Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Berlin, Teil 325
Der Paritätische
Berlin (Weltexpresso) - Am Vortag des Weltfrauentags organisierte die Zentrale Informationsstelle autonomer Frauenhäuser (ZIF) einen bundesweiten Frauenhausstreik. In Berlin fand am 7. März eine zentrale Kundgebung am Brandenburger Tor statt. Auch aus den Paritätischen Häusern werden Kolleg*innen mit vor Ort sein, da die Hälfte der Paritätischen Frauenhäuser unter dem Dach der ZIF organisiert ist.
Zu den Hintergründen:
Durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg sowie die Energiekrise sind die Frauenhäuser unter besonderen Druck geraten. Es gibt noch immer kein Bundesgesetz, das sicherstellt, dass Frauengewaltschutz überall in Deutschland ausreichend finanziert wird. Die Finanzierung ist von Bundesland zu Bundesland, teilweise sogar von Landkreis zu Landkreis und Stadt zu Stadt, unterschiedlich geregelt und organisiert. Denn ihre Finanzierung basiert fast durchweg auf freiwilligen Leistungen von Ländern und Kommunen. In den Paritätischen Strukturen befinden sich aktuell 130 Frauenhäuser und 200 Frauenberatungsstellen insgesamt.
Deutschland hat 2017 das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“ (sog. Istanbul-Konvention) ratifiziert. Es ist seit 1. Februar 2018 als rechtlich bindendes Menschenrechtsinstrument in Kraft und verpflichtet Deutschland dazu, Gewaltschutz für Frauen und Mädchen auskömmlich und bedarfsgerecht zu finanzieren und auszubauen. Aktuell hat die Bundesregierung bereits erste Schritte umgesetzt: Sie hat eine Monitoringstelle eingerichtet, eine Koordinierungsstelle für das Jahr 2023 angekündigt, die deutschen Vorbehalte gegenüber der Konvention nicht verlängert. Das, was allerdings besonders viel Geld kostet, der Ausbau der Infrastruktur und Beratung, wird derzeit noch diskutiert. Bei der angespannten Haushaltslage besteht daher Grund zur Sorge, dass nicht alle Zielvorgaben des Koalitionsvertrags auch in die Tat umgesetzt werden. Dort steht geschrieben, dass „ein bundeseinheitlicher Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern“ sichergestellt werden soll.
Folgt man der Konvention, fehlen in Deutschland aktuell über 14.000 Frauenhausplätze. Bundesweit gab es vor einem Jahr, im März 2022, rund 90 Landkreise und kreisfreie Städte ohne ein Frauenhaus. Seither sind kaum Frauenhäuser hinzu gekommen. Die Anzahl inklusiver und insbesondere barrierearmer Frauen- und Mädchenhäuser ist verschwindend gering. Und das, obwohl z. B. behinderte Frauen und Mädchen überproportional von Gewalt in jeglicher Form betroffen sind. Hinzu kommt, dass in Deutschlands Frauenhäusern aktuell mehr Kinder als Frauen leben, da viele Bewohner*innen Mütter sind. Auch auf die Bedürfnisse und Traumata der Kinder und Jugendlichen muss eingegangen werden. Sie sind eine eigene Zielgruppe und brauchen pädagogische Fachkräfte und Angebote, die sie unterstützen. Das kostet.
Der Verband hat deshalb bereits 2020 mit der ZIF und dem bff (Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe) ein gemeinsames Eckpunktepapier zur Finanzierung der Hilfestrukturen für von Gewalt betroffene Frauen und ihren Kindern auf den Weg gebracht. Darin fordern die Verbände eine einzelfallunabhängige, bundeseinheitliche Finanzierung aller Angebote der Hilfe- und Unterstützungsstrukturen auf gesetzlicher Grundlage!
Weitere Informationen zum Thema:
Eckpunktepapier zur Finanzierung der Hilfestrukturen für von Gewalt betroffene Frauen und ihren Kindern, https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Schwerpunkte/Familie_und_Frauen/doc/2020_Eckpunktepapier_bff_ZIF_Der_Paritaetische.pdf
Vorfahrt für Gemeinnützigkeit, Gewaltschutz für Frauen, https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/gewaltschutz-fuer-frauen-flyer-zur-themenoffensive-echtgut-vorfahrt-fuer-gemeinnuetzigkeit-erschienen/
Bundesweite Standards für die notwendige Ausstattung und fachliche Arbeit von Frauenhäusern, https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Schwerpunkte/Familie_und_Frauen/doc/broschuere_rahmenbedingungen_frauenhaus_web_01.pdf
Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Absicherung des Hilfesystems für von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Mädchen, Frauen und ihre Kinder, https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Schwerpunkte/Familie_und_Frauen/img/DV-9-21_Empfehlungen_Hilfe_gewaltbetroffene_Frauen-1.pdf
Gewaltschutz unter Druck – Umgang mit Rassismus und Rechtsextremismus im Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen, https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Schwerpunkte/Familie_und_Frauen/doc/gewaltschutz-unter-druck_web.pdf