Drucken
Kategorie: Zeitgeschehen
a erhardepplerdeÜber Judenfeindschaft und Geschichtsrevisionismus

Constanze Weinberg

Buxtehude (Weltexpresso) – Wie es um die Demokratie in einem Lande steht, lässt sich – mit Einschränkungen - am Umgang mit Minderheiten ablesen. An Bekenntnissen zum Lebensrecht der Juden hat es nie gefehlt. Trotzdem können 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz Juden in Deutschland ihres Lebens nicht sicher sein.

Offensichtlich gibt es da ein Problem. Der vor drei Monaten verstorbene Ehard Eppler brachte es einst auf diesen Nenner: „Antisemitismus 1930 mag in die Kategorie der Torheit oder des politischen Irrtums verwiesen werden, Antisemitismus nach Auschwitz ist Ausdruck verkommenen und verluderten Menschentums.“  (Holocaust – Eine Nation ist betroffen, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main 1979). Aus Umfrage wissen wir, dass jeder fünfte erwachsene Deutsche Vorbehalte gegenüber den Juden hat und einem deutsch-völkischen Weltbild anhängt. Dabei sollte inzwischen jeder wissen, was Deutsche den Juden während der Nazizeit angetan haben.

Leider Gottes gab es immer wieder deutsche Politiker, die da meinten, sie könnten den Berg an Schuld durch Verweise auf die Schuld anderer verkleinern. Theodor Heuß nannte das 1952  „das Verfahren der moralisch Anspruchslosen“. (Reden der deutschen Bundespräsidenten“,  München  1979, Seite 20). Das hielt den CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß nicht davon ab, als Reaktion auf die amerikanische Fernsehserie „Holocaust“ das Bild Deutschlands zu schönen. „Zur deutschen Geschichte haben nicht nur Hitler, Himmler, Goebbels und Göring gehört“, sagte er im September 1979 auf einem CSU-Parteitag. „Zur deutschen Geschichte haben die großen Kaiser des Mittelalters gehört. Zur deutschen Geschichte gehören Leibnitz und Goethe und zur deutschen Geschichte gehört auch Konrad Adenauer. Das ist das echte Deutschland.“

Diese Worte muss Alexander Gauland als ehemaliges CDU-Mitglied wohl noch im Ohr gehabt haben, als er am 2. Juni 2018 auf dem Bundeskongress der AfD-Nachwuchs-Organisation „Junge Alternative“ in denselben Duktus verfiel und sagte:  „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte. Wir haben eine ruhmreiche Geschichte, die länger dauerte als 12 Jahre.“  Wie erbärmlich hört sich das an, gemessen an dem, was der Holocaust-Überlebende Elie Wiesel am 27. Januar 2000 im Deutschen Bundestag sagte: „Ich weiß, dass nicht alle Deutschen mitmachten, und auch an sie müssen wir denken. An jene, die den Mut hatten, sich gegen die amtliche Rassenideologie zu stellen. Jene, die dem totalitären Nazi-Regime widerstanden. Jene, die es zu stürzen versuchten und mit ihrem Leben dafür bezahlten. Zu Recht ehren Sie ihre Tapferkeit. Nur, leider, waren es wenige.“

Einer Vereinigung, die sich dem Erbe dieser Wenigen verpflichtet fühlt, hat eine Berliner Finanzbehörde kürzlich unter fadenscheinigem Vorwand die Gemeinnützigkeit abgesprochen und damit ihren finanziellen Ruin heraufbeschworen. Das ist die deutsche Wirklichkeit. Auf der Stirn trägt sie als Kainsmal, was Erhard Eppler verludertes Menschentum nannte. Immerhin, und das ehrt jenes andere Deutschland, das die Zeiten überdauert hat, immerhin sind 1300 Deutsche als Antwort auf das Berliner Schurkenstück der VVN-BdA  als neue Mitglieder beigetreten. Die beiden Vorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregime-Bund der Antifaschisten, Cornelia Kerth und Axel Holz, erklärten dazu: „Wir begreifen die enorme Unterstützung und Wertschätzung, die wir in den letzten Wochen erfahren durften, auch als Auftrag, unsere Anstrengungen im Sinne der überlebenden Widerstandskämpferinnen und Verfolgten des Naziregime zu verstärken.“

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, eine Frau mit feinem Gespür für die Sorgen von Menschen, die sich durch Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus bedroht fühlen, hat anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz vorgeschlagen, ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. Zum Beispiel könnten Menschen in Deutschland an einem bestimmten Tag als Zeichen der Solidarität einen Davidstern tragen. Damit würde eine bisher schweigende Mehrheit zeigen, dass sie Judenfeindlichkeit in Deutschland nicht dulde.

Foto:
Erhard Eppler
© de.wikipedia.org