Drucken
Kategorie: Zeitgeschehen

Fritz Bauer: Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns

 

Nadja Thelen-Khoder

 

Köln (Weltexpresso) - Vom 22. April bis zum 21. August 2016 findet im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln am Appellhofplatz (1) eine Ausstellung des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt statt mit dem Titel „Fritz Bauer. Der Staatsanwalt - NS-Verbrechen vor Gericht“ (2) statt; die Kultursendung „Skala“ des 5. WDR-Radiosenders (3) berichtete gestern zur Ausstellungseröffnung um 19 Uhr.

 

In den letzten drei Jahren seien drei Filme über Fritz Bauer erschienen, meinte die Moderatorin, und ich wunderte mich. Denn Ilona Zioks „Fritz Bauer. Tod auf Raten“ (4) erhielt schon vor fünf Jahren die Ehrung „Dokumentarfilm des Monats Januar 2011“ von der „Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW)“.

 

Auch wurde im Bericht zur Ausstellung die kleine 35seitige Schrift, die Fritz Bauer so gern als Schullektüre gesehen hätte, nicht erwähnt: „Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns“, erschienen in Stuttgart 1965 in der Europäischen Verlagsanstalt (EVA).

 

Diese Schrift, gegen deren Verbreitung der Historiker und spätere Bundeskanzler
Helmut Kohl noch Anfang der 60er Jahre in einer öffentlichen Veranstaltung argumentierte, ist nicht im Buchhandlung erhältlich. Gott gebe, daß sie wirklich einmal Schullektüre wird! Fritz Bauer schreibt darin u.a.

 

zum „Heiligen Römischen Reich (Deutscher Nation)“, von dem Friedrich August Freiherr von der Heydte und seine „Abendländler“ im CEDI (Centro Europeo de Documentación e Información) und sein „Orden der Ritter vom Heiligen Grabe zu Jerusalem“ (Ordenskürzel OESSH) mit ihrem Kreuzzugsmotto „Deus lo vult“ (siehe www.oessh.net) so angetan waren bzw. sind
- „Das alte Rom war cäsarisch, nicht demokratisch ...“ -

und zu „Ordnungssinn“ und „Sachlichkeit“: „Im Dritten Reich haben wir erlebt, daß die Generäle groteskerweise zu erklären pflegten, sie seien Generäle und Offiziere, aber keine Politiker. Die Politik überließen sie Hitler. Für sie, sagten sie, trügen sie keine Verantwortung. Das waren Generäle, aber keine Menschen.


Man hat oft zwei Typen europäischer Menschen unterschieden; der eine Typus denkt vorzugsweise an Ordnung, der andere an Freiheit. Der Rechtsphilosoph Gustav Radbruch, Justizminister der Weimarer Republik, ..., schrieb einmal, dem Menschen mit Ordnungssinn verdankten wir Großes; er könne aber zuzeiten zu kulturbedrohender Übertreibung neigen. ...“

 

1945 war Friedrich August Freiherr von der Heydte hochdekorierter Major. In seiner Autobiographie „ ,Muß ich sterben, will ich fallen’. Ein Zeitzeuge erinnert sich“ (Berg am See 1987, Vowinckel) schreibt er auf S. 155 exakt die Worte, die Fritz Bauer beklagte: „Im übrigen habe er Befehl, mein Regiment der SS-Division ,Götz von Berlechingen’ zu unterstellen. Er selbst enthebe mich hiermit des Befehls über mein Regiment und teile mir mit, daß ich mich vor seinem Divisionskommandeur wegen der Aufgabe von Carentan noch am Abend zu verantworten habe.

Meine Wut über diese Großschnäuzigkeit dürfte verständlich sein. Doch Befehl ist Befehl“.

 

Fritz Bauer in unter X. auf S. 26f: „Die Deutschen wurden auf ihre sachliche Arbeit ausgerichtet. Dem Anspruch des Staates auf Machtentfaltung nach außen und innen entsprach die Forderung nach fragloser, mechanischer Disziplin des Untertanen. Hier galt die Ideologie ,Gesetz ist Gesetz’ und ,Befehl ist Befehl’, sie sicherte Präzision.“

 

Hans Roths (5) ehemaliger Professor in Würzburg, der nach seiner Anzeige gegen DER SPIEGEL 1962 wegen „Landesverrat“ (6) zum Brigadegeneral der Reserve ernannt wurde und Autor des Buches „Der moderne Kleinkrieg“ (Würzburg 1972, neu erschienen 1986 in Wiesbaden mit einem Vorwort von LaRouche von den „Patrioten für Deutschland“, denen sich der Freiherr verbunden wußte) und so vieler anderer Publikationen war, der „Fallschirmprofessor“ (7) und „Rosenkranzparachutist“ (8) Friedrich August Freiherr von der Heydte, erhielt nach Dutzenden anderer Orden und Ehrenzeichen 1987 das Bundesverdienstkreuz.

