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Kategorie: Unterwegs

Unterwegs auf dem „Vogtlandpanoramaweg“, Teil 5/6

 

Thomas Adamczak

 

Wiesbaden (Weltexpresso) - Geschriebenes, auf das ich unterwegs stoße, macht mich neugierig. Auf dem Weg nach Zwota entdecke ich folgendes Schild:

Bitte nehmt euren Müll wieder mit. Ich danke es euch. Die Natur.“

 

Tolle Idee, die Natur sprechen zu lassen. Oder? Was wünschte sie sich, wenn man sie fragte? Warum denn nicht! Eine den Menschen bittende, ihn inständig bittende Natur! Stellen wir uns mal die Wünsche von Bäumen, Bergen, Seen, Flüssen, die Wünsche einer Blume, einer Fliege, dieser Ameise da vor. Was hat uns die Sonne zu sagen? Was beobachtet sie? Was will der Mond schon immer loswerden? Neben den 10 Geboten, die Moses offenbart wurden, sollten wir uns auf die 10 Gebote der Natur verständigen. Du sollst nicht ...Und du sollst nicht…, sondern ….. Du sollst deinen Freund den Baum ehren und die Blume, den Schmetterling, die Mücke, den Grashalm.

 

Kurz nach Mühlleithen entdecke ich bei Kottenheide einen Gedenkstein. „Gott segne das Haus Wettin. 1089 – 1889“ Wieso denn gerade dieses Haus?

Mein Einfall dazu: Welchen Segenswunsch könnte eine größtmögliche Zahl von Menschen befürworten?

 

Gott segne diese Erde.“ Denn: Wir haben nur diese!

Gott segne das Universum.“

Gott segne alle Menschen.“

Was sagten die Vertreter des Geschlechts der Wettiner, wenn man sie bitten würde, ihren Stein mit solch einer Inschrift zu versehen?

Zustimmung? Unwillige, freudige? Verwunderung über dieses Ansinnen?

 

Ich stoße auf eine Bank mit der Inschrift: „Redet doch nur von Dingen, von denen ihr wirklich Ahnung habt, oder könnt ihr nicht schweigen?“ Mitten im Wald. Der Spruch mit Ornamenten verziert. Da hat sich jemand Mühe gegeben. Was wird ihn veranlasst haben? Von welchen Erfahrungen würde er berichten wollen?

 

Dann finde ich unterwegs noch eine Lebensdevise von Charles Darwin. Muss bei Bad Elster gewesen sein, meine ich mich zu erinnern. „Tu soviel Gutes, wie du kannst, und mache so wenig Gerede wie möglich davon.“ Betreten schaue ich nach unten. Richte mich nach kurzer Zeit der Zerknirschung wieder auf, indem ich mir vorzustellen versuche, was dieser Merksatz bei vorbeikommenden Wanderern auslösen mag. Wie viele schlagen sich an die Brust und murmeln „mea culpa, mea culpa“? Wie viele werden den Satz übersehen, denken überhaupt nicht darüber nach? Wie viele werden danach ihr Leben umkrempeln?

 

Diejenigen, die ihre Lebenseinstellung nach Lesen des Satzes geändert haben, würde ich gern sprechen, von denen würde ich mir gern erzählen lassen, wie sie sich und was sie verändert haben.

 

Solche Geschichten passieren auf dem Papier, brauchen bloß festgehalten, aufgeschrieben werden. Nicht wahr, Peter Bichsel!

 

In Zwota wurde 1930 eine Freilichtbühne errichtet. Eintausend freiwillige Arbeitsstunden waren erforderlich, lese ich auf der Informationstafel. Eine beliebte Freilichtbühne muss es gewesen sein, von vielen Besuchern ist die Rede. Nach 1945 „fehlten“ 100 Laiendarsteller! So die Formulierung auf der Tafel. Fehlten nach dem Krieg. Menschen „fehlten“. Laiendarsteller.

 

Nach diesem Krieg „fehlten“ 80 Millionen Menschen. Schätzungsweise. Und darunter auch diese 100 Laiendarsteller. Wie viele von ihnen waren Soldaten, wie viele jüdischer Herkunft? Wie viele Flüchtlinge? 100 Schicksale. 100 Leben, Menschenleben. 100 Lebensgeschichten ehemaliger Laiendarsteller in Zwota, die sich, als von ihnen noch mit Erfolg Volksstücke aufgeführt wurden, nicht vorstellen konnten, dass sie auf dieser Bühne nur noch einmal oder zweimal oder gar nicht mehr stehen würden.

 

Die Reste der Freilichtbühne sind kaum auszumachen. Heute stehen auf dem Areal 3 Tennisplätze und das Vereinsgelände des „Sport- und Gebrauchshundevereins Zwota e.V.“ Gebrauchshunde? Was gibt’s denn sonst noch für Hunde? Schoßhunde, vermute ich mal, zählen nicht zu den Gebrauchshunden, wiewohl die ja auch gebraucht werden. Und die Hunde, die alleinstehende Leute haben, um eine Aufgabe erfüllen zu dürfen, zählen die zu den Gebrauchshunden? Zwota, damit kein einseitiger Eindruck entsteht, ist bekannt wegen der dortigen Handharmonikaherstellung.

