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Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Teil 409

Der Paritätische

Berlin (Weltexpresso) - Am Mittwoch hat das Kabinett unter dem Titel "Gutes Essen für Deutschland" eine Ernährungsstrategie beschlossen. Darin gibt sie ernährungspolitische Ziele und Leitlinien vor, definiert Handlungsfelder und fasst geplante und bestehende ernährungspolitische Maßnahmen zusammen.


Mit der Ernährungsstrategie formuliert die Bundesregierung den Anspruch, es allen Verbraucher*innen so einfach wie möglich zu machen, sich gut zu ernähren. Sie definiert dabei folgende strategische Ziele:

  • Ausgewogen essen und ausreichend bewegen – angemessene Nährstoff- und Energieversorgung und Bewegung unterstützen
  • Mehr Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte – pflanzenbetonte Ernährung stärken
  • Gesund aufwachsen und gesund alt werden – sozial gerechten Zugang zu gesunder und nachhaltiger Ernährung schaffen
  • Vielseitig essen in Kindertagesbetreuung, Schule und Kantine – Gemeinschaftsverpflegung verbessern
  • Gutes Essen für uns und unsere Erde – Angebot nachhaltig und ökologisch produzierter Lebensmittel erhöhen
  • Essen wertschätzen – Lebensmittelverschwendung reduzieren

Die Bundesregierung identifiziert Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung, wie Kitas, Schulen, Betriebe, Kliniken sowie Senioreneinrichtungen, als wirksame Hebel für die Umsetzung einer gesunden und nachhaltigen Ernährung. Ziel ist eine bedarfsgerechte, ausgewogene und nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung auf Basis der DGE-Qualitätsstandards. In Kitas und Schulen sollen die DGE-Qualitätsstandards bis 2030 verbindlich werden.

Erreichen will die Bundesregierung diese Ziele vor allem durch Beratung. Als konkrete Maßnahme benennt die Strategie u.a. die Unterstützung der Vernetzungsstellen für Kitas und Schulen sowie die Aktivitäten des Nationalen Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule (NQZ). Zu den weiteren Maßnahmen zählt eine Machbarkeitsstudie, in der ein krisensicheres, nationales Ernährungsprogramm (für Kita- und Schulverpflegung) geprüft werden soll.
 

Bewertung aus armutspolitischer Perspektive:

Die Ernährungsstrategie thematisiert auch die soziale Frage bei der Ernährung und benennt auch die Bekämpfung von Ernährungsarmut als ausdrückliches Ziel. Das ist grundsätzlich zu begrüßen und ein Fortschritt gegenüber früheren Regierungen. Unter Ernährungsarmut wird dabei in der Ernährungsstrategie eine "qualitativ oder quantitativ unzureichende Ernährung" verstanden. Als mögliche Gründe werden unter anderem "unzureichender Zugang zu gesunder und nachhaltiger Ernährung oder mangelnde Ernährungskompetenzen" genannt (S. 6). Dagegen ist zu betonen, dass Armut primär immer ein Mangel an Ressourcen ist, der es nicht erlaubt, bestehende Bedarfe in einem ausreichenden Maße zu decken. Genau dies ist auch der zentrale Grund für "Ernährungsarmut": Es fehlt schlicht das Geld, um die benötigten Lebensmittel zu kaufen.

An dieser Stelle fehlen aber in der Ernährungsstrategie entsprechende Maßnahmen. So wurde etwa im Diskussionsprozess im Vorfeld der Ernährungsstrategie vielfach darauf hingewiesen, dass insbesondere die Leistungen der Grundsicherung nicht ausreichend sind für eine Ernährung nach den angestrebten Standards. Gegen Armut hilft Geld und davon ist in der Ernährungsstrategie leider keine Rede - weder mehr Geld für die Sozialleistungen noch mehr Geld zur qualitativen und quantitativen Ausbau von Gemeinschaftsverpflegung (etwa: Schulverpflegung). Vorschläge wie die Verbesserung der Wissensbasis, "transformationsorientierter Forschung", "innovativer Ansätze im Bereich soziodiverse Ernährungsbildung" sowie einzelne Pilotprojekte (dies sind die konkreten Ideen unter der Überschrift "Soziale Aspekte der Ernährung" - S. 27ff.) klingen gut und sind sicherlich auch sinnvoll, helfen aber letztlich nicht viel gegen das Problem, dass die Menschen schlicht zu wenig Geld haben.