... oder: Was wir über „Durst“ wissen sollten
Klaus Jürgen Schmidt
Nienburg/Weser (Weltexpresso) – Was verstehen Sie unter einem „Überzieher“? Ja, ist ja gut! Aber hier ist nicht von einem „Kondom“ die Rede! Hier ist die Rede von einem „Pullover“. Das Wort stammt aus dem Englischen und kommt von „to pull“ = ziehen und von „over“ = über. Laut WIKIPEDIA ging der Begriff seit etwa 1817 in den deutschen Sprachschatz ein. Pullover – auch kurz Pulli genannt – ist die Bezeichnung für ein häufig gestricktes Kleidungsstück für den Oberkörper mit langen Ärmeln, das meist über den Kopf gezogen werden muss.
WIKIPEDIA weiß auch, dass in früheren Zeiten die Ehefrau dem Seemann oder Fischer als Glücksbringer ein eigenes Haar mit hineinstrickte. Auch versah man in Irland und auf Guernsey die Pullover mit den Initialen der Männer, damit sie bei einem Schiffsunglück leichter identifiziert werden konnten, wenn sie an Land gespült wurden. ...
Von einem anderen Lehnwort hörte ich kürzlich, das – umgekehrt – von der deutschen Sprache ins Amerikanische gewandert ist, ein Wort, das es so angeblich in keiner anderen Sprache gibt, und dessen Bedeutung mit diversen einheimischen Wörtern wiedergegeben werden müsste. Eine amerikanische Psychiaterin erzählte in einem Rundfunk-Interview davon, wie mit der Wahl eines krankhaften Narzissten in das Amt des U.S.-Präsidenten auch unter Amerikanern plötzlich das deutsche Wort „Schadenfreude“ in Gebrauch gekommen sei. „malicious glee“ oder „gloating joy“ oder „mischievousness“ – alles kein Ersatz für „Schadenfreude“ = „Freude über Schaden“.
Interessant fand ich in diesem Zusammenhang, worauf mich in der niederdeutschen Tiefebene Schüler aufmerksam gemacht haben: Es gibt in der deutschen Sprache ein Wort, das es nicht gibt. Ich wurde gefragt, was ich sei, wenn ich nicht mehr hungrig wäre. „Satt!“ Und wenn ich nicht mehr durstig wäre? ... Hmhh ...
Ich schlug also wieder bei WIKIPEDIA nach: > Da es im Deutschen bislang kein verbreitetes Wort mit dieser Bedeutung gegeben habe, wurde es 1999 von der Duden-Redaktion in Zusammenarbeit mit dem Getränkehersteller Lipton im Rahmen eines Wettbewerbs ausgesucht. Es beteiligten sich mehr als 100.000 Personen aus verschiedenen Kontinenten, die 45.000 Vorschläge einreichten. ... Das Wort wurde in Anlehnung an „satt“ gewählt, da „satt“ das Gegenteil von hungrig ist. Laut Begründung der Duden-Redaktion wies „sitt“ die Vorteile auf, im Deutschen gut aussprechbar und problemlos flektierbar zu sein sowie keinen Markennamen zu enthalten. ...“ <
Haben Sie schon 'mal gesagt „Danke. Ich bin sitt“, wenn jemand noch 'was nachschütten wollte? Ich auch nicht. Aber nachgedacht habe ich schon, warum wir wissen, was „Schadenfreude“ ist, aber kein Wort dafür haben, wenn wir nicht mehr durstig sind. Ich war also „wissensdurstig“, selbstverständliche Voraussetzung für das Leben eines Journalisten ... dachte ich. Und dann dachte ich an den Wissensdurst der Schüler in der niederdeutschen Tiefebene, die von mir Aufklärung erwartet hatten.
Und jetzt weiß ich es: Wir brauchen kein „sitt“, weil wir nie aufhören dürfen, unseren Wissensdurst zu stillen.
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© Klaus Jürgen Schmidt