Aus dem Corona-Newsletter des hr
Sven-Oliver Schibat
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Als ich vorhin mein Radio eingeschaltet habe, begrüßte es mich mit der englischen Fußball-Hymne "Three Lions" (wer es nicht im Ohr hat: Gibt es hier bei YouTube.). Für Deutschland ist die EM schon längst gelaufen, aber in England hat man noch große Titelhoffnungen - und Epidemiologen bekommen beim Anblick der ausgelassenen Feierbilder aus dem Stadion, den Pubs und von den britischen Public Viewings sehr tiefe Sorgenfalten auf der Stirn.
Die Kurve mit den Neuinfektionen steigt dort noch immer und auch wenn die Kurve mit den Todesfällen zum Glück sehr flach bleibt, wächst damit doch auch die Gefahr, dass dort eine weitere Virus-Variante entstehen könnte.
Weiter unten gehen wir näher auf die Frage "Ist der Impfschutz bei der Delta-Variante geringer?" ein. Außerdem geht es in dieser Ausgabe um das sinkende Impf-Tempo, wer am ehesten mit Impf-Reaktionen rechnen muss und vieles mehr.
Aber erst einmal habe ich das hier für Sie:
Fans von Eintracht Frankfurt können auf Spiele im Stadion hoffen. Um dabei zu sein, können Dauerkarteninhaber, Mitglieder und zukünftige Tageskarten-Interessenten nun ihren Impf- oder Genesenen-Status bei den Hessen hinterlegen.
So funktioniert bei der Eintracht die Fan-Rückkehr
Fans von Eintracht Frankfurt können auf Spiele im Stadion hoffen. Um dabei zu sein, können Dauerkarteninhaber, Mitglieder und zukünftige Tageskarten-Interessenten nun ihren Impf- oder Genesenen-Status bei den Hessen hinterlegen. Das müssen die Fans dazu wissen.
Worum geht’s?
Niedrige Inzidenzen, eine fortschreitende Impfkampagne: Wenn in ein paar Wochen die Bundesliga-Saison startet, werden auch wieder Fans in den Stadien sein. Voraussetzung dafür: ein Impf- oder Genesenenschutz. Um den organisatorischen Aufwand rund um Impfpass, Identitätsnachweis, Ticket und Einlass bei den Spielen möglichst gering zu halten, bietet Eintracht Frankfurt seinen Dauerkartenbesitzern, aber auch Mitgliedern und zukünftigen Tageskarten-Interessenten nun schon vor Saisonstart die Möglichkeit, am Stadion den Impf- oder Genesenen-Status als Berechtigungsmerkmal ins Ticketsystem zu übertragen.
Damit soll verhindert werden, dass Zuschauer bei jedem Spiel aufs Neue ihren Impf- oder Genesenen-Nachweis zusammen mit dem Personalausweis vorzeigen zu müssen. "Der händische Abgleich von Impfpass, Identitätsnachweis und Übereinstimmung mit dem Ticket wird gerade bei größeren Zuschauerzahlen schlicht nicht zu bewältigen sein", schreibt die Eintracht. Eintracht-Vorstand Axel Hellmann führt gegenüber dem hr aus: "Das Impfen wird uns allen helfen, zur Normalität zurückzukommen. Das Impfen wird uns helfen, die Eintracht live im Stadion sehen zu können." Demnächst plane der Bundesligist in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt und dem Impfzentrum gar ein eigenes Impfangebot am Stadion, um der Impfmüdigkeit entgegenzuwirken, so Hellmann.
Wie ist das Prozedere?
Auf der Homepage der Hessen können Dauerkarteninhaber, Mitglieder und zukünftige Tageskarten-Interessenten einen Termin vereinbaren. Ab Donnerstag, 08. Juli bis Samstag, 31. Juli, immer Montag bis Freitag jeweils von 10 Uhr bis 18 Uhr und Samstag von 10 Uhr - 15 Uhr können Fans am Stadion, Parkplatz 9 - (ehemalige Radrennbahn / Gästebusparkplatz) am Kassenbereich E2 ihren Impf- oder Genesenen-Status in der Plattform des Ticketsystems der Eintracht registrieren lassen. Wichtig: Auf der Homepage der Hessen muss man zuvor einen Termin vereinbaren. Außerdem benötigt man die Eintracht-App "mainaquila", in der der Impf- bzw. Genesenen-Status registriert wird.
Welche Unterlagen benötige ich?
