Der Paritätische
Berlin (Weltexpresso) - Die Zugänglichkeit ihrer Webangebote rückt für viele Unternehmen und Organisationen immer mehr in den Fokus. Der Markt bietet Software-Lösungen, die eine schnelle Abhilfe für barrierenbehaftete Webseiten versprechen: sogenannte Overlay-Tools. Doch sind diese Lösungen durchaus umstritten.
Was sind Overlay-Tools?
Overlay-Tools sind Programme, die neben den eigentlichen Webredaktionssystemen auf dem Webserver eingebunden werden. Sie bieten in einer Art „schwebendem Menü“ (overlay) seitenweit aufrufbare Zusatz- und Änderungsfunktionen wie Textvergrößerung, Kontraständerungen oder Sprachausgabe an, die die Webseiteninhalte zugänglicher machen sollen. Sie werden oft als einfache und kosteneffiziente Lösung für die Einhaltung offizieller Barrierefreiheitsstandards (WCAG 2.2, EN 3091549) präsentiert.
Die Grenzen von Overlay-Tools
Overlay-Tools lösen das Versprechen, Webseiten barrierefrei zu machen, bislang nicht ein. Wie von Expert*innenorganisationen hervorgehoben, können schlecht programmierte Overlay-Tools sogar selbst zu Barrieren werden:
1. Mit Overlay-Tools können zugrundeliegende Mängel der Barrierefreiheit einer Webseite nicht nachträglich behoben werden. Vielmehr müssen bei der Planung, Entwicklung und Pflege einer Webseite die genannten Barrierefreiheitsstandards umgesetzt werden. Das heißt auch: Gesetzliche Anforderungen an die Barrierefreiheit lassen sich nicht durch den Einsatz eines Overlay-Tools erfüllen.
2. Diese Tools können ihrerseits zu digitalen Barrieren werden, z.B. wenn diese Tools selbst nicht die besagten Standards einhalten, wenn sie sich nicht barrierefrei abschalten lassen oder wenn sie die Zugänglichkeit einer Webseite für Nutzer*innen von assistiven Technologien wie Screenreadern und Bildschirmvergrößerungsprogrammen erschweren. Letzteres kann dadurch entstehen, dass das Tool Webinhalte überlagert.
3. Overlay-Tools können keine behinderungsübergreifende Barrierefreiheit herstellen. Für bestimmte Nutzer*innengruppen können sie als Ergänzung zu einer barrierefreien Webseite einen Mehrwert haben. Zu denken ist dabei z.B. an Menschen, die selbst keine assistiven Technologien nutzen und für die die Overlay-Einstellungsmöglichkeiten die Nutzung einer Webseite erleichtern. Das können etwa Menschen sein, die in der Computernutzung nicht erfahren genug sind, um entsprechende Einstellungen z.B. zu Kontrasten oder zu Schriften über ihren Browser oder im Betriebssystem vorzunehmen. Für diese Zielgruppen bedeutet das aber auch, dass sie die Einstellungen auf unterschiedlichen Webseiten neu vornehmen müssen und dass sie sich angesichts der Vielzahl an vorhandenen Overlay-Tools immer in das jeweils eingesetzte einarbeiten müssen.
Kritische Stellungnahmen
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV), Mitgliedsorganisation des Paritätischen, empfiehlt daher, vorhandene Kapazitäten in die barrierefreie Gestaltung der Online-Medien selbst zu investieren. Soll ein Overlay-Tool auf einer barrierefreien Webseite eingesetzt werden, formuliert der DBSV in einer Stellungnahme zu Barrierefreiheit von Webseiten und Accessibility Overlays Anforderungen für deren Einsatz. Auch die Überwachungsstelle für barrierefreie Informationstechnik (BfIT) Bund und das European Disability Forum (EDF) warnen vor der Annahme, dass Overlay-Tools eine vollständige Lösung für die digitale Barrierefreiheit darstellen könnten. Sie betonen ebenso wie der DBSV die Notwendigkeit, die Webseiten selbst gemäß den Barrierefreiheitsstandards zu gestalten. Overlays vermitteln eine falsche Sicherheit, die letztendlich dem Ziel einer allgemein zugänglichen digitalen Welt entgegenstehen kann.