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Kategorie: Zeitgeschehen
Bildschirmfoto 2022 05 04 um 05.18.07Putin missbraucht Antifaschismus für Kriegszwecke

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) -  Wie weit ist der Präsident der Russischen Föderation, Putin, eigentlich mit seiner Idee gekommen, die Ukraine entnazifizieren zu müssen? Siebzig Tage nach seinem Überfall auf das Nachbarland wurde aus keiner einzigen eroberten Stadt der Ukraine gemeldet, dass dort mit der Entnazifizierung begonnen worden sei. Somit erweist sich Putins antinazistischer Gestus als das, war er immer gewesen ist: ein Popanz. Da segelt eine atomar gerüstete Weltmacht und falscher Flagge gegen einen kleinen Nachbarn, der Russland, gemessen an seiner militärischen Macht, nicht das Wasser reichen kann.

Für die internationale antifaschistische Bewegung bedeutet der Missbrauch des Antifaschismus zur Bemäntelung eines Angriffskrieges einen schweren Rückschlag.  Er  zerstört ihr politisch-moralisches Fundament, das Eintreten für eine Welt des Friedens und der Freiheit. Das Internationale Auschwitz-Komitee äußerte sich entsetzt und voller Schmerz zu dem Überfall auf die Ukraine. Nie hätten die Überlebenden des Holocaust und die ehemaligen Häftlinge der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager gedacht, dass ein russischer Staatsmann Europa in die Finsternis eines Krieges zurücktreiben würde. Sie empfänden es als eine „zynische und tückische Lüge“, sich auf  Begriffe wie Völkermord und Entnazifizierung zu beziehen. Das sei ein Missbrauch der Erinnerung an die Opfer der Nazis.

Ähnlich empört reagierte die israelische Regierung auf die Behauptung des russischen Außenministers Lawrow, dass sein Land in der Ukraine gegen Nazis kämpfe. Dass der ukrainische Präsident Selenskij Jude sei,  wolle „nichts heißen“. Der israelische Außenminister Lapid verlangte eine Entschuldigung aus Moskau. Er sprach von einer „unverzeihlichen, skandalösen Äußerung“.  Ministerpräsident Bennett verlangte, der Missbrauch des Holocaust als politisches Werkzeug müsse sofort aufhören.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten  verurteilte „auf das Schärfste“ den Angriff auf die Ukraine, der weiteres großes Leid über das ukrainische und das russische Volk bringen werde. Einen langfristigen Frieden in Europa werde es nur geben, wenn Großmachtstreben, Nationalismus und Chauvinismus in allen Ländern überwunden würden. Wirtschaftliche Kooperation und kultureller Austausch auf Augenhöhe zwischen großen und kleinen Staaten könnten die Wunden der Geschichte heilen. Deutschland als Nachfolgestaat des NS-Regimes trage dafür eine besonders große Verantwortung.

Die großen Entscheidungen treffen freilich andere. Nach den Worten des russischen Außenministers Lawrow ist die Gefahr eines Atomkrieges „ernst und  real und wir dürfen sie nicht unterschätzen“.  Der amerikanische  Verteidigungsminister Austin erwiderte, jedes Gerade über den Einsatz von Atomwaffen sei sehr gefährlich und wenig hilfreich. „Niemand will einen Atomkrieg. Niemand kann das gewinnen.“

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