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Kategorie: Zeitgeschehen
bundesregierung.dekurtKostete  der  Afghanistan-Einsatz 12 oder 47 Milliarden Euro?

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) – Es sei irritierend gewesen, dass die Politik die Bundeswehr alleingelassen habe, als am 30. Juni die letzten deutschen Soldatinnen und Soldaten aus Afghanistan zurückkehrten,  klagte Heribert Prantl vor ein paar Tagen in der Süddeutschen Zeitung.. Sie seien ja nicht aus einem Manöver gekommen, sondern aus einem zwanzigjährigen Krieg, der 12,5 Milliarden Euro gekostet habe.

Damit greift der Chefkolumnist des Blattes auf die niedrigste Summe zurück, die in diesem Zusammenhang genannt wird. Andere Quellen beziffern die Kosten auf  47 Milliarden Euro. Der Kreisrat Axel Mayer aus Endingen wollte es genau wissen und bat den Bundesrechnungshof um Auskunft.  Der Präsident der Behörde, Kay Scheller, antwortete ebenso kühl wie kleinlaut,  dass die Ermittlung der Kosten des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan komplex sei; er könne keine allgemein akzeptierte Zahl zu den deutschlandfunk.dekurtKosten des Afghanistan-Einsatzes nennen.

Brach ein Sturm der Entrüstung in der Öffentlichkeit los? Schließlich wurde jeder einzelne Euro vom Bundestag bewilligt. Wussten die Abgeordneten denn nicht, wofür das Geld verwendet werden soll? Das ist völlig unvorstellbar und im Nachhinein fragt man sich, wozu sich Abgeordnete wählen lassen, wenn ihnen die Verwendung der Steuergelder ihrer Wähler gleichgültig zu sein scheint. Glauben manche von ihnen immer noch, was der damals verantwortliche Bundesverteidigungsminister Peter Struck von den Sozialdemokraten dem Parlament auftischte, um die deutsche Beteiligung an dem von den USA ausgerufenen Krieg gegen den Terror zu begründen?

Die Bundeswehr werde in Afghanistan nur noch gebraucht, die humanitäre Versorgung zu organisieren, sagte Struck am 16. November 2001  im Bundestag. Wer wolle denn ernsthaft widersprechen, wenn Deutschland Sanitätskräfte vor allem zur Evakuierung und Rettung von verwundeten Zivilisten bereitstelle. Bedurfte es dazu der Vertrauensfrage, die Strucks Parteifreund Gerhard Schröder seinerzeit mit der Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz verbunden hatte? Er sei der erste Bundeskanzler, der sein Schicksal mit einer Zustimmung zu Kriegseinsätzen verbinde,  erklärte der Abgeordnete Roland Klaus namens der Partei des demokratischen Sozialismus, der Vorgängerin der Linksparte, woraufhin ihm aus den Reihen der SPD-Fraktion zugerufen wurde, er rede dummes Zeug.

Während der vergangenen zwanzig Jahre waren  150 000 Soldatinnen und Soldaten zum Kriegseinsatz in Afghanistan, 59 verloren dort ihr Leben.  Wie das Verteidigungsministerium auf Anfrage der Linksfraktion mitteilte, steigt die Zahl der Soldaten, die wegen einsatzbedingter psychischer Probleme in Behandlung sind. Die Zahl der traumatisierten Bundeswehrangehörigen belief sich im vergangenen Jahr auf 1 116. Am 31. August soll nun mit einem Großen Zapfenstreich nachgeholt werden, was die Bundesregierung  versäumt hat, als die letzten deutschen Soldaten aus Afghanistan nach Deutschland zurückkehrten.

Die Abwesenheit der Politik bei der sang- und klanglosen Rückkehr  insinuiert nach Darstellung Heribert Prantls eine Frage, die offiziell nicht gestellt werde: Ob am Ende alles umsonst gewesen sei. In wenigen Monaten werden die Taliban, die das Land am Hindukusch schon jetzt  zur Hälfte kontrollieren, Afghanistan vermutlich  vollständig beherrschen. Bis dahin sorgen türkische Soldaten dafür, dass der Flughafen der Haupstadt  den Fluchtweg für die amtierende Regierung in Kabul offen hält. Dann werden die Karten im strategischen Spiel neu gemischt  und im neu gewählten Bundestag werden sich die Abgeordneten fragen müssen, wie viel Milliarden Euro ihnen die nächsten Auslandseinsätze wert sind.

Fotos:
Titel: ©bundesregierung.de
Text: ©deutschlandfunk.de