321455C3 2C6C 4020 927D 291755556219 1 105 cNachbar im Einsatz

Sabine Zoller

Bad Herrenalb (Weltexpresso) - Der Dachstuhlbrand eines Mehrfamilienhauses hat am vergangenen Samstag die Nachbarschaft in Bad Herrenalb erschüttert. Während die Ursache des Feuers noch untersucht wird, ragen Geschichten von Mut und Selbstlosigkeit hervor. Eine davon erzählt von Nick Friesen (32), der nur zwei Häuser entfernt wohnt und zur Hilfe eilte, als dichte Rauchschwaden bereits ihren Weg durch das Dachgeschoss gen Himmel bahnten.


4808048E 5772 4DCA BE94 3EBC339903EE 1 105 cDer zweifache Familienvater, der sich ohne Zögern ins Nachbarhaus wagte, erinnert sich genau an die dramatischen Minuten: „Ich kam gerade nach Hause und wollte noch etwas aus dem Auto ausladen. Plötzlich roch ich Rauch“, erzählt Friesen. „Erst dachte ich, es könnte von meinem Haus kommen.“ Doch ein Blick zum Nachbarhaus machte die Lage klar: Rauch quoll aus einem Dachfenster, und eine Frau schrie um Hilfe. „Ich sah sie oben aus dem Fenster schauen. Ihr Kopf war zu sehen, und sie rief verzweifelt“, beschreibt er die Situation.

Ohne zu zögern rannte Friesen zusammen mit dem etwa gleichaltrigen Ralf Sarkander aus Bad Herrenalb ins Gebäude. „Die Haustür war offen, jemand hatte bereits die Feuerwehr gerufen. Gemeinsam stürmten wir die Treppen hoch. Doch vor der Wohnungstür der Frau war Schluss – sie war verschlossen.“ Die beiden Männer traten die Tür ein. „Glas splitterte, und Ralf Sarkander verletzte sich dabei an der Hand.“ Dahinter führte die Treppe weiter nach oben, doch dichter Rauch machte ein Weiterkommen unmöglich. „Es war alles schwarz, und der Rauch war so dicht, dass wir nichts mehr sehen konnten.“

Die Männer entschieden, die anderen Wohnungen abzuklingeln, um die Bewohner zu warnen und aus dem Haus zu holen. Unter den Geretteten war eine 97-jährige Frau sowie eine junge Familie mit einem kleinen Mädchen, das an diesem Tag eigentlich ihren fünften Geburtstag feiern wollte. „Die Kleine stand draußen nur in einem T-Shirt. Weil es kalt war, habe ich ihr meine Jacke und der älteren Dame meinen Pullover gegeben“, erzählt Friesen.

Ein weiteres Detail bleibt ihm in Erinnerung: „Auf der obersten Stufe der Treppe saß eine Katze. Sie war wie erstarrt.“ Obwohl Friesen selbst nicht mehr weiterkam, gelang es der Feuerwehr, das Tier zu retten. Mit Rauchvergiftungen und Verbrennungen wurde es in die Tierklinik nach Hörden gebracht, dort versorgt und hat sogar nun nach kurzer Zeit eine neue Familie in Bad Herrenalb gefunden.

D9B58AD7 EC99 419A 92C5 AF9C9CBFAF36 1 105 cIm Rückblick wirkt Friesen gefasst, doch die Ereignisse haben ihn sichtlich bewegt. „Man denkt in so einem Moment nicht nach. Es war eine Kurzschlussreaktion, weil jemand Hilfe brauchte. Als wir aus dem Haus waren, schlugen bereits große Flammen aus dem Dach“, berichtet er. Mit leiser Stimme fügt er hinzu: „Und dann haben wir auch keine Schreie mehr gehört.“

Erst später habe er darüber nachgedacht, was hätte passieren können. „Ich bin froh, dass wir die anderen Bewohner rechtzeitig rausbekommen haben und alles glimpflich ausgegangen ist. Auch die schnelle Ankunft der Feuerwehr war entscheidend.“

Für Friesen war die Entscheidung, ins brennende Haus zu rennen, zwar nicht geplant, aber selbstverständlich. „Ich musste einfach helfen.“ Seine Ausbildung bei der Bundeswehr vor über zehn Jahren habe ihm geholfen, in Stresssituationen ruhig zu bleiben und schnell zu handeln.

Das betroffene Gebäude ist derzeit unbewohnbar, doch die Nachbarschaft zeigt sich solidarisch. „Die Familie mit dem kleinen Mädchen kam abends noch zu meiner Familie und hat sich bedankt. Sie haben nichts gemerkt und wären vom Rauch völlig überrascht worden.“

Trotz der dramatischen Umstände bleibt Friesen bescheiden: „Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Doch für viele in der Nachbarschaft ist klar: Er hat Leben gerettet.

Fotos:
© Sabine Zoller