Gluecksfall1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. April 2024, Teil 5

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) – Fanny
(Lou de Laâge) und Jean Fournier (Melvil Poupaud) wirken wie ein perfektes Ehepaar. Beide sind beruflich erfolgreich, leben in einer großen Wohnung in einem der angesagtesten Viertel in Paris, sind in ihren Kreisen hervorragend vernetzt und scheinen so verliebt zu sein, wie am ersten Tag. Fanny arbeitet bei einem angesehenen Auktionshaus und Jean ist als - wie er sagt - Steuervermeidungsspezialist tätig. Allerdings wird von seinen Bekannten gemunkelt, dass in seiner Firma nicht alles mit rechten Dingen zugeht.


Doch erst auf den zweiten Blick merkt man, dass Fanny sich manchmal fehl am Platz fühlt, denn bei den häufigen Partys von Jean wird deutlich, dass Fanny dort wie seine Trophäe wirkt, in denen sie ihre repräsentativen Verpflichtungen erfüllt und sich eigentlich bei den Veranstaltungen und dem Tratsch der Gäste nur langweilt. Eine regelmäßige Diskussion – hinter dem Rücken des Hausherrn - dabei ist, dass Jeans Geschäftspartner plötzlich verstorben ist und es möglicherweise Unregelmäßigkeiten in der Firma gegeben haben könnte.

Fanny hat bereits eine unglückliche Ehe mit einem Künstler hinter sich und wird von ihrer Mutter Camille Moreau (Valérie Lemercier) angehalten, die Sicherheit der Beziehung zu genießen, auch wenn Fanny die Wochenend- und Jagdausflüge ihres Mannes genauso wenig zusagen wie dessen etwas geschwätziger Freundeskreis.

Auf dem Weg zu ihrem Auktionshaus wird Fanny plötzlich von einem jungen Mann angesprochen, der sie wieder erkennt, denn Alain Aubert (Niels Schneider) und Fanny waren früher in New York einmal Klassenkameraden. Alain lädt sie zum Mittagessen ein und macht auch kein Geheimnis daraus, dass er schon in der Schule an Fanny interessiert war.


Alain ist Schriftsteller, der eigentlich in London lebt. Er hat in Paris für sechs Monate eine kleine möblierte Dachwohnung gemietet und will dort an seinem neusten Roman arbeiten. Fanny und Alain beginnen sich regelmäßig zum Essen und im Park zu treffen. Dabei kommen sich die beiden immer näher und es entwickelt zwischen ihnen eine leidenschaftliche Romanze.

Allerdings will Fanny ihre Ehe mit Jean weiter aufrechterhalten. Doch liebt sie ihn wirklich? Langsam zeigt sich aber auch, dass Jean noch eine ganz andere Seite hat, von der Fanny nichts ahnt oder nichts wissen will. Dabei ist Jean längst nicht so naiv, wie Fanny und ihre Mutter vermuten. Außerdem zeigt sich, dass er anscheinend in diverse dubiose Geschäfte verwickelt ist.

Als Alain dann plötzlich verschwindet und Fannys Mutter Camille etwas länger bei den Fourniers wohnen bleibt, beginnt sie sich in der Jeans Arbeitszimmer etwas umzusehen und hat dadurch einen für sie sehr gefährlichen Verdacht…


Gluecksfall2
Da Woody Allen durch die Missbrauchsvorwürfe einer der Adoptivtöchter seiner ehemaligen Frau es schwer hat, in den USA seine Filme finanziert zu bekommen, hat er sich in Europa Finanziers gesucht. Deshalb ist der 50. - und möglicherweise letzte - Film des 87jährigen in Paris in Französisch mit französischen Stars gedreht worden. Neben den Hauptdarstellern Lou de Laâge, Valérie Lemercier, Melvil Poupaud und Niels Schneider konnte Allen auch für kleinere Rollen bekannte französische Schauspieler gewinnen, wie z.B. Guillaume de Tonquédec als ewig Klatsch erzählender Marcel Blanc und Elsa Zylberstein als dessen Frau Caroline, beide sind Freunde von Jean, die regelmäßig bei seinen Partys und Jagdausflügen auftauchen.

Die vier Hauptdarsteller machen ihre Sache sehr gut. Lou de Laâge zeigt als Fanny, was sie von ihrem deutlich älteren aber erfolgreichen Ehemann erwartet. Sie möchte nach einer ersten Ehe mit einem wenig erfolgreichen Künstler, die finanzielle Sicherheit, die ihr Jean bietet. Dafür ist sie auch bereit, sich wie eine Trophäe herumreichen zu lassen, auch wenn sie sich dadurch verletzt fühlt.

