Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Berlin, Teil 287
Der Paritätische
Berlin (Weltexpresso) - Seit dem 1. Februar 2018 ist das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, sogenannte Istanbul-Konvention, in Deutschland in Kraft. Die Istanbul-Konvention gilt als wegweisendes Vertragswerk, denn es liegt erstmals für den europäischen Raum ein völkerrechtlich bindendes Instrument zur umfassenden Bekämpfung jeglicher Form von Gewalt an Frauen und Mädchen vor.
Was ist seither passiert? Vor und nach der Ratifizierung der Istanbul-Konvention durch Deutschland wurde eine Reihe von strafrechtlichen Maßnahmen ergriffen, z. B. auch die Einführung einer einwilligungsabhängigen Definition von Vergewaltigung und sexueller Gewalt. Neben strafrechtlichen Änderungen sind aber auch erste institutionelle Fortschritte zu verzeichnen: Im November 2022 hat eine bundesweite Monitoring-Stelle zur Umsetzung der Konvention ihre Arbeit aufgenommen, ebenfalls ist im aktuellen Bundeshaushalt die Einrichtung einer Koordinierungsstelle vorgesehen. Zum 1. Februar 2023 lässt Deutschland zudem seine ursprünglich eingelegten Vorbehalte gegen Artikel 44 und 59 der Konvention auslaufen, welche damit vollumfänglich gültig wird.
Der Paritätische fordert bereits seit vielen Jahren die vollumfängliche Umsetzung der Istanbul-Konvention. Entscheidend ist für den Verband hierbei aber auch die Situation der Frauenunterstützungseinrichtungen vor Ort und eine auskömmliche Finanzierung durch Bund, Länder und Kommunen. Bundesweit fehlen noch immer über 14.000 Frauenhausplätze. Zudem gibt es 90 Landkreise und kreisfreie Städte ohne Frauenhäuser. Die Wartelisten in vielen Frauenberatungsstellen sind seit der Corona-Pandemie lang. Der Paritätische fordert daher mit Nachdruck eine einzelfallunabhängige, bundeseinheitliche Finanzierung aller Angebote der Hilfe- und Unterstützungsstrukturen auf gesetzlicher Grundlage. Hierzu hat er bereits 2020 ein entsprechendes Eckpunktepapier gemeinsam mit der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF) sowie dem Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) veröffentlicht: https://bit.ly/3WR36GX
Der Europarat hat zudem am 7. Oktober 2022 einen Bericht zum Stand der Umsetzung der Istanbul-Konvention vorgelegt. Der Bericht evaluiert, welche Vorgaben der Istanbul-Konvention bereits umgesetzt sind und wo in Deutschland noch Handlungsbedarf besteht. Verfasst hat ihn ein Expertengremium (englisch: Group of experts on action against violence against women and domestic violence, GREVIO). Deutschland wurde in dem Bericht stark kritisiert.
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©Landeshauptstadt Mainz
Info:
Den Bericht des Europarats und die Stellungnahme der Bundesregierung finden Sie auf Deutsch unter: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/frauen-besser-vor-gewalt-schuetzen-202368
Zur deutschen Kurzfassung: https://rm.coe.int/executive-summary-grevio-germany-in-german/1680a8693a