Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Berlin, Teil 398
Der Paritätische
Berlin (Weltexpresso) - Der Bundestag hat am 7. Juli 2023 dem Gesetzesvorhaben für Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher zugestimmt.
Das Gesetzesvorhaben dient der Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie 2020/1828. Da die Beteiligung des Bundesrates für dieses Gesetzesvorhaben erforderlich ist, wird das Gesetz wohl frühestens nach der parlamentarischen Sommerpause im September 2023 in Kraft treten können. Die Umsetzung der EU-Richtlinie ist überfällig und hätte bereits bis zum 25. Juni 2023 erfolgen müssen. Es bleibt abzuwarten, ob und welche Maßnahmen die EU-Kommission wegen dieser verzögerten Umsetzung gegen Deutschland einleiten bzw. fortführen wird.
Zu diesem Gesetzesvorhaben haben wir bereits in unseren Fachinformationen vom 22. Februar 2023 und 14. April 2023 informiert. Das nunmehr vorliegende Gesetz wurde entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucksache 20/7631) vom Bundestag verabschiedet. Zum Regierungs- bzw. Referentenentwurf wurden nochmals einige wichtige Änderungen vorgenommen.
Insoweit fassen wir hier kurz den Regelungsgehalt des Gesetzes zusammen und weisen auf die Änderungen hin, die noch zum Regierungsentwurf erfolgt sind.
Die hauptsächlichen Vorschriften für die Verbandsklagen werden im neuen Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) zusammengefasst. Verbandsklagen können nach dem VDuG als Abhilfeklage (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VDuG) oder als Musterfeststellungsklage (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 VDuG) erhoben werden.
Mit der § 14 VDuG näher geregelten neuen kollektiven Leistungsklage (Abhilfeklage) sollen die individuelle Rechte von Verbraucher*innen gegen Unternehmer durchgesetzt werden können, die durch Verstöße der Unternehmer entstanden sind. Gegenstand der Abhilfeklage sind nach § 1 Abs. 1 VDuG alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Ansprüche und Rechtsverhältnisse einer Vielzahl von Verbraucher*innen gegen Unternehmen betreffen. Dabei können nicht nur Zahlungsanträge gestellt werden, sondern auch Anträge, mit denen die Verurteilung zu einer anderen Leistung angestrebt wird.
Dieses Vorgehen besteht dann neben der bereits möglichen Musterfeststellungklage. Das Verfahren der Musterfeststellungsklage wurde in das VDuG integriert (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 VDuG i.V.m. § 41 VDuG) .
Die Voraussetzungen für die klageberechtigten Stellen für Verbandsklagen des § 1 Abs. 1 VDuG sind in § 2 VDuG geregelt. Qualifizierte Einrichtungen, wie Verbraucherverbände, sind dann für die Erhebung von Abhilfe- wie auch Musterfeststellungklagen klageberechtigt, wenn sie
1. in der Liste nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) eingetragen sind,
und
2. nicht mehr als 5 Prozent ihrer finanziellen Mittel durch Zuwendungen von Unternehmen beziehen.
Aktuell sind 65 qualifizierten Einrichtungen in der Liste nach § 4 UKlaG eingetragen.
Qualifizierte Einrichtungen anderer Mitgliedstaaten der EU (auch dort werden entsprechende Listen geführt und an die EU-Kommission übersandt) sind in Deutschland klageberechtigt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 VDuG).
Besonders praxisrelevant dürfte das Verfahren einer Abhilfeklage nach § 16 Abs. 1 Satz 2 VDuG werden. Danach verlangt der klagende Verband die Leistung an namentlich nicht genannte Verbraucher*innen. Insoweit ergeht zunächst ein Abhilfegrundurteil, in dem nur die Haftungsparameter festgelegt werden. Anschließend erhält der verurteilte Unternehmer die Möglichkeit, die Erfüllung der Ansprüche selbst zu organisieren (sog. Vergleichsphase). Gelingt den Parteien keine Einigung, folgt ein Abhilfeendurteil, in dem bei Zahlungsansprüchen der Unternehmer zur Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrags verurteilt wird. Die Verteilung dieses Betrags an die berechtigten Verbraucher*innen erfolgt durch einen Sachwalter in einem sog. Umsetzungsverfahren.
Ein Verbandsklageregister wird beim Bundesamt für Justiz geführt (§ 43 VDuG).
Für die entsprechenden Klageverfahren sind die Oberlandesgerichte am Gerichtsstand des Unternehmens zuständig.
Änderungen zum Regierungsentwurf wurden u.a. noch in folgenden Punkten vorgenommen:
a.
Nach § 4 Abs. 1 VDuG ist von dem klagenden Verband lediglich „nachvollziehbar darzulegen“, dass 50 Verbraucher*innen betroffen sein können.
b.
Kleine Unternehmen werden nach § 1 Abs. 2 VDuG dann Verbrauchern gleichgestellt, wenn sie weniger als 10 Personen beschäftigen und ihr Jahresumsatz nicht mehr als 2 Millionen EUR beträgt.
c.
Die Verjährung wird lediglich für tatsächlich angemeldete Ansprüche gehemmt. Die Anmeldung entsprechender Ansprüche hat nach § 46 VDuG bis zum Ablauf von 3 Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung zur Eintragung in das Verbandsklageregister zu erfolgen
d.
Eine Drittmittelfinanzierung für die Klagen nach § 4 Abs. 3 VDuG ist seitens der klageberechtigten Stelle dem Gericht in jedem Fall offenzulegen. Bei einer Finanzierung durch einen Dritten, sind auch die mit dem Dritten getroffenen Vereinbarungen vorzulegen. Dies gilt auch, wenn eine Finanzierung erst im laufenden Klageverfahren erfolgt.
Über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes werden wir Sie in Kenntnis setzen, sobald uns eine entsprechende Information vorliegt.
Dokumente zum Download
BT-Dr_20-7631_BeschlussempfehlungVRUG.pdf (1 MB)
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