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Kategorie: Zeitgeschehen
wikipediaBlutiger Regierungswechsel in Indonesien

FIR

Berlin (Weltexpresso) - Im Herbst 1965 begann in Indonesien eine der blutigsten Verfolgungsaktionen gegen linke Kräfte, die nach unterschiedlichen Berichten weit über eine Millionen Tote zählte. 
Während Frankreich und die USA in Indochina mit militärischer Macht versuchten, die antikolonialen Bewegungen aufzuhalten, war es Indonesien gelungen nach dem Ende der japanischen Okkupation sich im August 1945 für unabhängig zu erklären.

Zwar versuchte die vorherige Kolonialmacht Niederlande noch bis 1949 mit „Polizeiaktionen“ ihre Herrschaft wiederherzustellen, aber dazu war ihre militärische Kraft zu schwach und zudem erhielten die Niederlande keine Unterstützung durch die USA, die die Hoffnung hatten, sich mit der bestehenden Macht arrangieren zu können. 

Und so gelang es Präsident Sukarno das Land auf einem Weg zu führen, der tatsächlich zwischen den Blöcken zu einer gewissen Unabhängigkeit führte. 1955 war Indonesien Gastgeber der Konferenz zur Gründung der Blockfreien-Bewegung („Bandung-Konferenz“). Innenpolitisch setzte Sukarno auf einen Ausgleich zwischen Nationalismus, Religion und Kommunismus, denn die Kommunistische Partei Indonesiens war nicht nur eine wichtige Kraft in der antikolonialen Bewegung, sondern sie mobilisierte die Kräfte in der Gesellschaft. Insgesamt sprach die Partei in ihren Medien Mitte der 1960er Jahre davon, dass sie 18 Millionen Mitglieder und Anhänger habe – darunter die Gewerkschaft Sobsi, die Volksjugend, die Frauenbewegung Gerwani sowie die Bauernfront BTI. Mit dieser Unterstützung war Sukarno in der Lage, auch große Teile des Eigentums der früheren Kolonialherren zu verstaatlichen und die Ressourcen zum Aufbau des Landes einzusetzen. 

Indonesien war kein sozialistisches Land, dennoch wurde diese Entwicklung von den USA und insbesondere dem CIA und Militär mit großer Besorgnis beobachtet. Tatsächlich fanden vermehrt Beratungen zwischen hochrangigen indonesischen und US-amerikanischen Militärs statt, so dass es die Sorge gab, dass hier konkrete Pläne für den Sturz der Regierung Sukarno geplant würden. Das hätte bedeutet, dass die antikolonialen Kräfte, Gewerkschafter und Kommunisten ausgeschaltet würden und eine außenpolitische Kehrtwende in Richtung USA zu erwarten war. 

In dieser Situation gab es einen militärischen Vorstoß aus den Reihen der Leibgarde Sukarnos, der bis heute nicht hinreichend erklärt ist. In der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 1965 wurden sechs ranghoher Armeegeneräle, die sich der Komplizenschaft mit der CIA schuldig gemacht haben soll, verhaftet und getötet. Über den staatlichen Rundfunksender in Jakarta wurde am Morgen des 1. Oktober die Konstituierung eines »Revolutionsrats« bekanntgegeben, der jedoch von keiner politischen Bewegung getragen war. So dauerte es nur wenige Stunden bis die militärische Eliteeinheit Kostrad den „Putsch“ am Abend des 1. Oktober niedergeschlagen hatte. 

Was jedoch folgte, war eine gnadenlose Rache der Sieger. Als verantwortlich für den Putsch wurde die KP Indonesiens bezeichnet. In den folgenden Monaten fanden mit Unterstützung von religiösen Führern und Großgrundbesitzern landesweit „Säuberungsaktionen“ gegen tatsächliche und vermeintliche Mitglieder und Sympathisanten der Kommunistischen Partei statt. Armee und paramilitärische Einheiten begannen einen Massenmord, den sie selbst „Musim Parang“ (Saison der Hackmesser) nannten. Verantwortlich für diese Milizen war der General und spätere Präsident Suharto. Durch die Veröffentlichung von Dokumenten der Geheimdienste ist bekannt, dass bei diesen Mordaktionen nicht nur der CIA, sondern auch weitere westliche Geheimdienst bis zum israelischen Mossad eingebunden waren. Sukarno musste im März 1966 seine Macht de facto an Suharto abgeben, und ein Jahr später war dieser de jure Indonesiens neuer Präsident. Das Land zeigte sich fortan als verlässlicher Partner der USA. Über die Massaker wurde viele Jahrzehnte der „Mantel des Schweigens“ gebreitet. 

2022 wurde dieses Thema –aber in einem vollkommen anderen Zusammenhang – in die internationale Öffentlichkeit gebracht. Anlässlich der Weltkunstausstellung documenta15 präsentierte ein indonesisches Künstler-Kollektiv Taring Padi, bezugnehmend auf diese Massaker ein großformatiges Agitationsbanner („Peoples Justice“), das jedoch wegen „Antisemtitismus“-Vorwurf nach wenigen Tagen wieder abgehängt werden musste. Bezeichnend war, dass weltweit über den „Antisemitismus“ berichtet wurde, aber nur wenige linke Zeitschriften sich damit beschäftigten, was der historische Hintergrund dieses Banners war, nämlich das politische Massaker an der kommunistischen Bewegung in Indonesien vor nunmehr 60 Jahren.

Foto:
©Wikipedia

Info:
Quelle: FIR Newsletter 2025-40 dt.
FIR: Fédération Internationale des Résistants, internationale Dachorganisation von Verbänden antifaschistischer Widerstandskämpfer