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Kategorie: Zeitgeschehen
Transparency Int Das Weichwerden der Politik im Hinblick auf Unternehmen und deren Verbände - als Lobbyismus - ist dissoziativ,  Teil 2

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Manche Abgeordnete scheinen das politische Amt so zu verstehen, dass sie dieses als ein ihnen statusgemäß Zukommendes und insofern Nebenherlaufendes begreifen.

Gegebenenfalls wird die Politik auch als Sprungbrett für weitere eigene Angelegenheiten genutzt. Zu den Diäten, rund 10 000 Euro, die sie erhalten, kommen also zuweilen Nebenverdienste. Dass Abgeordnete neben ihrem politischen Amt verdienen, ist erlaubt. In der Sache Aserbeidschan konnte Geld für eine Anzeige überwiesen werden, die dann nicht angegeben werden brauchte. Daraus zieht Abgeordnetenwatch die Erkenntnis, dass die Zuverdienst-Regeln zu lasch seien. Entsprechende Vorgänge müssten für die Öffentlichkeit sofort zu erkennen sein und wenn dagegen verstoßen werde, müsse es Sanktionen hageln.

Abgeordnete bekommen also Geld von Unternehmen. Warum wohl? – Na, weil die Unternehmen sich zumindest auch etwas davon erhoffen. Das aber kann bedeuten, „dass sie sich eher für diese Unternehmen einsetzen als für die, von denen sie gewählt wurden“. Es muss also Licht ins Dunkel der Nebenverdienste gebracht werden. Laut ARD Doku ‚Geld.Macht.Geld‘ verdient ein Drittel der Abgeordneten ‚etwas‘ hinzu. Diese Nebeneinkünfte „verteilen sich sehr ungleich auf die Fraktionen:

CDU: 20 Mill.
FDP: 7 Mill.
SPD: 3,3 Mill
AfD: 2,1 Mill.
Linke: 1 Mill.
Grüne 169 500 Tausend

Die Union hat die meisten Abgeordneten. Daher ist eine Aussage zu den Prozentanteilen zu treffen:

FDP: 51 %
CDU/CSU: 44%
SPD: 26%
AfD: 24 %
Linke: 21%
Grüne: 15%

Teils will es scheinen, dass der Bundestag nur Mittel für eigene Zwecke ist. Nach Patrick Schnieder beträgt der durchschnittliche Aufenthalt 8 Jahre. Natürlich müsse jemand auch nachher seine Brötchen verdienen. Selbständig oder unselbständig. Das Mandat selbst sorgt aber auch für Tätigkeiten. Ein Joachim Pfeiffer, energiepolitischer Sprecher der CDU, gründete lt. der ARD-Sendung „erst nach seiner Wahl in den Bundestag zwei Beratungsfirmen“. Und weiter: „Wen er berät, muss er nicht angeben“.

Es reicht anzugeben: Kunde 1, Kunde 2 usw. Hiermit greift der Mandantenschutz, der kein Einzelfall ist. Daher gilt: „Viele Nebenjobber halten geheim, für wen sie arbeiten“. Das öffnet allerlei Möglichkeiten Tür und Tor. Dadurch seien 15 Mill Euro nicht rückverfolgbar. So findet sich ein Eintrag: ‚Hat 25 000 Euro von Mandant 1 erhalten‘ (wie angezeigt wird). Wer also und was steckt dahinter? – Könnte das nicht mit einem Vergabeverfahren in Verbindung stehen. Soll etwa von einer Einflussnahme abgelenkt werden?

Zu Anfang machten wir Angaben zu Ulla Schmidt und Gregor Gysi, die hohe Summen kassieren. Doch Zweidrittel der Abgeordneten gehen keinen Nebenjobs nach und sehen das auch als Normalfall an. Dietmar Bartsch (Die Linke) trat vor den Bundestag und machte den Vorschlag, dass jeder und jede die Logos der Firmen an den Jacketts anbringen, für die sie/er arbeiten. „Dann würden manche hier im Plenum aussehen wie ein Formel-1-Fahrer (herzliches Lachen bricht aus).

Die Agrarlobby ist eine der ältesten und hartleibigsten

Ex-Mann Marco Bühler meint, dass wer seinen Job ernst nimmt, dazu Vollzeit einplanen müsse – und mehr noch. Leicht auch könne das Andere in das Zentrum rücken und damit die Repräsentation des Volkswillens verfehlt werden. Ein krasser Fall einer Amalgamierung von Amt und Tätigkeit, zu der auch Verbandsinteressen gehören, ist Johannes Röring aus dem Münsterland. Im Bundestag fungiert Johannes Röring als Obmann der CDU/CSU im Agrarausschuss, in dem Zweidrittel selbst Landwirte sind. Er hebt auf die Sachkenntnis ab, die eine solche Funktion erfordere. Wobei aber auch die Selbstinteressenvertretung hinzukommt - wenn nicht im Zentrum steht.
Der Sendungssprecher erklärt: mit dem bereits an den Sohn vererbten Betrieb in Verbindung stünden viele Posten in der Agrarbranche, unter anderem bei Versicherungen, Banken und Düngemittelindustrie. Wir selbst hatten schon aus einem Familienhintergrund heraus festgestellt, dass die Funktionäre der Bauern nicht so sehr die Interessen des ehrbaren kleinen Bauernhandwerks vertreten, als vielmehr die Interessen der Großmolkereien, der Großschlachtereien, der Futtermittelindustrie und der Agro-Chemie. Speziell die Agro-Chemie wurde zum Hit der Konzentrationsprozesse in der Landwirtschaft in der wirtschaftlich aufgestiegenen Bundesrepublik. Aber seine Unabhängigkeit will dem Senior doch wichtig erscheinen. Und die Bewohner im Wahlkreis seien eben seine Mandanten. Doch die Agrarlobby übt einen riesengroßen Einfluss auf die Politik aus.

