Richtig überlisten lässt sie sich nicht – Kleine Gartenplauderei
Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Vor ein paar Tagen hat sich der Frühling noch einmal den Wintermantel übergeworfen, als befürchtete er, die Blüten der Sternmagnolie und des Tulpenbaums könnten am Ende in einer frostigen Nacht doch noch Schaden nehmen.
Dabei genießen sie unter ihrer geradezu maßgeschneiderten Hülle den besten Schutz. Wenn sich der Winter mit triefender Nase in seine kalte Heimat verzogen hat und die Sonne wieder hoch genug steht, um genügend Wärme spenden zu können, öffnet sich die Hülle wie von Geisterhand und fällt zu Boden.
Erleichtert streicht sich die Trauerweide eine Strähne aus dem Gesicht. Sie haben ihr mattes Grün abgelegt und sind mit ihrer freundlichen Tönung zum Gelb hin nicht zu übersehen. Jetzt weiß auch der Fliederstrauch in der hintersten Ecke des Gartens, dass er sich für den Auftritt im Mai rüsten muss. Seine Knospen erwecken den Anschein, als könnten sie das große Finale kaum erwarten.
Verzückt entrollt die Zaubernuss ihre Blütenfäden und die Schneeglöckchen geben uns eine Ahnung davon, was unter ihnen demnächst ans Licht will. Triste Hecken geben sich als Forsythien zu erkennen und geben den wintermüden Augen der Stadtmenschen nach der Monotonie des Winters mit ihrem prallen Gelb neue Kraft. Von einem Tag auf den anderen schmückt sich die Blutpflaume mit abertausend rosafarbenen Blüten, an deren Knospen sich fette Tauben über Wochen hinweg gütlich getan haben.
Die Rhododendronbüsche machen noch keine Anstalten, sich zu messen. Auch die Azaleen dämmern scheinbar noch vor sich hin. Der Apfelbaum in Garten des Nachbarn lässt noch nichts ahnen vor der Blütenpracht, mit der er über kurz oder lang von sich reden machen wird. Geschwätzige Krähen nutzen seine Äste als Rastplatz für einen Plausch mit ihresgleichen, bevor sie weiter ziehen auf die als frisch gepflügten Felder vor den Toren der Stadt.
Munter wie immer führen sich Eichhörnchen auf, wenn sie auf der Wiese und auf der Terrasse nach vergrabenen Walnüssen des vergangenen Herbstes suchen oder das Futterhäschen für die Vögel nach Essbarem inspizieren, argwöhnisch beäugt von Meisen, die unermüdlich einen Sonnenblumenkern nach dem anderen in das schützende Dunkel des Rhododendrons entführen, wo sie hektisch mit wenigen Schnabelhieben den begehrten fettigen Inhalt bloßlegen.
Die musikalische Konkurrenz lässt um diese Zeit nicht viel von sich hören. Bald wird der Buchfink mit seinem schmetternden Gesang alle Mitbewerber aus dem Felde schlagen. Bis auf den Zaunkönig ist ihm an Lautstärke keiner gewachsen, es sei denn, man gehört zu den Frühaufstehern. In der Kühle des Morgens, noch bevor das Rauschen des städtischen Verkehrs die Stille der Nacht vertrieben hat, lässt uns der einsame Gesang einer Amsel dahinschmelzen wie eh und je.
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