 

Fritz Bauer nie.

 

Wie sehr erschrecken mich nicht nur diese Zeilen von Hans Roths Jura-Professor am „Institut für Wehrrecht“ mit seinem „Völkerrecht“ und seinem „Abendland“ am Ende von „Muß ich sterben, will ich fallen“:

 

Steigt ein Heydte in den Sattel
Für des Kaisers Majestät,
In der Faust den blanken Degen,
Auf den Lippen ein Gebet:
Pflicht und Ehr’
Und nicht mehr
Werden ihn dann leiten!

...

Zeigt dem Feind: Hier ficht ein Heydte,
Seinen tapfern Ahnen gleich,
Ritterlich für Pflicht und Ehre,
Für das Heil’ge Röm’sche Reich:
Pflicht und Ehr
Ruft zur Wehr
Ge’n den Feind zu reiten“

 

Und wie wunderschön könnte Jura sein, wenn sie Fritz Bauer folgen würde:

 

Eine Politik im Dienste des Rechts eines jeden auf Glück wird aber nicht nur in politischen Zirkeln, durch Diskussionen und Wahlen getrieben. Jede Stunde des Alltags gibt allen Gelegenheit dazu, zu Hause, bei der Arbeit, auf der Straße, im Umgang und in Zusammenarbeit mit den Menschen aller Stände, Rassen und Weltanschauungen. Goethe hat einmal gesagt: ,Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst.’ Leben meint Leben und Lebenlassen, heißt das Leben und alle Menschen lieben. Das ist, gerade weil es mitunter recht schwerfällt, jedenfalls heroischer, als die Menschen zu quälen, zu plagen und totzuschlagen.“ (Schluß von „Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns“)

 

Ilona Ziok und ihrem wunderbaren Film „Fritz Bauer. Tod auf Raten“ (Produzent:
Manuel Göttsching) ist es zu danken, daß Fritz Bauer auch im Ausland immer bekannter wird. Der Film ist noch nicht im Handel.

 

Ob Fritz Bauer wohl auch Friedrich August Freiherr von der Heydte gekannt hat?

 

Zeigt dem Feind: Hier ficht ein Heydte,
Seinen tapfern Ahnen gleich,
Ritterlich für Pflicht und Ehre,
Für das Heil’ge Röm’sche Reich:
Pflicht und Ehr
Ruft zur Wehr
Ge’n den Feind zu reiten“

 

oder:

 

Leben meint Leben und Lebenlassen, heißt das Leben und alle Menschen lieben.“

 

Mehr auf http://www.heise.de/tp/foren/S-Fritz-Bauer-Die-Wurzeln-faschistischen-und-nationalsozialistischen-Handelns/forum-152348/msg-25488647/read/.

 

Der Freiherr und der Citoyen. Für Fritz Bauer und Hans Roth. Die Geschichte geht weiter ...

 

Denn: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." (Grundgesetz, Artikel 1)

 

 

Anmerkungen:

 

 

(1) http://www.museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/pages/286.aspx?s=286

(2) http://www.fritz-bauer-institut.de/fileadmin/downloads/Fritz-Bauer-Ausstellung_Koeln.pdf

(3) www.wdr5.de

(4) www.fritz-bauer-film.de

(5) „Report Baden Baden“ von 31.10.1978: http://www.swr.de/report/-/id=233454/did=4124476/pv=video/gp1=4247576/nid=233454/1xu68mf/index.html
und
„Report Mainz“ vom 1.12.2008: http://www.swr.de/report/-/id=233454/did=4124472/pv=video/gp1=4248512/nid=233454/1nob9as/index.html

(6) http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5285:ein-abgrund-von-landesverrat&catid=88:lust-und-leben&Itemid=497

(7) Hans Speidel, zitiert nach Birgit Aschmann: „ ,Treue Freunde...’? Westdeutschland und Spanien 1945-1963“ (Stuttgart 1999; Franz Steiner Verlag); darin: Kapitel 5.4.3 „Die Abendländische Aktion und das CEDI“, S. 425-435

(8) Hermann Göring, zitiert nach H. v. Bergh, Herausgeber von „ ,Muß ich sterben, will ich fallen’. Ein Zeitzeuge erinnert sich“, Berg am See 1987

 

 

Forum“ zur Sendung „Report Mainz“ vom 1.12.2008:

http://www.swr.de/forum/read.php?2,34480