Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Teil 396
Der Paritätische
Berlin (Weltexpresso) - Nach aktuellen Plänen der Bundesregierung soll die Bezugsdauer von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von derzeit 18 auf 36 Monate verlängert werden. Damit hätten Asylsuchende noch länger lediglich Anspruch auf abgesenkte Sozial- und Gesundheitsleistungen. Deshalb fordert der Paritätische gemeinsam mit Ärzte der Welt, PRO ASYL und weiteren Organisationen die Bundesregierung in einem offenen Brief dazu auf, das Vorhaben umgehend zu stoppen.
Seit der Einführung des AsylbLG vor über 30 Jahren ringt der Paritätische neben weiteren zivilgesellschaftlichen Verbänden und Organisationen um die Abschaffung des diskriminierenden Sondergesetzes. Aktuell haben Asylsuchende nach dem AsylbLG in den ersten 18 Monaten des Asylverfahrens lediglich Anspruch auf medizinische Versorgung bei akuten Schmerzen, Schwangerschaft und Geburt. Oft entscheidet medizinisch nicht geschultes Personal in Sozialämtern, ob darüber hinaus Leistungen in Anspruch genommen werden können, zum Beispiel bei chronischen und psychischen Erkrankungen.
Dafür wurde die Bundesregierung bereits mehrfach von den Vereinten Nationen gerügt. Sie nun noch länger zu benachteiligen, ist menschenrechtswidrig und ignoriert die jüngste ausdrückliche Aufforderung des UN-Komitees zur Konvention gegen Rassismus (ICERD), die Ungleichbehandlung im Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen zu beenden (08.12.2023). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bereits im Jahr 2012 entschieden, dass die Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren sei. Der Versuch, die Flucht nach Deutschland zu begrenzen, indem man Geflüchteten den Zugang zu notwendiger Gesundheitsversorgung verwehrt, ist daher nicht nur unwirksam und menschenverachtend (nähere Informationen zur sog. „Pull-Theorie“ hier und hier), sondern auch verfassungswidrig.
Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung den klaren politischen Willen festgeschrieben, das AsylbLG im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG weiterzuentwickeln und den Zugang zur Gesundheitsversorgung für Asylsuchende zu vereinfachen. Das aktuelle Vorhaben, das bereits Anfang Januar 2024 zusammen mit dem sog. „Rückführungsverbesserungsgesetz“ (siehe auch hier und hier) beschlossen werden soll, läuft dieser Absicht nicht nur massiv entgegen, sondern würde sogar das Gegenteil bewirken.
Anstatt die Leistungen für Asylsuchende immer weiter zu kürzen, fordern die unterzeichnenden Organisationen deshalb u.a., das AsylbLG abzuschaffen und den Anspruch auf alle Gesundheitsleistungen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen für Geflüchtete gesetzlich zu verankern.
Der offene Brief wurde an Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundesminister Hubertus Heil sowie einzelne Bundestagsabgeordnete versandt und steht im Anhang der Fachinformation als Download zur Verfügung.
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