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Kategorie: Unterwegs

Unterwegs auf dem „Vogtlandpanoramaweg“, Teil 3/6

 

Thomas Adamczak

 

Wiesbaden (Weltexpresso) - Bei Plauen, quasi vor den Toren der Stadt, befindet sich ein ehemaliger russischer Truppenübungsplatz. Feines Plätzchen, Natur pur, durch die eine überschaubare Anzahl von Kolonnenwegen führt, auf denen, so stelle ich mir vor, kriegstaugliche gepanzerte Fahrzeuge herumtollen konnten, ohne die herrliche Natur total zu demolieren.

 

Weil die Natur bis auf dieses blödsinnige Herumgefahre von Panzern und Panzerwagen weitgehend in Ruhe gelassen wurde, wirkt sie unberührt. Man kann sich kaum satt sehen. Auf den Kolonnenwegen ist überhaupt kein Verkehr: Durchfahrt verboten!

 

Doch jetzt, erfahre ich zufällig auf der Wanderung, diskutieren die Stadtverordneten, den Truppenübungsplatz für den Verkehr freizugeben. Meine Güte, so eine Oase der Stille, unverfälschte Natur, ein unverdientes Geschenk aus Zeiten des Kalten Krieges, wollen die zerstören? Ich fasse es nicht. Hoffentlich lassen sich die Plauener das nicht gefallen!

 

Wenn Sie mit Leuten aus der Region bei einer solchen Wanderung ins Gespräch kommen wollen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die einfachste ist, man achtet nicht so genau auf den Verlauf des markierten Weges. Das fällt ja nicht schwer. Im Gegenteil macht es vielmehr ein wenig Mühe, ständig auf die nächste Markierung zu achten. Bei mir war es bei Bad Elster mal wieder soweit, als ich, durch den schönen Kurpark laufend, den Wanderweg kurzzeitig aus dem Auge verlor.

 

Pilzsammler erkennt man an dem Korb, in dem die Prachtstücke hineingelegt werden sollen oder bereits liegen. Wenn der Korb gefüllt ist, gucken die Sammler anders, zufriedener. Ich spreche ein Ehepaar an, das offensichtlich gerade in die Pilze gehen will. Frage nach dem Weg! Die haben Zeit, nehmen sich Zeit. Abwechselnd folgen: Erklärungen, Erläuterungen, Vorschläge für alternative Routen.

 

So ginge es oder so, na so ist es vielleicht am besten. Ach, wissen Sie, wir begleiten Sie ein Stückchen. Diese Strecke wollten wir schon immer mal gehen. Da stoßen Sie auf alle Fälle auf Ihren Weg.

 

Fast immer ereignet sich bei solchen Gesprächen folgendes: Blick zurück. Schnell geht das, und meistens kriegt man Interessantes zu hören.

 

Kurgäste wurden zu DDR-Zeiten zugewiesen. Natürlich auch in Bad Elster.

Die Gastgeber brauchten sich nicht um Kurgäste zu kümmern, um ihre Zimmer zu vermieten. Das ging auch so seinen Gang. Gäste kamen, Gäste gingen. Nach der Wende ging erst mal nix mehr. Die alten Gäste blieben weg. Die Vermieter mussten sich selber kümmern, um ihre Unterkünfte voll zu bekommen. Das kapitalistische Konkurrenzprinzip musste im Schnelldurchgang verinnerlicht werden. Jeder ist sich selbst der Nächste, also zunächst und vor allem mal an sich denken. Was kümmerte einen der Nachbar mit seiner Unterkunft?

 

Erst allmählich, so der Gesprächspartner, setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Vermieter von Ferienplätzen auch gemeinsame Interessen haben, sich besprechen, beraten können, was für die Urlaubsregion gut ist, wie das Kurbad bekannter, das Image von Bad Elster verbessert werden kann. Die Angst vor dem Neuen, vor Mitkonkurrenten, die die Leute anfänglich beherrschte, erwies sich als kontraproduktiv. Es ging ja vor allem darum, möglichst viele Erholungssuchende, potentielle Kurgäste für Bad Elster zu gewinnen. Und wenn die sich hier wohlfühlten, würden sie wiederkommen, das heißt Quartiere erproben, für den Ort Werbung machen. Also brauchte es Kooperation, Absprachen, und so wurden manche Ellenbogen, die zunächst ausgefahren worden waren, möglichst unauffällig eingezogen.

 

Mein Gesprächspartner, er war als Mediziner in der Forschung tätig, hatte diese Verhaltensweisen vor und nach der Wende beobachtet und ich erfuhr davon, während er und seine Frau mich durch den Wald zum VPW begleiteten.

Wenn ich vom Weg nicht abgekommen wäre, hätte es diese Begegnung wohl nicht gegeben.

 

Verallgemeinern lässt sich so’ne Erfahrung gewiss nicht, aber die Frage nach dem Weg ist nach meinen Erfahrungen immer eine Möglichkeit, ein kurzes Gespräch zu initiieren.

 

Nach Bad Brambach kann ich auf der deutschen Seite gehen, ich kann aber auch einen Ausflug auf tschechisches Gebiet machen. Darauf macht mein Begleitheft von Augustustours aufmerksam.