Um den Termin zu buchen, muss man Name, E-Mail-Adresse und EF-Nummer angeben. Vor Ort sind die Eintracht-App "mainaquila", ein gültiges Ausweisdokument (im Original), der Nachweis des vollständigen Impf- oder Genesenen-Status (im Original) sowie die unterschriebene Datenschutzerklärung (auch vor Ort verfügbar) vonnöten.
Wie lange ist die Registrierung gültig?
Die Gültigkeit ist abhängig vom Impf- und Genesenen-Status der jeweiligen Person. Geimpfte: maximal ein Jahr ab dem Datum des vollständigen Impfschutzes. Genesene: maximal sechs Monate ab dem Datum des offiziellen Genesenen-Status.
Kann ich die Registrierung auch nachholen?
Die Eintracht weist darauf hin, dass man die Registrierung zwar auch an Spieltagen noch nachholen könne, um unnötige Schlangen und Wartezeiten zu verhindern, empfehlen die Eintracht-Verantwortlichen allerdings, vom Angebot der Vorab-Registrierung Gebrauch zu machen.
Was ist mit Kindern und Jugendlichen?
Ende Mai wurde der mRNA-Impfstoff Comirnaty von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) auch für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen, eine allgemeine Impfempfehlung der STIKO für Kinder und Jugendliche von 12 - 17 Jahren in Deutschland gibt es allerdings (noch) nicht. So sagt auch Hellmann: "Das ist eine sehr große Herausforderung, weil wir aktuell nicht wissen, wie es mit dem Impfen von Kindern und Jugendlichen weitergeht."
Entsprechend wird es für Kinder und Jugendliche beim Stadionbesuch bei der Eintracht vorerst eine andere Lösung geben, nämlich das Testen. "Da wird es, ausgehend davon, dass uns das Gesundheitsamt Vorgaben macht, sicherlich eine Testungspflicht geben. Gemäß des 3G: Gestestet, Geimpft, Genesen. Wenn uns die Jugendlichen, die nicht geimpft sind, einen Testnachweise erbringen, wird uns das reichen", so Hellmann.
Impfschwänzer verursachen Risiken und Nebenwirkungen
Viel zu oft verfallen in hessischen Arztpraxen und Impfzentren die Termine für den zweiten Pieks. Impfschwänzer verursachen damit nicht nur finanziellen Schaden, sie gefährden auch sich selbst.
Der Weg raus aus der Pandemie führt übers Impfen, aber nicht alle halten sich an den vereinbarten Termin: Der Wiesbadener Hausarzt Christian Sommerbrodt verimpft pro Woche rund 300 bis 400 Dosen. Jeder siebte Patient erscheine nicht, berichtet er. Sein Team müsse dann spontan umorganisieren.
Das Problem sei, dass die Patienten mittlerweile verschiede Möglichkeiten hätten, geimpft zu werden. Heißt, viele melden sich an verschiedenen Stellen an und nehmen dann den frühstmöglichen oder bequemsten Termin wahr. Vorhandene Termine abzusagen, halten einige für unnötig. "Wir müssen dann versuchen, übrig gebliebenen Impfstoff unters Volk zu bringen", sagt Sommerbrodt.
Spontan-Impfung für Passanten
Der Impfstoff müsse vernichtet werden, wenn sich spontan kein Abnehmer findet. Früher hätte das Praxis-Team dann Wartelisten abtelefoniert, sagt Sommerbrodt, mittlerweile gingen sie einfach nach unten auf die Straße und sprächen Passanten an, ob diese sie sich nicht kurzfristig impfen lassen wollen. "Das geht viel schneller", sagt Sommerbrodt, viele seien überrascht, willigten aber ein - "das ist recht lustig".
In den Impfzentren ist die Zahl derjenigen, die nicht zur Zweitimpfung erscheinen, noch höher: In Wiesbaden sind es 4 von 10 Registrierten. Manche sind beim Hausarzt schneller dran gekommen, nicht alle sagen ab. Es gebe aber auch Teile der Bevölkerung, die glauben, sie seien mit einer Erstimpfung "gesättigt", sagt Marc Dieroff, Leiter des Impfzentrums. Oder sie würden es vorziehen, in den Urlaub zu fahren und die Impfung hinten anzustellen.
Verzicht auf Zweitimpfung birgt Risiken
Das sei angesichts der sich aktuell ausbreitenden Delta-Variante ein großer Fehler: "Wir wissen, dass bei allen Impfstoffen gerade bei der Delta-Variante mit der Erstimpfung ein nicht ausreichender Impfschutz besteht." Eine sei zwar besser als keine Impfung, Sicherheit vor dem Virus biete aber nur der volle Impfschutz. In Hessen sind aktuell rund 55 Prozent der Menschen mindestens einmal geimpft, rund 37 Prozent haben schon den vollen Impfschutz. Wer geimpft ist, ist zwar vor schweren Verläufen gefeit, kann das Virus dennoch aber in sich tragen.
