Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Berlin, Teil 404
Der Paritätische
Berlin (Weltexpresso) - Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat den unabhängigen Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf 2015 ins Leben gerufen. Im Juli 2023 legte der Beirat seinen zweiten Bericht zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf in Deutschland vor.
Mit seinem zweiten Bericht übergibt der Beirat ein detailliertes Modell zur Reform von Pflegezeit und Familienpflegezeit und zur Einführung eines steuerfinanzierten Familienpflegegelds. Er folgt dabei dem Leitgedanken, Sorgearbeit für Nahestehende anzuerkennen – unabhängig von den individuellen Lebensformen und Verwandtschaftsverhältnissen – und gerade auch erwerbstätigen Menschen zu ermöglichen, diese Leistungen zu erbringen, ohne dabei in finanzielle Not zu geraten.
Folgend die wichtigsten Eckpunkte des vom Beirat vorgeschlagenen Modells zur konkreten Ausgestaltung einer Familienpflegezeit und eines Familienpflegegelds:
- Für jede pflegebedürftige Person können 36 Monate Familienpflegezeit in Anspruch genommen werden. Sechs Monate davon können eine vollständige Freistellung oder eine teilweise Freistellung sein.
- Die steuerfinanzierten Freistellungen für die pflegenden Angehörigen sollen mit dem Familienpflegegeld analog zum Elterngeld ausgestaltet werden und 36 Monate je pflegebedürftige Person umfassen.
- Einen Anspruch haben pflegende Angehörige. Hierzu zählen pflegende Familienangehörige und nahestehende Personen, die die Pflege übernehmen.
- Die kurzzeitige Arbeitsverhinderung kann mehrfach für eine pflegebedürftige Person oder für einen Sterbefall in Anspruch genommen werden. Für jede pflegebedürftige Person und für Personen in der letzten Lebensphase kann pro Jahr für zehn Arbeitstage ein Pflegeunterstützungsgeld bezogen werden.
- Anspruchsberechtigt für das Familienpflegegeld sind Beschäftigte im Sinne des § 7 Absatz 1 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) oder es liegt eine selbstständige Tätigkeit vor.
Laut des Beirats bedarf es jedoch weiterer Bausteine, um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu verbessern. Hierzu zählen verlässliche und den Bedarfen der Pflegebedürftigen und ihrer (erwerbstätigen) Angehörigen entsprechende Versorgungsstrukturen der professionellen Pflege.
Zudem müssen die gesetzlichen Maßnahmen besser an besonders vulnerable Gruppen wie pflegebedürftige Kinder oder Jugendliche und deren Angehörige angepasst werden.
Die Vereinbarkeitsproblematik in KMU (kleine und mittlere Unternehmen) sollte stärker in den Fokus gerückt werden, weil sie – im Vergleich zu großen Unternehmen – auf anderen Bedingungen fußt. Der Beirat will diese Thematik in der nächsten Berichtsperiode wieder aufgreifen und sich mit dem Thema intensiv befassen.
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie fragil das Pflegesystem in Deutschland ist und welche Herausforderungen in der Zukunft liegen. Auf dieser Basis formuliert der Beirat Empfehlungen mit der Absicht, die Angehörigenpflege krisenfester zu gestalten.
Den Bericht zum Download finden Sie auch auf der Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.