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Kategorie: Zeitgeschehen
mdrukraineSiegchancen tendieren laut Süddeutsche Zeitung „gegen null“

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) – An Eindeutigkeit gegenüber der Ukraine lasse es Bundeskanzler Scholz nicht fehlen, konstatierte wenige Tage vor dem G-7-Gipfel in Elmau, Tomas Avenarius, in einem Leitartikel der Süddeutschen Zeitung vom 24. Juni.

Es frage sich nur, worauf der Regierungschef genau hoffe. Dass Putin seine kolossale Fehleinschätzung einsieht würde bedeuten, dass er seinen Angriffskrieg abbricht und sich mit seinem ukrainischen Gegenspieler Selenskij an den Verhandlungstisch setzt. „Warum aber sollte der russische Kriegsherr das in absehbarer Zeit tun“, fragt der Leitartikler.

Bis die Waffen in der Ukraine schweigen, könnten laut Nato-Generalsekretär Stoltenberg Jahre vergehen. Das Gemetzel werde wohl erst enden, wenn einer der beiden Gegner im Wortsinn  ausgeblutet sei. So wie es derzeit aussieht, werde das eher die Ukraine sein und nicht Russland.

Seit längerem, wenn auch kaum merklich, verschiebe sich der Frontverlauf zum Vorteil Russlands. Längst mehrten sich die Klagen ukrainischer Frontsoldaten über fehlende Munition. Die Ersten desertierten. Die anhaltenden Verluste träfen eine Generation ukrainischer Soldaten, die am höchsten motiviert sei. Von Kriegsmüdigkeit sei dennoch wenig zu spüren.

Präsident Selenskij beschwöre die Rückeroberung aller Donbas-Gebiete, auch die Krim wolle er befreien. Er werde wissen, dass das vorerst unerreichbar sei. Aber er müsse es sagen, um den Durchhaltewillen zu stärken. Berechtigte Zweifel am versprochenen Triumph und die Suche nach einem politischen Kompromiss trügen das Stigma des Verrats. Ein Kriegsende oder wenigstens ein Waffenstillstand seien nicht in Sicht.

Die Unterstützer der Ukraine in Washington, London und Berlin könnten den allmählichen Vormarsch von Putins Armee nur stoppen, wenn sie weiter reichende Geschütze und Raketenwerfer lieferten, was sie nicht tun würden, weil die Nato zur Kriegspartei würde. Könne die Ukraine so siegen? Dass der Kremlchef seine „militärische Spezialoperation“ beendet, bevor er einen guten Teil seiner Ziele erreicht hat, sei unrealistisch. Dass er seinen Angriffskrieg abbrechen muss, weil ihm das Geld ausgeht, sei auch nicht wahrscheinlich. China und Indien kauften zum Vorzugspreis das Öl, auf das die Europäer unter Mühen verzichteten.

Wenn die Folgen des Ukrainekrieges spürbar würden, resümiert der Verfasser des Leitartikels in der Süddeutschen Zeitung, dürfte es für Bundeskanzler Scholz und seine Mitstaatsmänner schwieriger sein, Solidarität einzufordern. Dies wäre ein Grund, in Kiew konsequenter an eine notwendigerweise akzeptable Verhandlungslösung zu denken. Was einen ukrainischen Sieg mit der Rückeroberung aller Gebiete samt der Krim angehe, so sei der Wunsch verständlich. „Aber die Chancen tendieren gegen null.“

Foto:
Donbass
©mdr.de