kurt fucikBüste des tschechischen Nationalhelden „beseitigt“

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) – Am 8. September jährt sich der Todestag des tschechischen Nationalhelden Julius Fučík, der wegen Widerstandes gegen die Besetzung seiner Heimat durch Nazideutschland vom NS-Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und in Berlin Plötzensee durch den Strang hingerichtet wurde.

Seine Reportage unter dem Strang geschrieben, basierend auf Notizen aus der Haft, wurde in rund 90 Sprachen übersetzt und gehört zum Kanon der Weltliteratur. Dessen ungeachtet haben antikommunistische Eiferer in einem beispiellosen Akt des Vandalismus die Büste Julius Fučíks aus dem Pantheon des tschechischen Nationalmuseums entfernt. Kurt Nelhiebel, ein aus seiner böhmischen Heimat vertriebener Sudetendeutscher, schrieb deswegen den nachfolgend abgedruckten Brief an den tschechischen Kulturminister Daniel Herman, ehemals Sprecher der tschechischen Bischofskonferenz und seit Jahren Wegbereiter der Sudetendeutschen Landsmannschaft in der Tschechischen Republik. Die Redaktion


Sehr geehrter Herr Minister,

vor kurzem habe ich erfahren, dass die Büste des tschechischen Widerstandskämpfers Julius Fučík aus dem Pantheon des Nationalmuseums in Prag entfernt worden ist. Wie der Museumsdirektor Michal Lukeš bekannt gab, wurde sie bereits 1991 beseitigt. Er sagte wirklich beseitigt, so als handle es sich um Abfall. Angeblich geschah das wegen Fučíks „ideeller Verbindung zum kommunistischen Regime“.

Fučík ist 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden, also fünf Jahre vor der Errichtung des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei. Er kann folglich weder eine ideelle noch sonst eine Verbindung zu diesem Regime gehabt haben. Richtig ist, dass er Mitglied der Kommunistischen Partei war. Dass seine Büste während des kommunistischen Regimes ins Nationalmuseum kam, rechtfertigt nicht ihre Entfernung. Sie ist ein Affront gegenüber allen Opfern des Naziregimes.

Julius Fučík gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten des europäischen Widerstandes und genießt weltweit hohes Ansehen. Menschen wie er werden anderswo als Nationalhelden verehrt, so zum Beispiel der Widerstandskämpfer Jean Moulin in Frankreich und Manolis Glezos in Griechenland. Sollen die Tschechen Fučík nicht mehr ehren dürfen, weil ihn das kommunistische Regime für seine Zwecke benutzt hat?

Ich bin Atheist, verehre aber trotzdem Pater Delp, der wie Fučík in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden ist. Ich verehre auch Pastor Bonhoeffer, der ebenfalls von den Nazis ermordet wurde. Allein dass Fučík mit seiner Reportage, unter dem Strang geschrieben, die Weltöffentlichkeit über das Leid und den Freiheitskampf des tschechischen Volkes informiert hat, müsste ihm einen Platz im Nationalmuseums sichern. Als einzigartiges historisches Dokument ist das Werk Bestandteil der Weltliteratur.

Was die Entfernung der Büste Fučíks vollends unbegreiflich macht, sind die Begleitumstände. Im Gegenzug sollen nämlich die Büsten Kaiser Franz Josefs und seiner Gemahlin Elisabeth wieder im Pantheon des Nationalmuseums aufgestellt werden. Wie jedes Schulkind weiß, verkörpert das Herrscherpaar eine Epoche der Erniedrigung des tschechischen Volkes, eine Epoche zudem, die in den Ersten Weltkrieg einmündete. Als Regierungsmitglied wird Ihnen nicht entgangen sein, dass die sudetendeutsche Landsmannschaft versucht, das Geschichtsbild des tschechischen Volkes zu beeinflussen. Hatte sie vielleicht ihre Hände im Spiel?

Es ist noch nicht lange her, dass der von Ihnen geschätzte Sprecher der sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, die Vertreibung der Deutschen als gezielten Völkermord bezeichnet hat. Damit stellte er das tschechische Volk auf eine Stufe mit den Mördern von Auschwitz. Bei der Abstimmung im Europäischen Parlament über die Aufnahme der Tschechischen Republik in die EU stimmte er zusammen mit seinen Parteifreunden aus der bayerischen CSU mit Nein.

Es betrübt mich, dass manche das vergessen haben. Ich halte das für ein Zeichen der moralischen und politischen Desorientierung. Auch der Umgang mit Julius Fučík scheint mir Ausdruck dieser Desorientierung zu sein, ebenso die Kaltherzigkeit gegenüber Menschen in Not. Leute mit dicken Brieftaschen dürfen die tschechische Grenze ungehindert überqueren, für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afrika wird sie dicht gemacht.

Bitte sorgen Sie dafür, dass sich das ändert. Und lassen Sie die Büste Julius Fučíks dorthin zurückbringen, wo sie früher gestanden hat. Fučík ist für die Verbrechen des kommunistischen Regimes ebenso wenig verantwortlich, wie Sie als Christ für die Verbrechen der katholischen Kirche während der Kreuzzüge und der Inquisition.

Mit freundlichen Grüßen

Kurt Nelhiebel

Kultur- und Friedenspreisträger der Villa Ichon in Bremen

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