Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) – Dieser Tage erreichte mich eine Nachricht meines Modellflugvereins, die mir den Atem verschlug. Und zwar hieß es darin, dass aufgrund einer EU-Verfügung Personen mit russischer Staatsangehörigkeit – auch wenn diese eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen - den europäischen Luftraum nicht benutzen dürfen. Auch die Überlassung von Fluggeräten jeder Art an diesen Personenkreis sei untersagt.
Das heißt mit anderen Worten, dass russische Modellflieger unser behördlich zugelassenes Fluggelände nicht benutzen dürfen, auch wenn sie die üblichen Voraussetzungen wie Pilotenschein und gültige Versicherung erfüllen. Für den genannten Personenkreis besteht ab sofort auf unserem Platz Flugverbot.
Bei der Maßnahme handelt es sich um eine Reaktion auf den vom russischen Präsidenten Putin angezettelten Krieg gegen die Ukraine. Ich frage mich allerdings, was ein russischer Modellflieger, der sich, aus welchen Gründen auch immer, in Deutschland aufhält, mit dem Krieg in der Ukraine zu tun hat. Verliert er seine Rechte als Mensch, weil er einen falschen Pass besitzt? Darf er den Luftraum über unserem Platz nicht benutzen, weil das Staatsoberhaupt seines Landes etwas getan hat, auf das er selbst nicht den geringsten Einfluss hatte? Ist ihm vielleicht auch verwehrt, die Bank vor unserem Vereinsheim zu benutzen, so wie Juden während der Nazizeit Parkbänke nicht benutzen durften, weil eine Tafel mit entsprechender Aufschrift ihnen das verwehrte?
Da die erwähnte EU-Richtlinie den gesamten deutschen Luftraum betrifft, dürfen Modellflieger mir russischer Staatsangehörigkeit ihrem Hobby in der gesamten Bundesrepublik Deutschland nicht mehr nachgehen. Das Beispiel hat längst Schule gemacht. Am Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald durften Vertreter Russlands nicht an der üblichen Feier auf dem früheren Appellplatz des Lagers teilnehmen, um der 15.000 sowjetischen Gefangenen zu gedenken, die im KZ Buchenwald ihr Leben lassen mussten. Auch den Vertretern Weißrussland wurde der Zutritt verweigert.
Der bürgerschaftliche deutsche Verein „Zug der Erinnerung“ hat in einer geharnischten Protesterklärung daran erinnert, dass die Ehrung der sowjetischen Opfer nicht der Autorität deutscher Stellen unterliegt. Sie seien als Angehörige ihrer Nation und ihres Staates gestorben, weil sie als slawische „Untermenschen“ und Angehörige der „jüdischen Rasse“ vernichtet werden sollten. Niemand habe das Recht, diesen Zusammenhang zu zerreißen und diese Opfer für heutige politische Zwecke zu benutzen. Noch immer warteten die Angehörigen von hunderttausenden nach Deutschland verschleppten Zwangsarbeitern auf eine angemessene Entschädigung. Wörtlich heißt es weiter:
„Dass ausgerechnet die Erben der deutschen NS-Täter den staatlichen Erben der slawischen und jüdischen Opfer verbieten wollen, ihrer Angehörigen am Ort des Verbrechens angemessen zu gedenken, stellt einen Akt der Anmaßung und versuchten Entwürdigung dar. Wir rufen dazu auf, die Orte des Gedenkens in den kommenden Tagen aufzusuchen und die Gräber der Staatsbürger der UdSSR zu ehren.“
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