evilSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. April 2024, Teil 12

Redaktion

Tokio (Weltexpresso) - Ryūsuke, können Sie uns etwas über die Erfahrungen in Bezug auf diese für Sie neue Arbeitsweise erzählen?


Der Kern der Produktion bestand darin, Videomaterial für die Live-Performance von Eiko Ishibashi zu erstellen. Das bedeutete natürlich, dass ich den Film nicht wie zuvor anhand von Dialogen entwickeln konnte. Das war der größte Unterschied, und das war auch der entscheidende Punkt bei die- sem Projekt. Außerdem war nichts vorgege- ben und ich konnte alles ausprobieren. Es gab eine Zeit, in der mir keine Ideen ein- fielen und ich mich abmühte - aber die Frei- heit, die dieser künstlerische Prozess mit sich brachte, war etwas, das ich sehr zu schätzen wusste.

Hat es Ihrer Arbeit ein neues Element hinzugefügt?

Ja, das war eine wirklich fantastische Herausforderung für mich. Ich konnte auf eine reinere und dynamischere Weise über Bilder nachdenken als je zuvor. Und es fühlte sich wie ein unerforschter Teil in mir selbst an, zu dem ich ohne eine solche Gelegen- heit keinen Zugang gehabt hätte.

Auf welche Weise waren Eiko und ihre Freunde an den Dreharbeiten beteiligt?

Sie fanden in der Nähe der Gegend statt, in der Eiko tatsächlich lebt. Ich dachte, da ihre Musik aus dieser Gegend stammt, würde es mir leichter fallen, meine Bilder zu komponieren. Eiko stellte einige ihrer Freunde als lokale Mitarbeiter für das Projekt vor. Unter ihnen war jemand, den ich als „Naturexperten“ bezeichnen würde – und seine Sichtweise hat den Charakter, den das Projekt annahm, deutlich geprägt. Ich lernte von ihm, wie man die Natur wahrnimmt, und verstand einmal mehr, wie sie von "Bewegung" durchdrungen ist. Ich glaubte, dass diese verschiedenen Be- wegungen und Schwankungen, die ich ein- gefangen habe, sicherlich sehr gut mit der Musik harmonieren, die Eiko komponiert hat.

Sie sagten, dass Sie beim Drehen dieses Films viel Freiheit erfahren haben. Können Sie uns etwas mehr darüber erzählen?

Hitoshi Omika, der die Hauptrolle spielt, war eigentlich ein Mitglied des Produktionsteams von DAS GLÜCKSRAD. Ursprünglich beglei- tete er uns am Set oft als Fahrer zusammen mit dem Kameramann Yoshio Kitagawa. Wir ließen ihn oft verschiedene Einstellungen ausprobieren, die wir uns vor Ort ausgedacht hatten. Nach und nach konnte ich mir nie- manden anderen als ihn in der Hauptrolle vorstellen. Bei dieser Filmproduktion hat er auch Rollen im Stab übernommen. Da wir mit einem kleinen Team arbeiteten, gab es viele Personen wie Hitoshi, die sowohl als Mitarbeiter hinter der Kamera, als auch als Schauspieler tätig waren. Während der Dreharbeiten wurde das Drehbuch häufig überarbeitet - mehr als bei meinen letzten Projekten. Diese freiere, nicht so stark nach festen Strukturen funktionierende Art des Filmemachens hat mir einmal das Potenzial vor Augen geführt, das das Filmemachen mit sich bringen kann.

Eiko, wie war die Erfahrung der Zusammenarbeit für Sie?

Als die Idee, Live-Performances mit visuellen Darbietungen zu kombinieren, von Veranstaltern aus Übersee vorgeschlagen wurde, war ich nicht sofort überzeugt davon. Nach einiger Zeit wurde mir jedoch klar, dass es faszinierend sein kann, wenn Bilder und Musik unabhängig voneinander interessant sind und sich in etwas anderes verwandeln können, wenn sie übereinander gelegt wer- den. Ich glaube, dass Ryūsuke Hamaguchi nicht nur ein ausgezeichneter Geschichtenerzähler ist, sondern auch Filme mit einer starken musikalischen Qualität erschafft. Als wir bei dem vorherigen Film DRIVE MY CAR zusammengearbeitet haben, konnte ich seine Hingabe an den Sound spüren und sehen – und es war eine sehr angenehme Zusammenar- beit. Also wandte ich mich an Ryūsuke Hamaguchi mit der Idee für das neue Projekt GIFT.

Wie würden Sie die Haupt- unterschiede zwischen GIFT und EVIL DOES NOT EXIST zusammenfassen?

Hamaguchi: Obwohl das Ausgangs- material dasselbe ist, werden unterschiedliche Aufnahmen und Takes verwendet – die Erzählungen unterscheiden sich daher leicht voneinan- der. Auch der Eindruck, den man von den Figuren hat, ist wahrscheinlich unterschiedlich. Es ist ein bisschen wie ein kleines Multiversum. Ich glaube, dass man den Unterschied zwischen beiden Filmen erst dann wirklich ver- stehen kann, wenn man den Film als Zuschauer*in zusammen mit Eikos Performance erlebt. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich beide Werke gegenseitig inspirieren und die Erfahrung des Publikums erweitern.

Möchten Sie noch etwas dazu sagen, wie EVIL DOES NOT EXIST zu einem eige- nen filmischen Werk wurde?

Als ich das Drehbuch für den narrativen Film schrieb, wollte ich natürlich die Schauspieler ermutigen, stark vor der Kamera zu agieren. Ich dachte, die Texte der Dialoge würden sie dabei unterstützen. Ich hatte das Gefühl, dass die Schauspieler und die Bilder, die kraftvoll und weitgehend unab- hängig von Eikos Musik existieren, die überzeugendste Synergie erzeugen würden, wenn sie schließlich mit ihrer Musik kombiniert würden. Das Ergebnis war, dass jeder Schauspieler, allen voran Hitoshi, wirklich bemerkenswert waren – und ich war am Set sehr bewegt davon. Diese Stärke zeigte sich besonders in ihren „Stimmen“. Ich wollte, dass diese „Stimmen“ auch ein Publikum im Kino erreichen – und so beschloss ich, nachdem ich Eikos Erlaubnis eingeholt hatte, den Film als eigenständigen Film mit dem Titel EVIL DOES NOT EXIST abzuschließen. Noch einmal möchte ich Eiko meinen Dank aussprechen, die mich zu diesem Projekt inspiriert hat.


Foto:
©Verleih

Info:
Japan 2023 |
106 min
Originalfassung mit deutschen Untertiteln
 Deutsche Fassung
Format: 1.66:1 2K DCP
Kinostart: 18. April 2024

Stab
Regie: Ryūsuke Hamaguchi
Musik: Eiko Ishibashi
Drehbuch: Ryūsuke Hamaguchi
Kamera: Yoshio Kitagawa

Besetzung
Hitoshi Omika ALS TAKUMI
Ayaka Shibutani ALS MAYUZUMI
Ryo Nishikawa ALS HANA
Ryuji Kosaka ALS TAKAHASHI

Abdruck aus dem Presseheft