Habitatpflege im Nordschwarzwald
Sabine Zoller
Kaltenbronn (Weltexpresso) Das Auerhuhn ist ein beeindruckender Urvogel, der auch vielerorts als Wappentier bekannt ist. Doch heute ist es selten geworden, da seine Lebensräume bedroht sind. Dazu zählen die dicht von Fichten bewachsenen Wälder ebenso wie die Störungen durch Menschen, die den Erhalt des Auerwilds gefährden.Um wichtigen Lebensraum für das vom Aussterben bedrohte Schwarzwälder Wappentier zu schaffen, haben sich rund dreißig Helfer dem Aufruf zur Habitatpflege gemeldet. Eingeladen hatten dafür der Verein Auerhuhn im Schwarzwald (AiS) und der Schwarzwaldverein e. V., die sich dank der Freiwilligen am Ende des Tages über eine Freifläche von 0,5 Hektar als neuen Lebensraum für das Auerwild freuten.
Die Dauerausstellung im Infozentrum Kaltenbronn bietet dazu zwar umfangreiche Aufklärung, „aber ohne entsprechende Maßnahmen sind wir überzeugt, dass das Auerhuhn unwiderruflich aussterben wird“, betont Renate Fischer. Die stellvertretende Leiterin des Infozentrums wirbt gemeinsam mit Forstwirt Matthias Mohaupt, Projektmanager und Habitatpfleger des Vereins Auerhuhn im Schwarzwald, für einen ungestörten Lebensraum der Auerhühner.
„Wir wollen etwas tun – gemeinsam für das Auerhuhn!“ „Der Bestand des Auerhuhns im Schwarzwald hat so stark abgenommen, dass das Überleben auf Messers Schneide steht. 2021 konnten nur noch 228 Auerhühner gezählt werden“, berichtet Matthias Mohaupt bei der Begrüßung der vielen Helfer am Infozentrum Kaltenbronn.
Bereits 1988 starteten die ersten systematischen Forschungen zum Auerhuhn durch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA). Um die Population zu stützen, wurden räumliche Konzepte erarbeitet und Flächen durch Auflichtung aufgewertet. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind nun die Grundlage für den „Aktionsplan Auerhuhn“, um den Erhalt des Wildtiers nachhaltig zu sichern. Da zum Schutz des Auerhahns lichtdurchflutete Nadelwälder, offene Strukturen zum Durchfliegen, schützende Baumkronen und eine reiche Bodenflora mit Heidelbeeren, Kräutern und nahrhaften Insekten benötigt werden, sind die hochmotivierten Helfer bereit, um im Wald mit Astscheren und Sägen Lichtinseln für das Auerhuhn zu schaffen.
„Ich bin ein Naturmensch“, berichtet Friedemann Schreck aus Calw, der auf den Kaltenbronn mit dem Motorrad gefahren ist, um nach einer Einführung im Wald mit Säge und Astschere mit anzupacken. Revierleiter Michael Gues, zugleich Fachbereichsleiter Auerwild, zeigt sich begeistert: „Ich bin dankbar für die vielen Unterstützer, die heute hier sind – sei es vom Schwarzwaldverein, der Kreisjägervereinigung oder dem Revierpächter.“
Um die Waldrandstrukturen zu fördern, die nicht nur für das Auerhuhn, sondern auch für andere Arten wie den Sperlingskauz, die Kreuzotter und die Ringdrossel wertvolle Lebensräume bieten, müssen die schnellwachsenden Fichten auf der Fläche entfernt werden. Dabei gilt es, den Anteil an Kiefern zu erhöhen, da diese – ebenso wie die Tanne – eine wichtige Winternahrung für das Auerhuhn darstellen. Für Karl-Heinz Becker, Jagdpächter aus Enzklösterle, der mit der Motorsäge arbeitet, ist das eine sinnvolle Aktion: „Diese Maßnahmen sind besonders wichtig für Auerhennen und ihre Küken, da sie in den freigelegten Flächen Nahrung und Schutz finden.“ Zum Schutz des Auerhahns ist der Jagdpächter zudem darauf bedacht, die Schwarzwildbestände im Zaum zu halten, da auch Wildschweine das Auerhuhn bedrohen. „Das Auerhuhn ist ein Bodenbrüter, und wenn es viel Schwarzwild gibt, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese die Gelege finden“, berichtet sein Jagdkollege Christian Graf, der aus Hessen angereist ist.
Eine spannende Herausforderung für den 14-jährigen Moritz Hellwig aus Kassel, der seine Herbstferien bei seiner Großmutter in Bad Wildbad verbringt: „Ich kenne den Wald von Wanderungen, und dass ich nun das Habitat pflegen kann, finde ich toll.“ Durch seine Mithilfe erfährt er von Matthias Mohaupt mehr über die bedrohte Tierpopulation und deren Schutz vor Fressfeinden. Dass so ein Tag im Wald lehrreich ist, zeigt auch Jutta Günthner vom Schwarzwaldverein Bad Wildbad, die gemeinsam mit ihren Enkeln Miria, Leni und Hannah junge Fichtentriebe aus dem Boden zupft. „Fichte sticht – Tanne nicht“, erklärt sie mahnend. „Wir wollen mithelfen. Uns liegt der Erhalt dieses besonderen Tieres am Herzen, und so lernen die Kinder Wissenswertes über unsere Heimat.“ Wissenswertes zum Thema Blaubeeren, Kräutern und Pflanzen weiß zudem Forst-Assessorin Elena Höhn zu berichten, die in Bad Wildbad aufgewachsen ist.
Für Ute Krispens und Peter Adler aus Simmersfeld ist die Habitatpflege im Wald eine sinnvolle Beschäftigung. Cora Huber aus Bad Herrenalb beschreibt ihre Motivation wie folgt: „Als Kind war ich schon viel im Schwarzwald unterwegs zum Wandern. Daher habe ich heute beschlossen, dem Wald und seinen Bewohnern etwas zurückzugeben.“ Munter schwingt sie dabei die Astschere und betont: „Hier kann man sich so richtig austoben und für das Auerhuhn in der Natur auch einmal Hand anlegen. Ich kann das nur weiterempfehlen.“ Dass man dabei ordentlich ins Schwitzen kommt, belegt Berthold Höhn, der wohl als ältester Teilnehmer aktiv ist und erklärt: „Das ist heute nicht nur Waldbaden, sondern eine regelrechte Wald-Sauna!“
Als Dank für die Unterstützung bei den freigelegten Flächen gibt es nach getaner Arbeit ein gemeinsames Mittagessen zur Stärkung der Helfer. Um den Urvogel im Nordschwarzwald zu schützen, ist nach Aussage von Revierförster Gues für das Habitat und den Lebensraum des Auerwilds künftig eine Gesamtfläche von rund 12 Hektar vorgesehen.
Fotos:
Impressionen zur Habitatpflege
© Sabine Zoller