 

In der Nähe entdecke ich den Kindergarten „Waldwichtel“, für den der Staatsbetrieb Sachsenforst ein Stück Wald zur waldpädagogischen Nutzung zur Verfügung stellt. Löblich, diese Idee. Wünsche mir im Vorbeigehen für jeden Kindergarten ein Stückchen Wald.

 

Unweit von Klingenthal eine weitere waldpädagogische Einrichtung: Ein „Aboretum“! Eine Fläche im Wald, gestaltet von einer Arbeitsloseninitiative, später übernommen von einer Beschäftigungsgesellschaft, mittlerweile betreut vom Forstbezirk Adorf. Die Besucher dieses frei zugänglichen Walstückes können sich die unterschiedlichsten Baumarten in natura sowie Schmetterlinge und Reptilien auf Informationstafeln anschauen.

 

Zwergbalsamtanne, Mandarinenrose, Coloradotanne, den Duftschneeball aus Asien, eine Himalaya Zeder und die Orientalische Goldfichte. Auf den Tafeln ist der „Zauber“ der Verwandlung von Schmetterlingen zu sehen. Eingangs ein Schild mit freundlicher Begrüßung der Besucher des „Aboretums“. Ermutigung, sich Zeit zu nehmen und möglichst viel zu entdecken. Und wiederkommen sollen die Besucher und Werbung machen für dieses Prunkstück. Ich staune über die Reihenfolge, in der Besucherinnen und Besucher angesprochen werden. Zuerst Schüler, dann Forstlehrlinge, an letzter Stelle die Bürger der Region. Eine Reihenfolge, die gewiss mit Bedacht gewählt wurde. Nicht schlecht!

 

Morgenröthe-Rautenkranz. Ein erstaunlicher Name. Ich kannte den Ort nicht, aber Eingeweihten wird er als Geburtsort von Sigmund Jahn, der 1978 als erster Deutscher im All herumschwebte, geläufig sein. Sigmund Jahn, Mutter Näherin, Vater Sägewerksarbeiter, machte zunächst eine Buchdruckerlehre, besuchte die Offiziersschule und studierte anschließend an der Moskauer Militärakademie. Über Jahn und die Erforschung des Weltalls informiert in Morgenröthe-Rautenkranz ein Weltraummuseum. Ob der erstaunliche Ortsname Morgenröthe den Ausschlag gegeben hat, dass Jahn als Kosmonaut ausgewählt wurde? In der Ausstellung finden sich dazu keine Hinweise.

 

Welche Kontraste! Wanderung durch Wald und Flur. Eben erst eine anschauliche Informationstafel „Naturgemäßer Waldbau“ und dann völlig unerwartet ein scheußlich modernes Gebäude mit einer Weltraumausstellung, in der ich auf einen geschichtsträchtigen Satz Neill Armstrongs, der als erster Mensch am 21.7.1969 den Mond betrat, stoße: „Das ist ein kleiner Schritt für den Menschen, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit.“ Armstrong sagte den Satz im „Meer der Ruhe“. 1961 hatte Kennedy vor dem amerikanischen Kongress das Vorhaben des Fluges zum Mond angekündigt. Es folgten: 9 Flüge der Apollomission, dabei auch der Unglücksflug von Apollo 13. Danach reihten sich 6 Landungen auf dem Mond aneinander.

 

Die Russen reagierten auf die Weltraumflüge der Amerikaner mit ihren Sojusschiffen. Mit einer Sojuskapsel flog Sigmund Jahn aus Morgenröthe ins All.

Im Museum Informationen zu den anderen Weltraumprogrammen: Voyager, Challenger, Space Shuttle und wie sie alle noch hießen.

Eine Abteilung ist dem Leben auf Weltraumstationen im All gewidmet. Viel Text, viele Bilder, Filmchen. Eine völlig andere Welt, diese Weltraumwelt. Schnellschnell ein paar Notizen gemacht und dann endlich wieder raus aus dieser futuristischen Welt.

 

Endlich wieder in die Natur. Bäume angucken, Bäume! Welch’ Alternative zu einem Weltraumflug! Oder?

 

Fotos:

Titel: Blick auf die Kirche von Greiz, © augustustours

Foto 2: Blick vom Papiermühlenweg auf Weie – Elster – und Oberes Schloss © augustustours

 

 

INFO:

AugustusTours organisiert seit 1998 individuelle Aktivreisen mit Gepäcktransport entlang der schönsten Rad- und Wanderwege Deutschlands. Neben der genauer Planung der Reiseroute kümmert sich der Reiseveranstalter um die Buchung rad- und wanderfreundlicher Unterkünfte und übernimmt zudem den Transport des Reisegepäcks von Unterkunft zu Unterkunft. Auch Tourenräder oder E-Bikes können von AugustusTours für Radreisen zur Verfügung gestellt werden. Mit über 7700 eigenen Radkilometern und mehr als 400 Wanderkilometern in den Beinen ist das Team von AugustusTours aktiv reisen ein kompetenter Ansprechpartner für Rad- und Wanderreisen in Deutschland.

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