alleSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. April 2024,  Teil 2

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - Wie für ihn typisch versuchte Storaro, den Gegensatz zwischen den beiden Protagonisten visuell zu betonen. „Ich habe warme Farbtöne mit Fanny verbunden, indem ich das wunderschöne Mittagslicht oder das warme Licht des Sonnenuntergangs für sie genutzt habe, da dies die Momente sind, in denen sie sich mit Alain trifft“, erklärt der Kameramann. „Um Fannys Freiheitsgefühl zu verdeutlichen, habe ich sie hauptsächlich mit einer Steadicam gefilmt und ein längeres Objektiv auf sie gerichtet. Bei Jean war es genau andersherum, da er mit dem Mondlicht in Verbindung gebracht wird. Und so habe ich ihn mit einem sehr weiten Winkel gefilmt, wodurch sichtbar wird, dass er sich praktisch auf einer geraden Linie bewegt.“


Ebenso wollte Storaro der prächtigen Pariser Wohnung – Jeans eigentlichem Revier – einen bläulichen Ton geben, der sich mit zunehmender Spannung noch verstärkt. „Eigentlich waren die Wände der Wohnung weiß“, fügt er hinzu. „Aber ich merkte, dass, wenn ich das natürliche Licht durch die Fenster einfallen ließ und die Kamera auf den 'künstlichen Modus' stellte, die Wände bläulich wurden. Woody gefiel das, wünschte sich aber zu Beginn ein sehr helles Blau, das später dunkler werden sollte. Ich zeigte ihm, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte, da man den Blauton schrittweise erhöhen konnte."

Genau wie Storaros Kameraufnahmen bieten auch die Orte und Viertel von Paris, die von den Figuren im Film besucht werden, einen idealisierten Blick auf die Stadt – den von Woody Allen. Auch hier ließ der Regisseur der Szenenbildnerin Véronique Mélery, die nie zuvor mit ihm gearbeitet hatte, viel Spielraum und gab ihr keine konkreten Vorgaben.

„Wir haben uns vor allem über die Figuren und ihre Psyche unterhalten, aber ich habe schnell gemerkt, dass er das Paris zeigen wollte, das er liebt, und die Stadt in ihrer ganzen Pracht filmen wollte“, sagt Mélery. Der Jardin du Luxembourg, die klassisch schönen Prachtstraßen im Westen der Stadt oder das Viertel Montmartre, das bereits in MIDNIGHT IN PARIS zu sehen war, haben alle mit den persönlichen Erinnerungen des Regisseurs zu tun. Das Landhaus erwies sich als etwas schwieriger. „Wir hatten das Haus bereits am ersten Tag der Recherche besichtigt“, fährt sie fort. „Der offensichtliche Charme und die Seele des Hauses sowie die Umgebung waren perfekt. Aber Woody wollte einen Ort finden, der näher an Paris lag. Also gingen wir erneut auf die Suche, fanden aber nie den idealen Ort. Nach wochenlangen Recherchen kehrten wir dann glücklich zu unserer ursprünglichen Wahl zurück.“

Für die Innenaufnahmen sah sich Mélery erneut MATCH POINT und MANHATTAN MURDER MYSTERY an, die eine Krimihandlung mit COUP DE CHANCE gemeinsam haben, um in die Atmosphäre der beiden Filme einzutauchen. Sie gibt jedoch zu, dass ihre kulturellen Bezüge anfangs ein wenig mit denen von Allen kollidierten. „Seine Vision von edlen Interieurs, die sehr amerikanisch war, war eine Herausforderung für meine eigene, sehr französische Vision von einem jungen Pariser Paar der High Society“, erzählt sie. „Aber Woody akzeptierte meine Darstellung und vertraute mir vollkommen.“ Für die Wohnung von Jean und Fanny, in der sich die makellose, attraktive Fassade des Paares widerspiegelt, suchten Mélery und ihr Team die Möbel auf dem berühmten Clignancourt-Flohmarkt, bei Pariser Antiquitätenhändlern und ausländischen Händlern, die originelle Stücke anboten, die zu der kosmopolitischen Kultur der Figuren passten.

Die zahlreichen Kunstwerke, die in der Wohnung zu sehen sind, wurden entweder von der Crew selbst geschaffen – die sich von klassischen Stücken inspirieren ließ – oder von privaten Sammlern ausgeliehen. Die Restaurants, die im Film eine wichtige Rolle spielen, wurden ausgesucht, weil der Regisseur sie kannte und mochte. „Einige waren typisch für das Pariser Bistro, andere waren trendige Lokale mit Panoramablick auf die Stadt“, sagt Mélery. Andere Drehorte wurden in Anspielung auf das Hauptthema des Films eher zufällig gefunden. „Ich hatte das Guimet-Museum wegen der Ausstellungsgalerien und der Dachterrassen besucht, und wir gingen auch durch die Büroräume, nur um später nichts zu bereuen“, fügt sie hinzu. „Als ich die Archivboxen sah, wusste ich, dass wir die Location für das Büro des Detektivs gefunden hatten – man konnte sich ein Familienunternehmen vorstellen, in dem die Ermittlungsakten in all den Kisten sortiert waren, und das schon seit Generationen! Woody hatte ein eher bescheidenes Büro im Sinn, aber ihm gefiel die natürliche Schönheit des Ortes. Jeans Büro befand sich in demselben Gebäude, das wir ebenfalls ausgesucht hatten, weil es uns einfach so gut gefiel.

