buwaVeröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Teil 768


Der Paritätische

Berlin (Weltexpresso) - Was planen die Parteien zur Bundestagswahl an sozialpolitischen Aktivitäten? Welche Maßnahmen kündigen sie gegen Armut und Ungleichheit an? Wir haben uns die Programme der im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien näher angeschaut und die Vorhaben für verschiedene Aspekte der Sozialpolitik zusammengefasst.


Am 23. Februar findet die Bundestagswahl statt. Und obwohl dies eine richtungsweisende Wahl sein wird, haben die Debatten die soziale Frage bislang wenig thematisiert. Vor diesem Hintergrund haben wir uns die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien in Bezug auf ausgewählte Aspekte der sozialen Sicherung angeschaut und in einer Synopse nebeneinandergestellt. Genauer angeschaut haben wir uns die Aussagen zum Bürgergeld, zur Alterssicherung und dem Mindestlohn sowie allgemeine Aussagen zu Armut.

Armut und Ungleichheit  

Der Paritätische sieht erheblichen Handlungsbedarf. Armut und eine ungerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums werden vom Verband immer wieder – etwa durch die regelmäßigen Armutsberichte - als dringende Herausforderungen benannt. Mit den 50 Wahlforderungen hat der Verband seine Erwartungshaltung gegenüber den Parteien deutlich gemacht. Dazu zählen etwa die Besteuerung von großen Vermögen für eine gerechtere Verteilung des Wohlstands, höhere Leistungen für Grundsicherungsbeziehende und ein höheres Rentenniveau.  

Welche Antworten formulieren nun die politischen Parteien?

Bürgergeld  

Beim Bürgergeld sind die Positionen der Parteien deutlich auseinander. CDU / CSU und FDP fordern eine „Abschaffung“ oder grundlegende Reform des Bürgergelds. Die beiden Parteien sehen in der Erhöhung des Drucks auf die Leistungsberechtigten den richtigen Weg. Stärkung von „Fordern“ und „mehr Aktivierung“ bis hin zum kompletten Leistungsausschluss sind die maßgeblichen Rezepte. Verbesserungen durch die Bürgergeldreform sollen zurückgenommen werden. Die bestehende Leistungshöhe des Bürgergelds wird von der FDP sogar als zu hoch angesehen und soll reduziert werden. SPD und Grünen sind mit dem Status quo beim Bürgergeld weitgehend zufrieden und betonen bestehende Verpflichtungen der Leistungsberechtigten zur Mitwirkung. Akzentuiert werden eher aktive Unterstützungen wie öffentliche Beschäftigung, Qualifizierung und Weiterbildung als Mittel zur Integration in den Arbeitsmarkt. Die Leistungshöhe wird nicht problematisiert, lediglich bei den Kindern will Bündnis 90 / Die Grünen das Existenzminimum neu ermitteln. Die Linke will das Bürgergeld zu einer sanktionsfreien Mindestsicherung weiterentwickeln, die effektiv gegen Armut schützt. Der Regelbedarf soll – nach dem Vorschlag des Paritätischen - auf 813 Euro für eine Erwachsene erhöht werden. Das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) will das Bürgergeld insbesondere durch eine Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs ersetzen und orientiert sich damit an der früheren Arbeitslosenhilfe. 

Mindestlohn

Bei der hitzigen Debatte um das Bürgergeld wird häufig ein unzureichender Lohnabstand zwischen dem Bürgergeld und dem Einkommen von Erwerbstätigen behauptet. Ein probates Mittel zurfinanziellen Förderung von Arbeitsanreizen ist mehr Lohn, heir: die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns für Beschäftigte. Union und FDP erkennen keinen politischen Handlungsbedarf zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns während die anderen hier betrachteten Parteien sich allesamt für einen Mindestlohn von 15 Euro / Stunde einsetzen. Auffällig ist, dass gerade die Parteien, die lautstark einen mangelnden Arbeitsanreiz beklagen keine politische Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns fordern. 

