
Hanswerner Kruse & Hannah Wölfel
Herzberg (Weltexpresso) – Unsere Geschichte klingt wie ein Song von Udo Lindenberg: Ein sehr kranker Hippie aus Hamburg möchte noch einmal das Herzfeld-Festival besuchen. Fuldaer Freunde, das Organisation-Team und die Malteser aus dem Norden ermöglichen Günther Zint (84), seinen „Herzenswunsch“ zu verwirklichen.
Das Projekt der Malteser „Herzenswunsch-Krankenwagen“ erfüllt Träume von Menschen, die unheilbar oder lebensverkürzend erkrankt sind. Ihnen soll ein schöner Moment ermöglicht werden – eine Herzensangelegenheit, die in Erfüllung geht. In Hamburg wollen die Menschen meist ein letztes Mal das Meer erleben, in Osthessen möchten sie gerne noch einmal auf die Wasserkuppe. Der Bühnenauftritt und Abschied von Günter Zint in Herzberg war für alle Beteiligten sehr bewegend und vermutlich der erste Herzenswunsch, der je auf einem Festival realisiert wurde.
Freitagnachmittag, vor dem Start der Band „Orange“, kommt der Fotograf im Rollstuhl auf die Bühne. Er wird von Kindern mit Sonnenblumen umringt, Festivalleiter Wolfgang Wortmann stellt ihn vor – Tausende jubeln Zint zu.Während „Orange“ nun auf dem Main Stage ihre Schau zelebriert (Foto) , begleiten die Helfer ihn zum Essen. Ein Halbrund von zahlreichen Essständen windet sich an der großen Wiese entlang: „Vegan Lovefood“, „Hemp“ oder „Kommune Kaufungen“. Ständig sprechen Gleichaltrige den Besucher im Rollstuhl an: „Weißt du noch, wer ich bin“ – und schon werden Erinnerungen ausgetauscht.

Der goldbemalte nackte Hippie stapft wie jedes Jahr durchs Gedränge, ein junges Mädchen flattert im Federkleid vorbei, auf der Wiese stillen Mütter ihre Kinder. Auffallend ist der wohlwollende Umgang miteinander und die freudige Stimmung. Man erlebt keine Aggressivität, Besoffene torkeln nicht herum – allenfalls weht ein Haschischwölkchen durch die Luft.
Im Gespräch betont Wortmann, die Wurzeln des Festivals lägen in der Woodstock-Zeit. Doch die einst entstandenen Werte würden – trotz musikalischer Entwicklungen – weitergelebt: „Jeder darf so sein wie er will – solange er auch den Anderen diesen Raum lässt.“ Musikalisch versuchten die Veranstalter seit Jahren das Event für jüngere Menschen attraktiver zu machen. Entstanden sind neue Wege der „Weltmusik“, Verbindungen mit Hip Hop und anderen Klängen auf jetzt vier Bühnen. Neu ist das Lesezelt, das mit Kabarett und Klangreisen die Grenzbereiche zur Musik erkundet. Alle eingeladenen Gruppen und Kreative sollten sich aber dem Geist der 1970er-Jahre verpflichtet fühlen.

„Mountain full of love“ lautet nach einem Song das diesjährige Motto der Festspiele - darin sind also Herz & Berg = Herzberg enthalten. Es gab an die 10.000 Gäste an den vier Tagen, darunter 1000 Kinder...
Wer ist Günter Zint?„Ich bin ja nur so bekannt geworden, weil ich berühmte Leute fotografierte“, erzählt uns Günter Zint (Foto rechts). Der Fotograf wurde 1941 in Fulda geboren, wuchs hier auf, veröffentlichte in der Fuldaer Zeitung seine ersten Bilder. Doch dann zog es ihn in die Welt hinaus, er arbeitete für Zeitschriften wie den Spiegel, Quick oder twen. Später ließ er sich in St. Pauli nieder, wurde Hausfotograf im Starclub und lichtete die Beatles oder Jimi Hendrix ab, der in seinem Atelier schlief, weil man ihn aus dem Hotel warf.
Er machte Porträts von den St.-Pauli-Huren wie der legendären Domenica, engagierte sich in linken und alternativen Bewegungen.
Sagenhaft sind seine visuell festgehaltenen Begleitungen von Günther Wallraffs Undercover-Aktionen. Zint veröffentliche selbst Bücher, kam oft nach Fulda um die Friedensbewegung zu unterstützen oder das Herzberg-Festival zu besuchen. 2019 zeigte er in hier seine Schau „Wilde Zeiten“ in Zusammenarbeit mit der Kinder-Akademie.
Fotos
© Hanswerner Kruse