Genau wie die Drehorte und das Produktionsdesign tragen auch die Kostüme auf ihre Weise dazu bei, die Geschichte zu erzählen und die Momente der Spannung und der Emotionen zu unterstreichen. Kostümbildnerin Sonia Grande, die nun schon zum 6. Mal mit Woody Allen zusammenarbeitet, hat einen professionellen Steno-Stil mit dem Regisseur entwickelt, so dass sie instinktiv weiß, was er mag. „Es gibt bestimmte Farben, die er nicht mag, und die Garderobe muss ein leichtes, formzeigendes Aussehen haben“, sagt sie. „Er mag keine übermäßigen Kleidungsschichten über den Körpern der Schauspieler, die sie zu sehr bedecken oder beschützen.“ Der Regisseur vertraut Grande vollkommen. „Ich habe mit Sonia an einer Reihe von Filmen gearbeitet und lasse sie sich künstlerisch ausdrücken“, sagt er. „Wenn ein Schauspieler oder eine Schauspielerin etwas trägt, das ich für falsch halte, sage ich es Sonia, aber das ist selten. Wenn man eine Mitarbeiterin wie sie das machen lässt, was sie instinktiv möchte, weil sie das Drehbuch so gut versteht, ist es in neun von zehn Fällen richtig.“ Bei Jean und Fanny ging es darum, den sozialen Status und den guten Geschmack des Paares durch ihre Kleidung, Schuhe und ihren Schmuck zu zeigen.

Was Fanny betrifft, so hat sie anfangs einen eleganten, raffinierten Look, der schlichter und bescheidener wird, je näher sie Alain kommt. „Ihr Look wird lässiger, als ob sie in gewisser Weise zu dem Mädchen zurückkehren würde, das sie war, bevor sie Jean heiratete“, sagt Grande. Jean hingegen ist sehr imagebewusst und möchte, dass sein Stil seine Macht zum Ausdruck bringt. „Wir haben mit High-End-Marken wie Hermès, Zegna und Ralph Lauren gearbeitet, um diesen Charakter zu erzielen“, fügt Grande hinzu. Bei Alain wollte die Kostümbildnerin vermeiden, ihn als Bohemien zu verkleiden, und entschied sich stattdessen für einen authentischen Look. Die Zusammenarbeit mit Niels Schneider erwies sich als entscheidend. „Ich wollte zeigen, dass es sich um einen jungen Mann handelt, der viel gereist ist und sehr kultiviert ist, obwohl er praktisch kein Geld hat“, sagt Grande. „Für mich musste der Stil der Figur direkt aus der Persönlichkeit des Schauspielers hervorgehen. Wir haben die meisten Kleidungsstücke auf dem Second-Hand-Markt gekauft und Niels hat sie sich sofort zu eigen gemacht – sein natürlicher Charme hat dann den Rest erledigt.“

Einen Film in Paris auf Französisch zu drehen war eine wunderbare Erfahrung für Woody Allen, die er gern wiederholen würde. Während er mit vielen seiner langjährigen Mitarbeiter zusammenarbeitete und die Methoden beibehielt, die er auch bei Dreharbeiten in den USA anwendet, machte er für den Soundtrack eine Ausnahme. „Normalerweise benutze ich in all meinen Filmen eine viel ältere Jazzmusik, das ist Musik, die mir gefällt“, erklärt er. „Aber da ich einen französischen Film drehte, wollte ich dem französischen Kino der 1950er und 1960er Jahre Tribut zollen, wie Louis Malles FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT, den ich entdeckte, als ich erstmals das französische Kino kennenlernte. Die französischen Filmemacher haben damals Miles Davis,das Modern Jazz Quartet und generell eine Art modernen Jazz verwendet. Das ist daher der Stil, den ich auch für EIN GLÜCKSFALL genutzt habe, und es hat sehr gut funktioniert.“

Foto:
©Verleih

Info:
Ein Glücksfall

Originaltitel: Coup de Chance
Regie: Woody Allen
Mit: Lou de Laâge, Valérie Lemercier, Melvil Poupaud, Niels Schneider Produktion: Frankreich 2023
Lauflänge: 93 Minuten Kinostart: 11. April 2024 FSK: ab 12 Jahren

Besetzung
Fanny     Lou de Laâge
Camille   Valérie Lemercier
Jean       Melvil Poupaud
Alain.      Niels Schneider

Stab
Regie/Drehbuch   Woody Allen

Abdruck aus dem Presseheft