Drucken
Kategorie: Zeitgeschehen
p kriegSerie: Sollte die EU ihre Iranpolitik nicht ändern, lassen die USA den Iran-Deal platzen, Teil 4/4

Matthias Küntzel

Hamburg (Weltexpresso) - Inzwischen ist mehr als eine Woche vergangen, ohne dass die EU oder eine der europäischen Regierungen zum Trump- Ultimatum Stellung genommen haben. Man werde sich „auf hoher Beamtenebene“ treffen, um das weitere Vorgehen, „im EU-Kreise“ abzustimmen, erklärte am 15. Januar die Bundesregierung.[12] Dass diese Abstimmung Schwierigkeiten bereitet, liegt auf der Hand, stimmen doch schon die Positionen Londons, Paris‘ und Berlins keineswegs überein.

Während zum Beispiel Emmanuel Macron und Theresa May Einiges dafür tun, um den Westen und damit den transatlantischen Laden irgendwie zusammenzuhalten, hat sich in Deutschland eine Abwehrstimmung gegen Washington etabliert, die sich aus einer Mischung von berechtigter Trump-Kritik, schnödem Antiamerikanismus und neuen deutschen Großmachtphantasien speist.

Symptomatisch für den neuen Stil war die außenpolitische Grundsatzrede, die Außenminister Gabriel am 5. Dezember 2017 in Berlin hielt. Er vertrat hier den Standpunkt, dass Deutschland beim Thema Iran „plötzlich, oder möglicherweise auf Dauer, mit den USA über Kreuz“ liege. Da aber die Partnerschaft mit den USA nicht mehr ausreiche, „um unsere strategischen Interessen zu wahren,“ müssten „Deutschland und Europa ... viel mehr tun und wagen ... als bisher.“[13] So drohte der deutsche Außenminister, dass die amerikanische Iranpolitik „uns Europäer in eine gemeinsame Position mit Russland und China gegen die USA“ treiben werde.[14]

Derartige Töne waren bisher aus London und Paris nicht zu vernehmen. Hier stießen einzelne Vorschläge der USA eher auf Zustimmung. So erklärte Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, man könne dem Atomdeal „sicherlich noch ,zwei oder drei Stützen‘ hinzufügen – etwa Vereinbarungen zu den Raketen oder zur Geltungsdauer“[15]. Macron setzte sich zudem wiederholt für neue Iran-Sanktionen ein.[16] Boris Johnson, der Außenminister Großbritanniens, räumte ebenfalls öffentlich ein, dass man über Aspekte des Atomdeals, „besonders die sunset-Regelung“, neu verhandeln müsse.[17] So ist es auch kein Zufall, dass Rex Tillerson, der amerikanische Außenminister, in der laufenden Woche lediglich in Paris und London Gespräche führen wird. „Wir legen auf eine enge Koordination mit den Briten und den Franzosen besonders viel Wert“, erklärte Tillerson, „um die Lücken des Abkommen zu schließen und um zu beraten, wie der unheilvolle Einfluss Irans in der Region eingedämmt werden kann.“[18]

Um Deutschland, das bislang darauf bestand, den Atomdeal weder anzutasten noch zu ergänzen, macht Tillerson hingegen einen Bogen. Eine „Spiegel“-Meldung, der zufolge nun ausgerechnet „Berlin die europäischen Partner dazu bewegen wolle, Irans Raketenprogramm schärfer als bislang zu ahnden“, ist deshalb mit Vorsicht zu genießen.[19]

Noch am Vortag von Trumps Ultimatum hatte sich Deutschland hinter den Atomdeal gestellt: Dieser habe nicht nur „die Sicherheit im Mittleren Osten erhöht“, sondern sei für die EU-Staaten auch „zentraler Bestandteil der nationalen Sicherheit.“[20] Je mehr Bedeutung aber dem Atomdeal beigemessen wird, umso emsiger wird jetzt auch Berlin versuchen müssen, dem Trumpschen Ultimatum Genüge zu leisten – kommt doch der amerikanische Ausstieg aus dem Atomdeal dessen Ende gleich.

Damit wiederholt sich eine Konstellation von 2007/2008: Damals hatte sich Berlin hauptsächlich deshalb an Sanktionen beteiligt, um die USA von einem Militärschlag gegen Iran abzuhalten.[21] Heute würde sich Berlin hauptsächlich deshalb an Sanktionen zu beteiligen, um die USA von einer Aufkündigung des Atomdeals abzuhalten. Allerdings bliebe auch dies eine Zitterpartie. Der unberechenbare Donald Trump könnte geneigt sein, sich mit einem lediglich symbolischen Druck auf Teheran nicht zufriedenzugeben.

Sicher ist: Der große Streit um die richtige Iran-Politik, der das deutsch-amerikanische Verhältnis seit über 25 Jahren belastet, hat mit dem Trump-Ultimatum einen neuen Höhepunkt erreicht.

Er wird, wie schon in dem Vierteljahrhundert zuvor, abgeschottet von der Öffentlichkeit in den Hinterzimmern der Diplomatie ausgetragen werden, obwohl die Antwort auf die Frage, ob sich der Iran nuklear bewaffnet nicht nur die Zukunft des Mittleren und Nahen Ostens sondern die Zukunft der Welt prägen wird. Der Ausgang des globalen Machtkampfs zwischen den schiitischen und sunnitischen Islamisten und den liberalen Demokratien hängt entscheidend davon ab, ob die Weltgemeinschaft zulässt, dass das iranische Regime Atombomben herstellen kann oder nicht. Doch eine Bundestagsdebatte, darauf kann man wetten, wird es auch über die deutsche Antwort auf Trumps Ultimatum nicht geben.

ANMERKUNGEN

[12] Regierungspressekonferenz, 15.01.2018.
[13] Sigmar Gabriel, Europa in einer unbequemeren Welt, Rede auf dem Berliner Forum Außenpolitik vom 05.12.017.
[14] Steve Holland, Trump lays out new Iran strategy Friday, complicating European ties, Reuter, World News, October 12, 2017.
[15] Reymer Klüver und Paul-Anton Krüger, Ewiger Störenfried, in: Süddeutsche Zeitung, 22.09.17.
[16] France raises prospect of new sanctions on Iran over ballistic program, Reuters, World News, November 13, 2017.
[17] Patrick Wintour, Boris Johnson to travel to US in bid to save Iran nuclear deal, The Guardian, November 2, 2017.
[18] Reuters.com, Iran to dominate many Tillerson conversations in Europe next week, 20.01.2018.
[19] Christoph Schult, Signal an Trump: Berlin treibt neue Sanktionen gegen Iran voran, Spiegel-Online, 20. 01.2018.
[20] Auswärtiges Amt, EU/E3 trifft Iran: Atomabkommen im Interesse der Weltgemeinschaft, 11.01.2018.
[21] Siehe hierzu mein Buch, Die Deutschen und der Iran, Berlin 2009, S. 281.

Foto:
© deutsch.rt.com