Doch irgendwann hat auch Fanny genug und lässt sich auf regelmäßige Treffen mit Alain ein, denn dort kann sie das finden, was ihr in ihrer Ehe fehlt - einem Mann mit dem sie auf Augenhöhe sprechen kann, der ihre Bedürfnisse ernst nimmt und der auch noch in sie verliebt ist. Der franko-kanadische Darsteller Niels Schneider, der u.a. aus Filmen von Xavier Dolan bekannt geworden ist, spielt Alain als netten und recht naiven jungen Mann, der in Paris eigentlich nur seinen Roman schreiben wollte und der dann plötzlich seine Flamme aus der Schulzeit wieder trifft. Alain bringt durch seine Art Fanny dazu, darüber nachzudenken, ob sie nicht doch – trotz aller Sicherheit - ihren Mann – wieder für einen Künstler - verlassen sollte.

Melvil Poupaud verkörpert Fannys Ehemann Jean als besitzergreifenden Finanzjongleur, der ganz klar seinen Vorteil in einer Ehefrau wie Fanny sieht. Poupaud spielt seine Rolle mit einer regelrecht ansteckenden Freude am Schmierigen. Er wird vom Regisseur auch dadurch karikiert, dass er in seiner Pariser Luxuswohnung, jeden, der nicht schnell genug ″nein″ sagen kann, in sein geräumiges Spielzimmer schleppt, um ihm die neuste Anschaffung für seine riesige Eisenbahnanlage zu zeigen.

Doch als Jean herausfindet, was seine Frau so treibt, dann zeigt er noch ein ganz anderes Gesicht, denn Jean hat auch sehr gute Kontakte zur Pariser Unterwelt, die dann eiskalt die Aufgabe bekommen den Nebenbuhler möglichst unauffällig verschwinden zu lassen. Denn Jean ist sich sicher, dass er mit Geld alles regeln kann.

Als Alain dann plötzlich verschwindet, taucht bei Fanny ihre Mutter auf, die Jean eigentlich vergöttert, dann aber in seinem Arbeitszimmer etwas findet, was sie eigenhändig Ermittlungen aufnehmen lässt. Valérie Lemercier spielt Camille Moreau mit hintergründigem Witz als Hobby-Detektivin ganz hervorragend, die sich immer mehr in Gefahr begibt, weil sie ihrem Schwiegersohn nachspioniert. Dabei erkennt sie Ereignisse und Verhaltensweisen bei Jean, die ihre Tochter erst einmal nicht wahr haben will.

Woody Allen schafft es, der zu Beginn doch recht harmlose Gesellschaftskomödie urplötzlich einen ganz anderen Touch zu geben. Denn auf einmal entpuppt sich die Story immer mehr und ziemlich unerwartet als spannenden Thriller, der aber niemals seine Leichtigkeit und seinen Komödiencharakter verliert.

Gluecksfall3Insgesamt hat Woody Allen mit ″
Ein Glücksfall″ ganz sicher seinen besten Film der letzten Jahre gedreht. Wie bei Allens amerikanischen Filmen kommt auch hier das herbstliche Paris ganz besonders gut zur Geltung. Paris bildet den perfekten Hintergrund für eine wunderbar leichte Gesellschaftskomödie, die aber in der zweiten Filmhälfte doch auch noch ein paar makabre Pointen bereithält mit einem so nicht erwarteten Ende. Deshalb bietet der romantische Thriller eine geglückte Symbiose aus tiefschwarzem Humor und Ernsthaftigkeit. Das macht Woody Allens möglicherweise letzten Film zu einen gelungenen und unbedingt sehenswerten Kinoerlebnis.

Foto 1: Fanny Fournier (Lou de Laâge) und Jean Fournier (Melvil Poupaud) © 2023 Gravier Productions Inc / Weltkino
Foto 2: Fanny Fournier (Lou de Laâge) und Alain Aubert (Niels Schneider) © 2023 Gravier Productions Inc / Weltkino
Foto 3: Camille Moreau (Valérie Lemercier) und Jean Fournier (Melvil Poupaud) © 2023 Gravier Productions Inc / Weltkino

Info:
Ein Glücksfall (Frankreich 2024)
Originaltitel: Coupe de chance
Genre: Drama, Komödie, Thriller
Filmlänge: ca. 93 Min.
Regie: Woody Allen
Drehbuch: Woody Allen
Darsteller: Lou de Laâge, Valérie Lemercier, Melvil Poupaud, Niels Schneider, Elsa Zylberstein, Grégory Gadebois, Guillaume de Tonquédec, Sara Martins, Yannick Choirat, Arnaud Viard, Anne Loiret u.a.
Verleih: Weltkino Filmverleih GmbH
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 11.04.2024