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Kategorie: Zeitgeschehen
Der ehemalige Forderturm der Zeche Gneisenau in DortmundDas kritische Tagebuch. Kalenderblatt für den 15. September

Geführt von Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Als Schüler trainierten wir im „Stadion Rothe Erde“ in Dortmund, das auch „Kampfbahn Rothe Erde“ genannt wurde.

Direkt daneben wurde 1971 das „Westfalenstadion“ erbaut, das spielerische Domizil von „Borussia Dortmund“. Der Name „Rothe Erde“ erinnerte an ein großes Stahlwerk, dessen Ursprünge in Aachen lagen. Doch wir waren davon überzeugt, dass er auch eine Reverenz vor den „Roten“ war, vor allem vor den Sozialdemokraten, deren Engagement wir das soziale Netz verdankten, das uns trotz aller Wirtschaftskrisen über Wasser hielt. Ende der 1950er Jahre begann die Kohlekrise, in den 70ern die Stahlkrise. 1972 fusionierte die „Hoesch AG“, jahrzehntelang der Platzhirsch unter den rheinisch-westfälischen Stahlkochern, mit dem niederländischen Stahlunternehmen „Hoogovens“. Die Ehe hielt zehn Jahre. 1991/92 wurde Hoesch im Rahmen einer „feindlichen Übernahme“ vom hochverschuldeten Krupp-Konzern mit Hilfe von Finanzspekulanten übernommen. Krupp selbst fusionierte bald darauf mit Thyssen.

Trotz der wirtschaftlichen Turbulenzen verbreitete sich ab den späten 70ern in der Bevölkerung ein Wir-Gefühl. Das ging nicht zuletzt auf Johannes Rau zurück, der von 1978 bis 1998 Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen war. Er vermittelte allen Bürgern den Eindruck, dass es trotz Schwierigkeiten weiterginge. Dass der begonnene Strukturwandel dem Land eine neue Blüte bringen würde. Und es gab Indizien für eine technologische Wende im Ruhrgebiet. Rund um das Universitätsgelände in Dortmund-Barop gewann man früh den Eindruck, dass man sich bereits weit in der Zukunft befände. Doch dann stotterte der Motor des Fortschritts.
Das wird man Raus Nachfolger, Wolfgang Clement, nicht allein anlasten können. Dessen leicht erkennbare Absicht, baldmöglichst Karriere in Gerhard Schröders Bundeskabinett zu machen, war aber nicht förderlich. Seinem Nachfolger im Amt, Peer Steinbrück, gelang es erst recht nicht, den Menschen an Rhein, Ruhr und Lippe den Eindruck von einem Landesvater zu vermitteln. Leichtfertig verspielte er nach nur 2 ½ Jahren einen Erfolg bei den Landtagswahlen 2005. Sieger der Wahl wurde Jürgen Rüttgers (CDU), der gegenüber den Konservativen als Konservativer auftrat und gegenüber den Progressiven als Progressiver. Doch ein Bundesland, das sich mitten im nicht immer greifenwollenden Strukturwandel befand, kann nicht die Bühne sein für einen Mann ohne Eigenschaften. Insofern war der Wahlsieg von Hannelore Kraft (SPD) im Jahr 2010 nicht zufällig, auch wenn er zunächst lediglich zu einer Minderheitsregierung führte. Die Ministerpräsidentin hätte diese Chance, die ihr ein nennenswerter Teil der Wähler bot, beherzt angehen sollen. Doch es änderte sich nichts.

Vor allem in den großen Städten drohte eine unheilvolle Entwicklung. Ganze Straßenzüge entwickelten sich zu Slums. Rund um den Dortmunder Nordmarkt, einst ein attraktives Wohngebiet für Normalverdiener, machten sich Familien-Gangs aus dem arabischen und südosteuropäischen Raum breit, die von Drogenhandel, Prostitution und Menschenhandel lebten. Kreuzte wider Erwarten einmal doch die Polizei auf, zog man sich in Moschee-Gemeinden zurück. In Gelsenkirchen, Bottrop, Duisburg und selbst in Köln das gleiche Spiel. Die meisten Wähler machen in solchen Situationen keine freundliche Miene zum bösen Spiel. Sie entscheiden sich bei der nächsten Wahl anders. 2017 für Armin Laschet, der jetzt bei der Kommunalwahl trotz leichterer Einbußen bestätigt wurde.
In den kreisfreien Städten und Kreisen erhielt die CDU 34,3 Prozent (ein Minus von 3,2 % gegenüber 2014); die SPD 24,3 Prozent (ein deutliches Minus von 7 %), die Grünen sind mit 20 Prozent auch in NRW im Aufwind; denn das sind 8,2 % mehr als bei der Wahl davor. Selbst die FDP konnte sich um 0,9 % leicht verbessern auf 5,6 Prozent. Die Linke verlor einen knappen Prozentpunkt und erreichte lediglich noch 3,8 Prozent. Die AfD zählte mit ihren 5,0 Prozent zwar keinesfalls zu den Gewinnern, aber sie legte um 2,4 % zu.

Mein Land ist auf der kommunalen Ebene jetzt schwarz und grün. Die in einigen Städten notwendig gewordenen Oberbürgermeister-Stichwahlen werden mutmaßlich dieses Ergebnis bestätigen. Besonders enttäuscht bin ich, dass junge Menschen mehrheitlich für die Grünen votierten. Trotz der Erfahrungen in Hessen, wo diese Partei beispielsweise eine echte Verkehrswende verhindert und sich sogar für den Ressourcen vernichtenden Flughafen entscheidet. Erst Corona bot dem Einhalt, aber es ist unklar, wie es nach der Seuche weitergehen kann.

Foto:
Der ehemalige Förderturm der Zeche Gneisenau in Dortmund
© Medien-Redaktionsgemeinschaft