Der alte Herr wehrt jegliche kritische Einwände ab. Er beklagt, dass die EU Deutschland wegen zu viel ausgebrachter Gülle verklagt hat. Zwischendurch wird gezeigt: Schweine in Kastenständen. Und trotzdem: auf ein Tierwohllabel hätte sich die Große Koalition nicht einigen können. Diejenigen, die auf wissenschaftlicher Basis das System Landwirtschaft wegen seines großen Drucks kritisierten, wollten einfach nur ein anderes System, so der alte Landmann mitten im Großbetrieb.

Doch nach dem Maskenskandal gab es eine Art Einlenken. Im Juni beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit die Regeln für Nebentätigkeiten von Abgeordneten zu verschärfen. Die Abgeordneten müssen künftig auch kleinere Nebentätigkeiten offenlegen. Auch dürfen sie „keine Spenden mehr annehmen und keine Honorare mehr für Reden und Vorträge“. Was wohl Peer Steinbrück dazu meint? – Die Kontrolle übt der Bundestagspräsident, der ja noch immer ein Jurist ist, aus. Doch bisher sei er immer sehr nachsichtig gewesen, wenn zu spät gemeldet wurde. Bislang hatte es auch keine Konsequenzen, wenn Abgeordnete falsche Angaben machten.

INMS verkohlt Bürgerinnen und Bürger

Die markanteste Stadtführung von Lobby-Control im Rahmen der Sendung ging zum Sitz der INMS, der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Die Führerin sprach: „Das ist irreführend“. – Die INSM nämlich sei gar keine Bürgerinitiative, sondern ein Ding von Gesamtmetall. Es handelt sich also um einen Arbeitgeberverband. Die Initiative wurde 2000 gegründet. Auch Merkel schloss sich ihr an. Sie wird mit 7 Mill. jährlich finanziert. Eigentlich geht es also um die Vertretung von Arbeitgeberinteressen, das aber wird bemäntelt durch ein gezeigtes Plakat mit der Aufschrift: ‚Deutschland fährt besser. Mit Sozialer Marktwirtschaft‘. Getrost darf die INSM als Kampfverband bezeichnet werden. Sie betreibt bald wieder Stimmung gegen die Grünen, will Politik beeinflussen und politisches Klima in ihrem Sinne schaffen, aber unter dem Deckmantel von Gemeinsinn.

Unternehmerische Parteispenden sind der Schuss ins Kontor

Das Geld, das die Parteien brauchen können, kommt auch von Unternehmen. Spenden über 50 000 Euro müssen dem Bundestag sofort gemeldet und veröffentlicht werden. So kommen Spenden auch vom Verband der Chemischen Industrie. Norbert Theihs, dessen Geschäftsführer im Hauptstadtbüro Berlin, möchte dem Satzungszweck damit zwar Genüge tun, um der Agenda des Verbands Sukzess zu geben, bestreitet aber, dass dadurch „irgendeine“ Gegenleistung erwartet werde. Vielmehr gehe es um die „Förderung der politischen Landschaft“.

Doch ist es nicht entlarvend, wenn vorzugsweise für die Union am meisten zusammenkommt, nämlich „seit der letzten Wahl 6 Mill. Euro, mehr als für alle anderen Parteien zusammen“. Politikwissenschaftler Michael Koß (Buch: ‚Demokratie ohne Mehrheit‘) sind nicht wenige Spenden an Parteien systemisch gesehen problembehaftet. Man erinnere sich an die FDP-Affäre im Vorfeld der Bundestagswahl 2009. Von der Spende von 1,1 Mill. Euro vom Eigentümer der Hotelkette Mövenpick an die FDP ist eine direkte Beziehung zur Absenkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen nicht gerade unwahrscheinlich. Die FDP schadete sich mit dieser Gunst aber, indem sie mit Abwahl aus dem Bundestag gestraft wurde. In jüngerer Zeit kam die AfD in die Schlagzeilen, weil der Kreisverband von Alice Weidel mit 132 000 Euro aus der Schweiz bedacht wurde – gestückelt in 18 Überweisungen -, denn Spenden mussten erst ab 10 000 Euro veröffentlicht werden.

Aber das ist noch nicht der Gipfel: „Bei einer Dinnerparty mit Minister Jens Spahn vergangenen Herbst wurden die Gäste gebeten, genau 9999 Euro zu spenden“ (gemachte Angaben lt. Sendung der ARD). Es bleibt also alternativlos, das anzuzeigende Spendenlimit auf weit unter 10 000 Euro herunterzudrücken. Bleibe ein solcher Rechtsrahmen aus, dann werde nach Michael Koß den Parteien immer wieder ein Skandal auf die Füße fallen. Das Fazit der Sendung: Ungleiche Machtverteilung könne zu unausgewogenen Entscheidungen führen, „die einigen nutzen, aber vielen schaden“. Mit dem Lobbyregister und seinen Transparenzregeln seien wichtige erste Schritte gemacht. Doch wenn es wirklich ernst sein soll, dann müssten die Parteien noch nachlegen.

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Info:
Geld.Macht.Politik · ARD/t24, 24.07.2021 0.45 Min.