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Kategorie: Zeitgeschehen
Wahl O Mat 2Der „Wahl-O-Mat“ bringt’s an den Tag. Teil 2

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Wahl-O-Mat hat mir die Entscheidung nicht einfacher gemacht.

75 Prozent meiner Antworten weisen eine Übereinstimmung mit dem Wahlprogramm der Linken auf. 69 Prozent sind es mit dem der Grünen, 62 Prozent mit dem der SPD. Aber kann das sein? Immerhin werfe ich der Linken ein nicht tolerierbares Maß an Irrationalität vor. Und die Grünen sind mir nach wie vor zu spießig. Der SPD kreide ich ihre zu große Kompromissbereitschaft an. Nicht, weil sie Kompromisse eingeht. Nein, weil sie ohne klare Positionen verhandelt. Vielleicht wird das an meinen Antworten auf die restlichen 19 Fragen des Wahl-O-Mats deutlich.


20. Der Bund soll mehr Zuständigkeiten in der Schulpolitik erhalten.
Im Prinzip Ja. Ob es Gründe für regionale Besonderheiten gibt, müsste geklärt werden.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Hier scheinen die Zeichen auf Veränderung zu stehen.


21. Der Bund soll Projekte zur Bekämpfung des Antisemitismus stärker finanziell unterstützen.
Ja, ohne jeglichen Vorbehalt.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Hoffentlich sind das nicht nur Lippenbekenntnisse. Denn würde eine eindeutige Mehrheit der Bevölkerung gegen Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobe und völkische Vorurteile eintreten, müssten AfD, Querdenker, Identitäre und das andere Pack längst aus Deutschland geflohen sein. 


22. Chinesische Firmen sollen keine Aufträge für den Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur in Deutschland erhalten dürfen.
Dem stimme ich zu. Allerdings müsste eine solche Regelung auch für andere Staaten gelten, die autoritär regiert werden.
SPD: Ja. Linke: Nein. Grüne: Ja. Die Haltung der Linken ist irrational und weist pathologische Züge auf.


23. Der Staat soll weiterhin für Religionsgemeinschaften die Kirchensteuer einziehen.
Nein. Denn die Trennung von Staat und Kirche (und anderen Religionen), die das Grundgesetz vorschreibt, muss endlich Verfassungswirklichkeit werden. Maßgeblich ist der Artikel 140, in dem Vorschriften der Deutschen Verfassung von 1919, insbesondere der Artikel 137 – „Es besteht keine Staatskirche“ – übernommen werden.
SPD: Ja. Linke: Nein. Grüne: Ja. SPDisten und Grüne, gebt den Christen doch die Chance zur Selbstbefreiung. Andernfalls gehen sie mangels Mitgliedern in absehbarer Zeit unter.


24. Der kontrollierte Verkauf von Cannabis soll generell erlaubt sein.
Ich bin unentschieden, weil die Frage nicht auf die medizinischen Aspekte eingeht.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Mir wäre eine klare Differenzierung lieber. Die Erfahrungen mit anderen Drogen wie Nikotin und Alkohol könnten hier helfen.


25. Deutschland soll aus der Europäischen Union austreten.
Definitiv nein! Das bedeutet aber auch, dass die EU-Gremien demokratischer verfasst sein müssen. Ein gewähltes Parlament und ein von den Einzelstaaten bestimmter Rat sind ein Widerspruch. Ohnehin sollte die politische (Ver-) Einigung im Vordergrund stehen. Das unselige Erbe der „Europäischen Wirtschafts-Gemeinschaft“ gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Dann lassen sich auch die Probleme der Währungsgemeinschaft und der EZB klären.
SPD: Nein. Linke: Nein. Grüne: Nein. Ich nehme eure Voten mal als Ausdruck von Überzeugungen.


26. Die Landeslisten der Parteien für die Wahlen zum Deutschen Bundestag sollen abwechselnd mit Frauen und Männern besetzt werden müssen.
Nein. Da Frauen und Männer gemäß dem Grundgesetz gleichberechtigt sind, muss sich das auf den Meinungsbildungsprozess in den politischen Parteien auswirken. Wird dieser jedoch den Anteilen von Frauen und Männern an der Bevölkerung nicht gerecht (was offensichtlich der Fall zu sein scheint), liegt das Problem woanders. An diese Ursachen muss herangegangen werden.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Der Weltgeist erhalte euch eure Naivität.


27. Stationäre Behandlungen im Krankenhaus sollen weiterhin über eine Fallpauschale abgerechnet werden.
Nein. Die Therapie eines kranken Menschen lässt sich nicht auf ein Kostenmodell reduzieren.
SPD: Nein. Linke: Nein. Grüne: Ja. Befürchten die Grünen vielleicht das Aus der „alternativen Medizin“, die sich als Lizenz zum Gelddrucken erwiesen hat?