Und das Schwänzen hat noch andere Nebenwirkungen, nämlich finanzieller Natur. Wie hoch der entstandene Schaden für die Impfzentren ist, lässt sich nach Aussage von Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) zwar derzeit noch nicht beziffern. Auf keinen Fall dürfe aber die Impfmüdigkeit um sich greifen. "Es ist wichtig, dass wir nicht denken, die Inzidenzen sind niedrig, das ist nicht so wichtig", sagt Klose. Noch im Juli sollen alle Bürger ein Impfangebot bekommen haben. Jetzt müssten alle "dran bleiben", sagt Klose, "das ist für den Gemeinschaftsschutz verdammt wichtig."
Wie Impfzentren den Trend verhindern können, zeigt das Impfzentrum Erbach im Odenwald - wenn auch mit großem personellen Einsatz. Laut dem Deutschen Roten Kreuz wird dort jeder vor seinem Termin vorher noch einmal telefonisch erinnert. Die Quote von nicht wahrgenommenen Terminen liege so bei nur fünf Prozent.
Bundesregierung verzichtet auf Strafen
Der Präsident des Berliner Roten Kreuzes, Mario Czaja, hatte kürzlich eine Debatte ausgelöst, er forderte eine Impfschwänzer-Abgabe von 25 bis 30 Euro für alle, die zum Termin für die Zweitimpfung ohne Absage nicht erscheinen. "Das ist ziemlich unsolidarisch denen gegenüber, die schneller einen Termin haben wollen", sagt Czaja - und es habe negative Auswirkungen auf die gesamte Impfkampagne. Auch aus der Union gab es vereinzelt die Forderung, das Nicht-Erscheinen zu sanktionieren.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte sich in den Tagesthemen ebenfalls für eine Geldstrafe ausgesprochen. Das Schwänzen führe dazu, dass Impfstoff vernichtet werden müsse und sei kein "Kavaliersdelikt", sagte Lauterbach. Vorerst bleibt es aber ohne Konsequenzen: Strafen sind auf Bundesebene nicht in Planung, die Regierung sprach sich am Montag gegen Bußgelder aus.
Streit um Anlagen: Wo bleiben die Luftfilter an Schulen?
Die Delta-Variante könnte im Herbst wieder für Schulschließungen sorgen. Um das zu vermeiden, fordern Eltern, Lehrer und Wissenschaftler die Anschaffung von Luftfiltern. Die Mittel sind da, trotzdem fehlen die Anlagen an den Schulen. Warum?
Schülerinnen und Schüler dürfen seit ein paar Wochen wieder mit ihren Freunden lernen. Auf den Schulhöfen muss nicht einmal mehr eine Maske getragen werden. Fast 40 Prozent aller Hessinnen und Hessen sind bereits zweifach geimpft.
Doch der Herbst steht vor der Türe und die Delta-Variante des Coronavirus verbreitet sich rasch. Das heizt die Debatte um den Einsatz von Luftfiltern in den Klassenräumen an.
Ansteckungsrisiko steigt mit Delta-Variante
Da es für Kinder und Jugendliche keine generelle Impfempfehlung durch die Ständige Impfkommission (Stiko) gibt, wird befürchtet, dass sich besonders viele junge Menschen mit der Delta-Variante anstecken. Es drohen damit neue Schulschließungen. Das wollen viele Eltern, Lehrer und Schüler auf keinen Fall: Damit nach den Ferien immer noch gemeinsam gelernt werden kann, müssen ihrer Meinung nach neben Masken und Tests auch Luftfilter her.
"Dass eine vierte Welle kommen kann, hat man immer im Hinterkopf, aber durch die Luftfilter fühle ich mich viel sicherer", sagt etwa Martin Matthias, Schüler des Leibnitz-Gymnasiums in Wiesbaden. Hier gibt es in fast jedem Klassenraum Filter. Das Geld kam von Stadt und Land, denn das Gymnasium war eine Pilotschule, an der die Wirksamkeit der Filter geprüft wurde.
