Das 51. Frankfurter Reitturnier
Notker Blechner/ Ulla Michelin
Frankfurt/ Main (Weltexpresso) – Beim hochdotierten Großen Preis von Hessen gingen die favorisierten deutschen Springreiter erneut leer aus. Der Holländer Jur Vieling mit seinem Pferd Helwell stahl ihnen die Schau. Trotzdem zeigten sich die Veranstalter des Turniers hoch zufrieden.
Selbst für den amtierenden Olympiasieger Christian Kukuk war der Parcours beim internationalen Reitturnier in der Frankfurter Festhalle zu anspruchsvoll: Mit einem Abwurf und vier Fehlerpunkten schaffte er es nicht, sich für das Stechen zu qualifizieren. Kukuk wurde in einem hochkarätigen Teilnehmerfeld nur Fünfter. Er sei heiss auf die einzige Atmosphäre in der Festhalle gewesen, sagte der 34-jährige Topfavorit hernach.
Eigentlich war alles angerichtet für einen deutschen Sieg: Gleich drei deutsche Reiterpaare kamen ohne Fehler durch und durften zum Stechen antreten. Doch das Trio zeigte im entscheidenden finalen Durchgang Nerven - und hatte das Nachsehen gegenüber dem einzigen ausländischen Konkurrenten. Der Niederländer Jur Vrieling behielt mit seiner elfjährigen Stute Helwell du Chabus kühlen Kopf. Fehlerlos ritt er in 36,77 Sekunden über die zahlreichen Hindernisse auf dem engen Parcours und holte den Grossen Preis von Hessen. Dafür erhielt er die stolze Siegprämie von 22.000 Euro. Vrieling, der bei den Olympischen Spielen in London 2012 Teamsilber geholt hatte, nannte auf der anschliessenden Pressekonferenz als Grund für den Erfolg die «gute Verbindung» mit seinem Pferd. Zudem habe er auch ein bisschen Glück gehabt.
Die heimliche Siegerin
Ebenfalls fehlerlos blieb Maximilian Weishaupt aus Jettingen mit seinem Pferd Omerta Incipit. Mit 37,06 Sekunden war er aber einen Tick langsamer als Vrieling. «Ich habe ein Riesenglück, ein so tolles Pferd zu haben, aber das Pferd hatte heute nicht so viel Glück mit dem Reiter», gab er selbstkritisch zu. Nur Dritte wurde Teike Friedrichsen aus Hörup mit Greece, die heimliche Siegerin. Sie war in beiden Durchgängen die Schnellste, machte aber im entscheidenden Stechen einen Hindernisfehler. Dennoch zeigte sie sich nicht enttäuscht. Die Auszeichnung zur erfolgreichsten Amazonin mache sie stolz.
Der Überraschungssieg des 55-jährigen Niederländers krönte das viertägige abwechslungsreiche Reit-Spektakel in der Frankfurter Festhalle kurz vor Weihnachten. Zum Auftakt des Turniers gab es am Mittwoch eine sehenswerte Show aus Akrobatik und Pferde-Tanz. Danach gehörte die Bühne ganz den Dressur- und Springreitern. Es gab ein Dutzend Wettbewerbe - mit einigen Überraschungen. So gewann beim Dressur-Grand Prix Special Katharina Hemmer mit Denoix. Sie besiegte die achtfache Olympiasiegerin Isabell Werth mit Quantaz. Beim Avalon Premium Cars Champions Cup verblüffte der Italiener Elia Simonetti die Fachwelt. Er gewann sensationell das erste 1,50-Meter-Springen seiner Laufbahn. «Ich bin erst das vierte Mal in meinen Leben auf einem 4-Sterne-Turnier, es ist unglaublich», freute er sich.
Neuer Zuschauerrekord
Das Interesse am Reitturnier war riesig. 55.000 Besucher – so viel wie nie - strömten an den vier Tagen in die Festhalle, um die Reiter und Pferde zu bewundern. Turnierleiter Matthias Rath schwärmte von der «fantastischen Atmosphäre» und dem «tollen Sport». Wenn nicht bald Weihnachten wäre, «hätten wir durchaus noch ein paar Tage weitermachen können», meinte er. Andreas Franken, Vorstandsmitglied des Sponsors Deutsche Vermögensberatung, fand das Turnier gar filmwürdig. «Aus diesem Turnier könnte man einen wunderbaren Weihnachtsfilm machen», empfahl er.
Darüber wird Turnier-Chef Rath nachdenken. Der 40-jährige Ex-Dressurreiter hat noch einige Ideen für die Weiterentwicklung des Vier-Sterne-Wettbewerbs, das längst in einer Liga mit dem Wiesbadener Pfingstreitturnier spielt. Rath sieht durchaus noch Potenzial nach oben.
Eine bewegte Geschichte
1909 fand das Springen erstmals in Frankfurt statt – damals noch im Hippodrom in Sachsenhausen. 1934 kam der Umzug in die Festhalle. Danach fiel das Turnier mehrfach aus, bis Josef Neckermann es 1955 wieder belebte. Mit Stolz erzählte Fritz Linsenhoff, der damals dabei war, wie 80.000 Lehmziegel als Grundlage für den Reitboden in der Festhalle verlegt wurden. Heute sind ausschliesslich Reitplatz-Matten ausgelegt.
Wegen Finanzierungsschwierigkeiten fand das Turnier danach immer wieder mit Unterbrechungen statt. Erst seitdem die Familie von Olympiasiegerin Ann-Kathrin Linsenhoff 2003 als Turnierveranstalter miteinstieg, wird das Weltklasse-Springen alljährlich in der Festhalle abgehalten.
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