28. Auf hohe Vermögen soll wieder eine Steuer erhoben werden.
Ja. Weil hohe Einkünfte und die unproportional hohe Steigerung von Vermögen der gesellschaftlichen Solidarität widersprechen, die mehrheitlich von Gering- und Normalverdienern getragen wird.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Warten wir’s mal ab.


29. Bei der Videoüberwachung öffentlicher Plätze soll Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden dürfen.
Ich neige zu einem Ja, bin mir aber der möglichen Nachteile bewusst.
SPD: Nein. Linke: Nein. Grüne: Nein. Anscheinend bin ich der Einzige, der an solchen Orten je attackiert wurde und in Beweisnot geriet.


30. Auch Ehepaare ohne Kinder sollen weiterhin steuerlich begünstigt werden.
Ja. Gemeint ist vermutlich das Ehegattensplitting. Weitere steuerliche Vergünstigungen erhalten Ehepaare eigentlich nicht.
SPD: Ja. Linke: Nein. Grüne: Neutral. Die Linke scheint ihre Basis nicht zu kennen. Und die Grünen scheuen sich vor einem klaren Ja, Ja bzw. Nein, Nein (Bergpredigt).


31. Ökologische Landwirtschaft soll stärker gefördert werden als konventionelle Landwirtschaft.
Ja. Das ist ein Gebot der Verantwortung für Natur und Klima.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Friede, Freude, Eierkuchen. Die Praxis wird’s zeigen.


32. Islamische Verbände sollen als Religionsgemeinschaften staatlich anerkannt werden können.
Nein. Gleichzeitig müssen auch christliche Gemeinschaften und Kirchen auf den Prüfstand. Denn es wäre zu klären, in welchem Umfang sie zur demokratischen Bildung und zur Kultur dieses Landes tatsächlich beitragen.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. Trotz gegenteiliger Bekundungen scheinen Rot 1 und Rot 2 sowie Grün Parteien mit einem ungeklärten Verhältnis zu Religionen zu sein.


33. Der staatlich festgelegte Preis für den Ausstoß von CO2 beim Heizen und Autofahren soll stärker steigen als geplant.
Ja, aber er sollte nicht von allen im gleichen Umfang bezahlt werden müssen. Hier müsste eine Sozialklausel als Regulativ greifen.
SPD: Nein. Linke: Neutral. Grüne: Ja. SPD und Linke denken zu kurz; falls sie denken.


34. Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll beibehalten werden.
Nein. Ihr kommt kein Verfassungsrang zu. Und sie wurde von Parteien gefordert, die den Staat für einen Krämerladen halten. Anders als bei einem Händler unterliegt die Gemeinschaft dauernden Verpflichtungen und muss in der Lage sein, zu investieren. Diese Investitionen tauchen jedoch nicht mehr im Haushaltsplan auf, wenn sie die beabsichtigten Erfolge erbracht haben.
SPD: Ja. Linke: Nein. Grüne: Neutral. Sozialdemokraten, werdet endlich wesentlich!


35. Asyl soll weiterhin nur politisch Verfolgten gewährt werden.
Ja. Für Einwanderung müssen andere Kriterien gelten.
SPD: Ja. Linke: Nein. Grüne: Nein. Liebe Linke und Grüne, setzt euch mal mit Max Webers Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik auseinander.


36. Der gesetzliche Mindestlohn soll spätestens im Jahr 2022 auf mindestens 12 Euro erhöht werden.
Ja, das ist wünschenswert.
SPD: Ja. Linke: Nein. Grüne: Nein. Ich verstehe die Linken und Grünen nicht. Oder ist ihnen der Betrag zu niedrig. O.K.


37. Der Flugverkehr soll höher besteuert werden.
Ja. Als einer der Hauptverursacher von schädlichen Emissionen muss er zahlen bzw. die Kosten in seine Beförderungstarife einkalkulieren.
SPD: Ja. Linke: Ja. Grüne: Ja. SPD und Grüne, bislang habt ihr das verhindert, obwohl es möglich gewesen wäre. Wenn ihr euch nicht eines Besseren besinnt, wer dann sonst?


38. Unternehmen sollen selbst entscheiden, ob sie ihren Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice erlauben.
Mir geht die Frage leider an der Realität vorbei. So denke ich an die Datensicherheit privater Internetanschlüsse, an die Familienverträglichkeit, an die Auslagerung von Arbeit in Wohngebiete. Aber ich habe noch keine überzeugenden Antworten gefunden.
SPD: Nein. Linke: Nein. Grüne: Nein. Ob die Parteien darüber mehr nachgedacht haben als ich??

Foto:
Wahl-O-Mat
© Bundeszentrale für politische Bildung