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Kategorie: Zeitgeschehen
hr inforradio.deDie USA zu  COVID-19

Andreas Mink

New York (Weltexpresso) - Überlegungen der Biden-Regierung und der Privatwirtschaft erinnern an Massnahmen in Israel und anderen Staaten. Amerikas Konservative sehen eine neue Front in den «Kultur-Kriegen».

Das Social Media-Konzerne, unzählige Websites, Geheimdienste und Kreditkarten-Firmen seit Jahren immense Daten-Mengen über Amerikaner sammeln, hat Konservative anhin kaum gestört. Doch erste Diskussionen der Biden-Regierung mit Fluglinien und anderen Unternehmen über die mögliche Einführung von Covid-Impfpässen als Teil einer allmählichen Rückkehr der amerikanischen Gesellschaft zu Normalität, werden von Rechten als neue Front in den sattsam bekannten «Kulturkriegen» um Moral und Werte gesehen. So diskutieren Tech-Riesen wie Microsoft und IBM zwar bereits auf eigene Faust, wie Impfnachweise etwa bei Reisen oder Restaurant-Besuchen als Erleichterung ins Spiel kommen könnten.

Aber republikanische Hardliner wie Majorie Taylor Greene diffamieren solche Überlegungen als von Biden oktroyiertes «Zeichen des Satans» oder Beginn einer totalen Kontrolle zwecks Unterjochung freier Bürger. Etliche Hardliner wie der Abgeordnete Madison Cawthorn oder der ex-Botschafter von Donald Trump in Berlin, Richard Grenell, ziehen bereits reflexartig Vergleiche mit Nazi-Methoden (Link). Cawthorn spricht von «Ideen, die an Nazi-Deutschland erinnern» und «Totalitarismus» – Amerika dürfe niemals eine «Zeigen Sie Ihre Papiere»-Gesellschaft werden.

Grenell wurde von Trump noch in den Beirat des Washingtoner Holocaust-Museums berufen und teilte per Twitter ein Bild aus dem Tarantino-Nazi-Thriller «Inglorious Basterds» mit der neuen Zeile: «Sie verstecken unter den Flurbrettern ungeimpfte Leute, oder etwa nicht?» Im Film ist von versteckten Juden die Rede. Grenell hatte 2019 noch lautstark gegen Nazi-Vergleiche als Instrument heutiger Debatten in der US-Politik protestiert.


Die neue Welle von Holocaust- und Nazi-Vergleiche ruft jüdische Organisation wie die ADL und Fachleute wie die Antisemitismus-Forscherin Deborah Lipstadt auf den Plan: Diese Rhetorik sei gefährlich, stelle die Realität auf den Kopf und sei schlichtweg abscheulich. Lipstadt liess den «Forward» wissen: «Man muss generell sehr vorsichtig bei Vergleichen mit dem Holocaust sein. Hier sieht es so aus, dass die Nazis Juden zum Tragen des gelben Sterns gezwungen haben, um sie zu erniedrigen, einzuschüchtern, abzusondern und zu verfolgen. Impfpässe, wie bereits in Israel eingeführt, erlauben Menschen jedoch die Rückkehr zu einem normalen Leben».

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© hr-inforradio.de
 Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 31.3. 2021