"Buntes Gemisch an Verantwortlichkeiten"
Aber so gut ausgestattet wie diese Schule ist kaum eine andere in Hessen. Dabei hätten viele gerne schon längst aufgerüstet. Schulleiter Oliver Eissing vom Wolfgang-Ernst-Gymnasium in Büdingen hatte zum Beispiel vor ein paar Wochen eigenständig Filteranlagen ausprobiert. Der Antrag auf Anschaffung wurde dann jedoch abgelehnt. Die Begründung: Filteranlagen müssen für alle Schulen des jeweiligen Schulträgers funktionieren.
"Individuelle Lösungen sind nicht möglich", bedauert Eissing. "Das Geld ist da, die Technologie ist da, die Filter sind da, es hapert an der Umsetzung", fügt er hinzu. "Es ist ein buntes Gemisch an Verantwortlichkeiten." Oliver Eissing hält sechs Wochen für die Ausstattung seiner Schule mit Luftfiltern für völlig unrealistisch.
"Bis zu den Herbstferien sollten aber alle 55 Räume einen Luftfilter haben, denn die kalte Jahreszeit macht das Lüften schwierig." Noch seien Eltern und Schüler des Wolfgang-Ernst-Gymnasiums optimistisch, aber die Erwartungshaltung für die Zeit nach den Sommerferien sei hoch, sagt Oliver Eissing.
Lorz: "Fenster bringen mehr als Luftfilter"
Finanzielle Mittel wären theoretisch da: 75 Millionen Euro hat die Landesregierung für Hygienemaßnahmen in Schulen bereitgestellt. Für mobile Luftfilteranlagen wurden bislang neun Millionen Euro der Fördergelder abgerufen. Das Kultusministerium hält Filter in jedem Klassenzimmer allerdings nicht für nötig - Kritiker meinen gar, es würde die Anschaffung ausbremsen.
"Das Umweltbundesamt empfiehlt nur dort Filter, wo es mit dem Lüften allein nicht klappt, Fenster bringen mehr als Luftfilter", sagt Kultusminister Alexander Lorz (CDU). "Die Filter sind nicht das Allheilmittel, außerdem wird es eventuell ein erweitertes Impfangebot geben", fügt er hinzu. Hessen folgt also den Empfehlungen des Umweltbundesamtes.
Wissenschaftler kritisieren Vorgehen
Aerosolforscher Gerhard Scheuch kann das nicht nachvollziehen. "Die neu entwickelten Filter schaffen 90 bis 95 Prozent der Viren aus der Luft", sagt er. Ihm zufolge ist Lüften und Filtern besser als nur Lüften. "Das Umweltbundesamt hat vergangenes Jahr schon wichtige Maßnahmen gebremst", kritisiert Scheuch.
Eltern wollen spenden
Viele Eltern würden sogar selbst ins Portemonnaie greifen und die Luftfilter mitfinanzieren. Das ist aber nicht in jeder Kommune möglich. Was in Frankfurt, Wiesbaden und Offenbach erlaubt ist, ist im Schwalm-Eder-Kreis und in Gießen verboten. Auch wenn Spenden in manchen Kreisen und kreisfreien Städten möglich sind, scheitert es an anderer Stelle, denn die Schulgemeinden haften bei privat angeschafften Anlagen für etwaige Komplikationen.
Das kritisiert der Vorsitzende des Lehrerverbandes Hessen, Jörg Leinberger, scharf. "Wenn die Schulgemeinde die Filteranlangen haben möchte und sich auch noch selbst finanziert, muss das möglich sein."
Jeder Landkreis macht es anders
Leinberger sieht das Problem in der Bürokratie und der Verteilung der Geldmittel. "Die Landkreise bekommen die Fördermittel, handeln aber autark", bemängelt er. Es wird also von Landkreis zu Landkreis ganz unterschiedlich entschieden und die Schulgemeinden können nicht eigenständig handeln, sie unterstehen den Schulträgern. Diese kriegen ihre Anweisungen vom Landrat.
Leinberger fordert, dass die Entscheidungen zentral in der Landesregierung getroffen werden sollen und den jeweiligen Schulleitungen mehr Verantwortung übertragen wird. "Wir ärgern uns schon seit Jahren über die Bürokratie, besonders in einer Pandemie werden strukturelle Probleme deutlich. Was wir brauchen, sind schnelle und handlungsorientierte Lösungen."
Damit sich der Winter von 2020 nicht wiederholt und das Ansteckungsrisiko reduziert wird, muss seiner Ansicht nach die Bürokratie abgebaut und die freie Zeit genutzt werden, um die Schulen mit genügend Filtern auszustatten.
Am kommenden Montag will Kultusminister Lorz bei einer Pressekonferenz die Maßnahmen für einen "coronfesten" Schulbetrieb nach den Sommerferien näher erläutern.
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