ein guter Abend / um Pflaumen zu schneiden. Vorausgesetzt / es stimmt mit euch beiden.“

Ein Höhepunkt des ersten Teils ist der „Liebesbrief“ von Elke Heidenreich. Ihr Mann treibt sich mit Saufkumpanen in Paris herum. Eigentlich findet sie das ganz gut, aber „Auf einmal war er mir doch am Fehlen“, meint sie im besten Ruhrgebiet-Slang. Sie will ihm einen Brief schreiben, doch ständig wird sie wütend: „Dann soll ich wohl in Wanne-Eikel Strapse tragen?"

Weitere freche oder leicht obszöne Töne folgen – „Die Enthüllungen einer Striptease-Tänzerin“, eine Ode an die onanierende Hand oder das mörderische „Sie blies ihm das Licht aus“. Vor der Pause spielen sie großartig eine nachgestellte Filmszene aus „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“: Mit sarkastischen Wortgefechten zeigt das Paar ein gnadenloses Spiel aus Demütigung, Lüge, Entblößung und Abhängigkeit. Doch am Ende bleiben zwei verlorene, verletzliche Menschen, die sich weiter brauchen.

Der zweite Teil wird wieder komisch und das Gewöhnliche kommt nicht zu kurz. Er beginnt mit der ironischen Hymne „Männer im Baumarkt / während draußen die Frau parkt.“ Hartmut Volle spielt Piano und singt „Sie sind Jäger / Sie sind Sammler.“ Mit Gernhardt wird’s schärfer: „Du stehst meinem Glück im Wege. “ Unmittelbar gehen die Verse in Heinz Erhardt über: „Warum hast du mich verlassen?“ Loriot darf komisch-dramatisch nicht fehlen und Andrea Wolf besingt schließlich die Trauer: „Gib mir mein Herz zurück / Du brauchst meine Liebe nicht.“

Trotz der Fülle – durch die 40 Texte des Duetts – bleibt die Atmosphäre frei von Kitsch oder Trivialität. Durchgehend gelingt ihnen eine spannende Abwechslung sowohl in der Vortragsart als auch mit anspruchsvollen Inhalten. Sie verklären nichts und sind dabei ehrlich. „Die Zeit ist eine Kralle, je mehr sie greift, wird sie zur Pein / und Harmonie kann eine Falle, für eine alte Liebe sein.“ Singen sie mit Jacques Brel – und fügen noch Préverts optimistische Bitte an die Liebe hinzu: „...Lass uns nicht kalt und steinern werden / Gib uns / Auch späterhin und irgendwo / Ein Lebenszeichen.../ Sei plötzlich da / Reich uns die Hand / Und rette uns.“

Mit stehenden Ovationen feierten die etwa 120 Zuschauenden das Duo und wurden mit zwei bewegenden Zugaben belohnt.

Fotos:
© Hanswerner Kruse