Alterssicherung

In der Alterssicherung stehen das Renteneintrittsalter, die Leistungshöhe und die Weiterentwicklung des Systems im Mittelpunkt des Interesses. Die Parteien schließen in ihren Programmen eine Anhebung des Renteneintrittsalters aus. Lediglich die FDP äußert sich hier nicht explizit und fordert stattdessen eine „Flexibilisierung“ des Renteneintritts. Die Linke möchte die Regelaltersgrenze wieder auf 65 Jahre senken. Abschlagsfreie frühere Renteneintritte sollen in verschiedenen Varianten nach 45 Jahren möglich bleiben – wiederum fehlt dieses Bekenntnis bei der FDP. Arbeiten im Rentenalter wollen Union, SPD und Grüne auf je spezifische Weise finanziell attraktiver machen. Die entscheidenden Unterschiede finden sich zur Leistungshöhe und bei den Perspektiven der Weiterentwicklung. Die Union schließt aktive Rentenkürzungen aus. Ohne politische Gegenmaßnahmen wird das Rentenniveau aber im bestehenden System automatisch sinken. Dagegen setzen die SPD und auch die Grünen das Bekenntnis zu einem dauerhaften Rentenniveau von 48 Prozent. Die Linke und das BSW wollen das Rentenniveau gegenüber dem Status quo anheben und mit einer Mindestrente – in Abhängigkeit von den Beitragsjahren – verbinden. Bei der Weiterentwicklung des Alterssicherungssystem steht die FDP einen Umbau in Richtung Privatisierung durch die steuerliche Förderung von privater und betrieblicher Alterssicherung sowie die Einführung einer gesetzlichen Aktienrente. Ein Teil der Rentenbeiträge soll in einem Kapitalfonds angelegt werden. Auch die Grünen setzen sich für den Einstieg in eine (ergänzende) Kapitaldeckung ein und fordern in Anlehnung an das gescheiterte Vorhaben der Ampel-Regierung den Aufbau eines Kapitalstocks („Bürger*innenfonds“) durch Darlehen aus dem Bundeshaushalt. Die Union hält sich mit Äußerungen zur strukturellen Weiterentwicklung der Alterssicherung zurück, deutet aber mit Stärkung privater und betrieblicher Alterssicherung eine ähnliche Perspektive wie die FDP an. Eine Besonderheit ist die finanzielle Förderung des Aufbaus eines Kapitalstocks für Kinder im Alter von 6. bis zum 18. Lebensjahr mit 10 Euro / Monat. SPD, Linke und BSW wollen in je spezifischer Form die Gesetzliche Rentenversicherung stärken und zu einer Erwerbstätigenversicherung erweitern, in die – zumindest perspektivisch - alle Erwerbstätigen einbezogen werden. 

Verteilungswirkungen      

Für den Paritätischen Gesamtverband steht eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums im Zentrum des politischen Handelns. Wie wirken sich die Wahlprogramme der Parteien auf die Verteilung der Einkommen in der Gesellschaft aus? Wer profitiert von den jeweiligen Reformvorschlägen? Dazu ist es notwendig auch die steuerpolitischen Vorschläge der Parteien mit einzubeziehen. Diese können hier nicht dargelegt worden. Es liegen aber entsprechende Simulationsrechnungen des ZEW vor, die in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Zeitung erstellt worden. Auf diese Ergebnisse soll hier hingewiesen werden.  