 

Ich gehe über die deutsch-tschechische Grenz und bereue es nicht. Ich gehe nämlich auf dem historischen „Liebesweg“ zwischen Bad Elster und A?, auf dem Robert Schumann zu seiner Geliebten Ernestine von Fricken unterwegs war. Diese Liebesreise fand vermutlich im Herbst 1834 statt, als Schumann auf der alten Poststraße von Adorf über Elster nach A? reiste. Schumann hat einen seiner genialsten Klavierzyklen, den berühmten Carneval, Ernestine von Fricken gewidmet. Als ich auf diesem Teilstück unterwegs war, wusste ich das alles noch nicht. Immerhin war bei den Markierungen „Liebesweg“ eine Melodie angegeben, so dass ich schon mal eine Ahnung hatte, wonach ich zuhause suchen musste.

 

Auf dieser Wanderung ließ ich den hübschen Namen „Liebesweg“ einfach mal so auf mich wirken. Was könnte dieser Name bedeuten, hier im deutsch-tschechischen Grenzgebiet? Woran werden andere uninformierte Wanderer denken?

Erinnerung an die, an eine große Liebe? Der Versuch, sich all die Menschen, zu denen Gefühle der Liebe jemals bestanden oder bestehen, als eine Person vorzustellen?

 

Motto: Was ist es eigentlich, was einen Menschen liebenswert, liebenswürdig macht? Oder liebevoll! Der Liebe voll. Wann ist man voller Liebe? Oh je! Die Phantasie geht auf Wanderschaft, und dabei nimmt man die unmittelbare Umgebung weniger aufmerksam wahr. Macht doch nix, jetzt gehe ich erst mal diesem Gedanken nach und jenem. Naheliegend, sich ein Liebespaar auf diesem Liebesweg vorzustellen. Das Paar versichert sich gegenseitig seiner Liebe. Es nimmt den Liebesweg ernst. Nomen est omen! Oder: Beginn oder Ende eines Liebesromans. Hier begann eine Liebe, hier endete eine andere. Es braucht nur noch Figuren, die das ganze mit Leben füllen.

 

Was’n schöner Einfall, den Weg Liebesweg zu nennen, noch dazu einen Weg, der von Deutschland nach Tschechien führt und auch dort so heißt. Die tschechische Entsprechung steht direkt daneben. Und die dabei stehenden Noten passen natürlich zu dem Liebesweg. Hätte der Name des Komponisten dabei gestanden, wären mir all die Einfälle, die ich notiert habe, wohl nicht gekommen. Zuhause kann ich googeln, was sich zu dem Liebesweg in Bad Elster finden lässt, wenn ich dann überhaupt noch Genaueres dazu wissen möchte.

 Auf tschechischer Seite fehlen plötzlich ein paar Wegzeichen, oder habe ich wegen des Liebesweges nicht genug aufgepasst? Auf alle Fälle finde ich keine Markierungen mehr. Wieder eine Gelegenheit zu fragen. Die beiden Leute, Tschechen, die ich frage, sprechen gut deutsch. Eine Frau sogar perfekt. Ihre Eltern haben in der Nähe ein Wochenendhäuschen. Sie ist zu Besuch, lebt ansonsten in Deutschland. Sie erklärt mir, dass ich zurück gehen muss.

 

Später, ich finde den verflixten Weg nicht, halte ich auf einer kleinen Nebenstraße sogar einen Wagen an. Der Mann nimmt mich, weil hinter ihm ein anderes Auto drängelt, im Auto mit zu seinem in der Nähe stehenden Bauernhaus. Er gibt sich Mühe, mir zu erklären, wie ich gehen muss. Der markierte Weg interessiert ihn nicht. Vielleicht kennt er ihn gar nicht. Er zeigt mir einen anderen Weg, wohl den kürzesten von dort aus nach Bad Brambach. Er stürmt vor mir her auf einen hinter seinem Haus gelegenen Hügel, überschlägt sich geradezu vor Hilfsbereitschaft. Wortreich, aber präzise. Ich finde den Weg, stoße auf eine Informationstafel, die auf Großmeister Goethe verweist, der in der Nähe einen Grenzübergang benutzte, um zu den böhmischen Bädern zu gelangen, Goethes Sommerfrische. Goethe übernachtete in A?, das ganz in der Nähe liegt.

 

 

Fotos

Titel: Wanderweg in Bad Brambach, © augustustours

Foto 2: Blick von der Festhalle zur Wettinquelle in Bad Brambach © augustustours

 

INFO:

AugustusTours organisiert seit 1998 individuelle Aktivreisen mit Gepäcktransport entlang der schönsten Rad- und Wanderwege Deutschlands. Neben der genauer Planung der Reiseroute kümmert sich der Reiseveranstalter um die Buchung rad- und wanderfreundlicher Unterkünfte und übernimmt zudem den Transport des Reisegepäcks von Unterkunft zu Unterkunft. Auch Tourenräder oder E-Bikes können von AugustusTours für Radreisen zur Verfügung gestellt werden. Mit über 7700 eigenen Radkilometern und mehr als 400 Wanderkilometern in den Beinen ist das Team von AugustusTours aktiv reisen ein kompetenter Ansprechpartner für Rad- und Wanderreisen in Deutschland.

https://www.augustustours.de/de/wanderreisen/vogtlandpanoramaweg.html