Nach der Darstellung in der Süddeutschen Zeitung (Süddeutsche vom 17. Januar 2025) lassen sich grob zwei Lager identifizieren: „SPD, Gründe, BSW und Linke wollen vor allem Haushalte mit niedrigen Einkommen und die Mittelschicht finanziell besserstellen – und Beziehern hoher Einkommen eher Geld wegnehmen. Ganz anders dagegen Union, FDP und AfD: Sie versprechen ein Finanzplus, das mit zunehmendem Gehalt nicht nur in Euro und Cent immer höher ausfallen soll, sondern auch prozentual. Anders gesagt: Je mehr ein Haushalt verdient, desto stärker wird er im Verhältnis zum bisherigen Einkommen entlastet. Fünf bis zehn Prozent mehr sind so für Topverdiener drin, während alle anderen gesellschaftlichen Gruppen weniger bis nichts erhalten“. Die Vorschläge von Union, FDP und AfD nutzen den bereits Wohlhabenden, bringen den anderen Gruppen kaum etwas und erhöhen so die Einkommensungleichheit. Bei den anderen Parteien wird die Ungleichheit – in unterschiedlichem Umfang – reduziert. Geringverdienende profitieren nach dem Bericht insbesondere von der Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro, während die Wohlhabenden insbesondere durch Steuererleichterungen bevorzugt werden. Am deutlichsten wird die Ungleichheit bei den Vorschlägen der Linken reduziert, auch die Maßnahmen von Grünen, SPD und BSW würden sich für eine gerechtere Verteilung positiv auswirken – aber in einem deutlich niedrigeren Ausmaß. Entsprechend wären auch die Auswirkungen auf die Armutsrisikoquote: die Armut würde bei Linken (minus 2,8 Prozentpunkte) und Grüne (minus 0,9 Prozentpunkte) sinken, bei der SPD etwa stabil bleiben und bei den anderen Parteien steigen. Mit 2,2 Prozentpunkten würde die Armutsrisikoquote bei der Umsetzung der Vorschläge der AfD am stärksten steigen.  

Die spezifischen Befunde sind in dem Artikel für jede einzelne Partei ausgewiesen. Bemerkenswert ist die Analyse zu der AfD. Diese Partei will nach den vorgelegten Analysen die „Topverdiener überproportional besserstellen“. In Zahlen: „Wer mehr als 150.000 Euro im Jahr verdient, hat prozentual knapp acht Prozent Puls zu erwarten. Bei allen Menschen in Haushalten, die bis zu 55.000 Euro im Jahr verdienen, sind es null bis drei Prozent.“ Die AfD ist ungeachtet ihrer populistischen Rhetorik eine Partei für die Besserverdienenden mit einem Programm der Umverteilung von unten nach oben.  

Haushaltswirkungen

Das ZEW hat neben der Verteilungswirkung auch die fiskalischen Auswirkungen der Programme berechnet. Die Befunde sind deutlich: Die Programme von Union, FDP und AfD führen nicht nur zu größeren sozialen Ungleichheiten zwischen arm und reich, sondern führen zugleich zur einer Verarmung bei den öffentlichen Haushalten. Dem öffentlichen Sektor werden die Ressourcen entzogen. Die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates wird massiv reduziert. Das ZEW beziffert die fiskalischen Effekte bei der FDP auf etwa 116 Mrd. Euro Mindereinnahmen, bei der AfD auf knapp 100 Mrd. Euro und bei der CDU / CSU auf 47 Mrd. Euro. Im Gegensatz dazu stehen die Auswirkungen der anderen Parteien: bei SPD, BSW und B‘90/Grüne bleibt der Haushalt unter dem Strich unverändert, es ergeben sich minimal positive Haushaltswirkungen. Bei den Linken würde sogar ein deutliches Haushaltsplus in Höhe von 46 Mrd. Euro stehen. 

Dokumente zum Download

Synpose Sozialpolitik (78 KB)

Weiterführende Links

Paritätische Kampagne zur Bundestagswahl: Weil alle zählen!

Analyse des ZEW zu den Verteilungswirkungen der Wahlprogramme

Süddeutsche Zeitung: Was die Wahlversprechen der Parteien jedem Bürger finanziell bringen

Süddeutsche Zeitung: Was kosten die Wahlversprechen der Parteien?

Fact-Sheet des Paritätischen zur Bürgergeldreform

Foto:
©Bundestagswahl-bw.de